Verlängerter Arm der Porsche-Lobby

FDP und Autokonzern sprachen während der Koalitionsverhandlungen über E-Fuels

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 5 Min.

Dass Vertreter der Autoindustrie und der Bundesregierung regelmäßig miteinander in Kontakt stehen, ist an sich kein großes Geheimnis. Allerdings ließ dieser Tage eine Äußerung aufhorchen, die dem Chef des Autoherstellers Porsche, Oliver Blume, zugeschrieben wurde. Das ZDF-Satiremagazin »Die Anstalt« hatte am Dienstag berichtet, dass Blume bei einer Betriebsversammlung am 29. Juni vor Mitarbeitern gesagt habe, dass Porsche »sehr großen Anteil« daran gehabt habe, dass eine weitere Nutzung von synthetisch hergestellten E-Fuels für Verbrennungsmotoren »in den Koalitionsvertrag miteingeflossen« sei. »Da sind wir Haupttreiber gewesen, mit ganz engem Kontakt an die Koalitionsparteien. Der Christian Lindner hat mich in den letzten Tagen fast stündlich auf dem Laufenden gehalten«, wurde Blume zitiert.

Die EU-Umweltminister hatten sich Ende Juni darauf geeinigt, dass ab dem Jahr 2035 in der Europäischen Union keine Pkw und leichten Nutzfahrzeuge mehr neu zugelassen werden, die mit Diesel oder Benzin fahren. Die Minister sehen die Zukunft in der Elektromobilität. Auf Druck der deutschen Bundesregierung und insbesondere der FDP wurde in dem Beschluss die Möglichkeit offen gelassen, dass mit sogenannten E-Fuels betriebene Neuwagen mit Verbrennern auch nach 2035 zugelassen werden können. Dabei haben Umweltverbände kritisiert, dass E-Fuels ineffizient seien, nicht automatisch klimaneutral und auf absehbare Zeit teuer und nur begrenzt verfügbar bleiben würden. E-Fuels werden unter Einsatz von Strom meist aus Wasser und CO2 hergestellt.

Im April war bekannt geworden, dass der Sportwagenbauer Porsche 75 Millionen US-Dollar in die Entwicklung industrieller Produktionsanlagen für synthetische Kraftstoffe, also E-Fuels, investiert. Porsche ist an HIF Global, dem chilenischen E-Fuel-Produzenten, beteiligt. Erklärtes Ziel ist die Massenproduktion für den Weltmarkt.

Das alles zeigt, wie wichtig die Entscheidung in der EU über die E-Fuels für Porsche war. Die Berichterstattung zu dem Thema war dem Konzern ebenso wie der FDP unangenehm. Oliver Blume sagte nun der »Bild am Sonntag«, dass er bei einer internen Veranstaltung, also offensichtlich der Betriebsversammlung, »falsche Worte gewählt« habe. »Das tut mir leid.« Ein Sprecher der Porsche AG sagte der »Welt am Sonntag«, bei dem Termin sei »überspitzt formuliert« worden. »Dafür entschuldigen wir uns.« Die Wortwahl habe »nicht den Tatsachen« entsprochen. »Der Austausch hat so nicht stattgefunden und es gab keine Einflussnahme.«

Das ist allerdings wenig glaubwürdig. Zumal die Pressestelle der FDP einräumte, dass es im Oktober vergangenen Jahres während der Koalitionsverhandlungen mit SPD und Grünen »ein kurzes Telefonat« des Parteivorsitzenden Christan Lindner mit Porsche-Chef Blume »zu Fragen der Verwendung von E-Fuels« gegeben habe. Der spätere Bundesfinanzminister habe »auch mit Konzernchefs von Fahrzeugherstellern, die E-Fuels nicht unterstützen«, telefoniert, so ein Sprecher der FDP. Solche Gespräche hätten die Unternehmen nach Kenntnis der FDP auch mit den Verhandlern der Koalitionspartner geführt. »Dies ist angesichts der Bedeutung der deutschen Automobilindustrie, an deren Zukunft direkt und indirekt die Arbeitsplätze von Millionen Beschäftigter hängen, auch richtig«, sagte der Sprecher.

Allerdings gibt es vermutlich noch einen weiteren Grund, warum die Parteien der Bundesregierung ein offenes Ohr haben, wenn Vertreter der Autolobby das Gespräch mit ihnen suchen. Südwestmetall, der Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg, hat in den vergangenen Jahren insgesamt mehrere Millionen Euro an Parteien gezahlt. Diese Summen lassen sich nachvollziehen, weil sie als Großspenden auf der Website des Bundestags veröffentlicht werden müssen. Auch Porsche ist im Vorstand des baden-württembergischen Verbandes vertreten. Konzerne, die großzügige Parteispenden überweisen, stehen unter dem Verdacht, Einfluss auf die Politik nehmen zu wollen.

Die FDP hat Südwestmetall viel zu verdanken. Als sie im Jahr 2013 aus dem Bundestag gewählt wurde, päppelten der Verband und weitere Spender die Freien Demokraten wieder auf. Das hatten sie auch dringend nötig, weil die staatlichen Gelder aufgrund schwacher Ergebnisse bei Wahlen in immer geringeren Maße flossen. Ende 2013 überwies Südwestmetall der FDP 80 000 Euro. Wohl auch, damit die Partei genug Mittel für ihre letztlich erfolgreichen Wahlkämpfe hatte, wurde sie jährlich weiter von dem Verband mit Spenden bedacht. Ende 2016 steckte Südwestmetall der Partei noch einmal 110 000 Euro zu.

Wegen der Coronakrise hatte Südwestmetall im Februar 2021 verkündet, keine weiteren Parteispenden mehr zu leisten. Die Mitgliedsunternehmen befänden sich in einer schwierigen Situation, hieß es zur Begründung. In den Vorjahren war nicht nur die FDP, sondern auch die CDU, die Grünen und die SPD mit großzügigen Spenden bedacht worden. Allerdings gibt es noch andere Möglichkeiten, Parteien zu unterstützen, wie etwa das Sponsoring auf Veranstaltungen und Parteitagen. Somit bleibt offen, inwieweit sich die Autoindustrie im Südwesten und mit ihr verbandelte Verbände weiter in die Politik einkaufen.

Offen ist auch, welche Zukunft E-Fuels überhaupt haben. Denn es gibt auch einige Skeptiker. Zum Beispiel hält Volkswagen-Chef Herbert Diess wenig von den synthetischen Kraftstoffen. Die Effizienz dieser Kraftstoffe sei »extrem schlecht«, sagte Diess Anfang Juli in einem Interview mit der »Süddeutschen Zeitung«. »Für die Herstellung braucht es viel Strom. Um ein paar Prozent lässt sich der Prozess vielleicht optimieren, aber die Größenordnungen bleiben: Wenn im Jahr 2030 einer für 10 Euro Strom tankt, um 500 Kilometer weit zu kommen, wird der E-Fuel-Fahrer 60 Euro ausgeben müssen«, erklärte er.

Allerdings läuft die Zeit von Diess bei Volkswagen ab. Seit Freitag ist klar, dass er als VW-Chef abtreten wird, dem Wolfsburger Konzern aber als Berater erhalten bleiben soll. Diess wird seinen Job am 1. September ausgerechnet an Oliver Blume übergeben. Der soll neben seinem Posten als Konzernchef auch weiter die Sportwagentochter Porsche führen.

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