• Kultur
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Lügen und Legenden

Ausstellung über Albert Speer in Berlin

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein großer Tisch mit zahlreichen Büchern empfängt die Besucher*innen der neuen Sonderausstellung in der Topographie des Terrors in Berlin. Sie befasst sich mit Albert Speer, Hitlers engem Vertrauten und Chefarchitekten. Er führte etliche NS-Großprojekte aus, hat unterm Hakenkreuz reichlich Profit zu scheffeln gewusst. Aber auch danach – mit Rechtfertigungsversuchen in Buchform.

»Speers Bilanz sieht infolgedessen etwa so aus: Aktiva: 40 Millionen Tote, unzählige Millionen Verstümmelte. Passiva: 20 Jahre Spandau. Saldo: Zwei Bestseller«, lautete der treffende Kommentar des »Konkret«-Herausgebers Hermann L. Gremliza bereits 1975. Damals eroberten gerade Speers »Spandauer Tagebücher« die Bestseller-Listen.

Der im Nürnberger Kriegsverbrechertribunal der Alliierten Verurteilte musste 20 Jahre Haft vollständig im Spandauer Gefängnis in Westberlin absitzen, weil die Sowjetunion eine vorzeitige Begnadigung vehement abgelehnt hatte. Nach seiner Entlassung avancierte der willige Vollstrecker in der Bundesrepublik zu einem Helden. Seine Freilassung am 1. Oktober 1966, gemeinsam mit dem ehemaligen NS-Jugendführer Baldur von Schirach, geriet zu einem Volksfest.

Tausende Ewiggestrige begrüßten Speer am Gefängnistor. Die Presse feierte ihn als guten und reuevollen Nazi, der sich mutig empört habe, als Hitler in den Endtagen des »Tausendjährigen Reiches« dem deutschen Volk jegliche Lebensberechtigung abgesprochen hatte, weil es nicht mehr an den »Endsieg« glaube, nicht mehr zu kämpfen bis zum letzten Blutstropfen bereit sei. Über die Opfer des NS-Terrorregimes verlor Speer nie ein Wort.

Die Ausstellung dokumentiert, wie dreist der Mann, der auch Rüstungsminister und somit auch für die Ausbeutung von sieben Millionen Zwangsarbeitern, darunter Hunderttausende KZ-Häftlinge, verantwortlich war, über seine exponierte Stellung in Hitlers Diktatur log. Als er vom Publizisten und Historiker Joachim Fest in einem Interview gefragt wurde, ob er vor 1945 je den Namen Auschwitz gehört habe, stritt er dies ab. Ein befreundeter SS-Mann habe ihn davor gewarnt, sich zu sehr mit den Konzentrationslagern in Osteuropa zu beschäftigen. In der Ausstellung erfährt man aber, dass Speer den Aufbau des Vernichtungslagers Auschwitz aktiv vorangetrieben hatte.

Die Entlarvung der Speer-Legenden ist zentraler Teil der Ausstellung. Verschiedene Historiker*innen kommen zu Wort, die mit ihren akribischen Forschungen das Lügengebäude eines der prominentesten Nazis in den 80er Jahren endlich zum Einsturz brachten. Das gesellschaftliche Klima in der BRD war ihm bis dahin zugutegekommen: Wenn selbst ein Speer mit seinen engen Kontakten zu Hitler nichts über den Massenmord an den Juden gewusst hatte, dann doch erst recht nicht die gewöhnlichen Deutschen. Ein willkommenes Entlastungsargument auch für Millionen Mitläufer.

Eine weitere Legende, die Speer seinerzeit auftischte, war ein angeblich von ihm geplanter Giftanschlag auf Hitler in den letzten Kriegsmonaten. Diese Behauptung sorgte sogar bei seinen Nazi-Kumpanen auf der Anklagebank in Nürnberg für Erheiterung beziehungsweise Empörung. Die Selbststilisierung als Widerstandskämpfer kam aber bei vielen Deutschen an – bis dann der vornehmlich von der neuen jungen Generation getragene gesellschaftliche Aufbruch von 1968 für Veränderungen im Bewusstsein und in der Rezeption der braunen Vergangenheit sorgte.

Auch wenn sich die Ausstellung auf Albert Speer und die Bundesrepublik konzentriert, wird hier dankenswerterweise erwähnt, dass Rechtfertigungsbücher wie die Memoiren von Speer und mehrerer Wehrmachtsgeneräle in der DDR nicht erscheinen durften, deren Lügen und Legenden dort nicht verbreitet wurden.

»Albert Speer in der Bundesrepublik. Vom Umgang mit deutscher Vergangenheit«, Topographie des Terrors, Berlin, bis 25. September, täglich 10- 20 Uhr geöffnet.

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