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Turbo für Frankreichs Militär
Präsident Macron sichert der Rüstungsindustrie Milliarden für neue Waffensysteme zu
»Da die Gefahr von Konflikten immer größer wird, müssen wir heute unsere operativen Ambitionen für den Zeitraum bis 2030 neu abwägen.« So hat der französische Präsident Emmanuel Macron vor wenigen Tagen in einem Interview ein Programm für neue Rüstungsanstrengungen begründet. Das aktuelle, seit 2019 laufende und eigentlich noch bis 2025 reichende Programm sei durch die Ereignisse in der Welt und vor allem durch den Krieg in der Ukraine überholt, sagte Macron. »Es geht darum, über ausreichende Kapazitäten zu verfügen, um für eine mögliche Rückkehr zu Konfrontationen von hoher Intensität gewappnet zu sein.«
Konkret läuft das auf eine weitere Steigerung des Militäretats hinaus. Dies entspricht Macrons wiederholt geäußerter Zusage, diesen in Frankreich auf die Nato-Norm von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts anzuheben. Nach einer langen Periode relativ knapper Mittel fürs Militär mit entsprechenden Konsequenzen für die Einsatzbereitschaft – was sich besonders bei Auslandseinsätzen in Afrika zeigte – hat Macron bereits kurz nach seiner Wahl zum Präsidenten 2017 eine Wende eingeleitet. Mit dem seit 2019 laufenden Programm wurde diese noch deutlich erhöht. Während 2019 erst 35,9 Milliarden Euro zur Verfügung standen, sind es im laufenden Jahr bereits 40,9 Milliarden. Für 2023 wurden im Staatshaushalt bereits 44 Milliarden vorgesehen und 2025 soll die Marke von 50 Milliarden Euro überschritten werden.
Das alles soll nun viel schneller gehen, mahnt Macron an. »Wir müssen mehr und besser investieren«, ist er überzeugt. Der Krieg in der Ukraine und die sich daraus ergebende Notwendigkeit, schnell und in großem Umfang zusätzliche Waffensysteme und andere Militärausrüstungen zu produzieren, macht deutlich, wie kompliziert und schwerfällig das Geflecht von Airbus, Thalès, Safran, Dassault, Naval Group und weiteren Großunternehmen ist. Hinzu kommen bis zu 5000 kleine und mittelständische Produzenten oder Zulieferfirmen der französischen Rüstungsindustrie.
Das Nachschubproblem zeigte sich ganz besonders, als Frankreich nach dem russischen Überfall auf die Ukraine kurzfristig Artilleriemunition und diverse Ausrüstungen aus den eigenen Beständen dorthin lieferte und die nationalen Reserven – die sich bei dieser Gelegenheit als völlig unzureichend erwiesen – möglichst schnell wieder aufgefüllt werden mussten. Die dafür benötigte Zeit beträgt je nach Typ oft mehrere Monate.
Noch komplizierter ist die Lage bei hochmodernen Systemen wie den auf Allrad-Lkw montierten 155-mm-Haubitzen Caesar, von denen Frankreich aus dem eigenen Bestand von 76 Exemplaren 12 an die Ukraine geliefert hat. Da die Kapazität durch Exportverträge schon lange im Voraus ausgebucht ist, muss die französische Armee mit einer Wartezeit von mindestens eineinhalb und bis zu vier Jahren rechnen, um den eigenen Bestand aufzufüllen.
In solchen Fällen müsse man eingefahrene Wege verlassen und schneller reagieren, betont der Präsident. »Der Rüstungsbedarf muss laufend und seit den Ereignissen in der Ukraine mehr denn je den aktuellen militärstrategischen Interessen angepasst werden«, unterstrich Emmanuel Macron, der in diesem Zusammenhang von der Notwendigkeit einer »Kriegs-Ökonomie« sprach.
Einige Medien haben in Erfahrung gebracht, dass im Elysée und im Verteidigungsministerium am Entwurf eines Gesetzes gearbeitet wird, mit dem jedes Unternehmen in Frankreich, auch wenn es bisher nicht zu den Vertragspartnern der staatlichen Generaldirektion für Rüstung gehört, verpflichtet werden kann, kurzfristig seine Produktion auf dringend benötigten Militärbedarf umzustellen.
Das neue Gesetz orientiert sich an dem, das in den USA während des Korea-Kriegs erlassen und seitdem nie aufgehoben wurde. Es sieht vor, dass dafür nicht nur die vorhandenen Kapazitäten voll ausgeschöpft, sondern bei Bedarf auch neue geschaffen werden müssen und der Rhythmus der Produktion entsprechend beschleunigt wird.
In der linken Opposition ist die Haltung zur veränderten Militär- und Rüstungspolitik unterschiedlich. Während diese Wende bei den Sozialisten und den Grünen auf viel Verständnis und Zustimmung stößt, sind die Kommunistische Partei und die Bewegung La France insoumise (LFI) der Überzeugung, dass der Krieg in der Ukraine nur ein willkommener Vorwand für diese Strategiewende ist. »Die Ukraine hat das Recht, sich zu verteidigen«, betont die FKP, »doch wir lehnen die Lieferung von Waffen ab.« Der Konflikt könne nicht militärisch, sondern nur politisch gelöst werden durch diplomatische Verhandlungen unter Schirmherrschaft der Uno.
LFI lehnt Militärhilfe nicht so eindeutig ab, sondern erklärt: »Wir befürworten die Unterstützung des ukrainischen Volkes, das sich zu seiner Verteidigung mobilisiert hat.« Doch das müsse »einhergehen mit unabhängigen diplomatischen Bemühungen um eine Lösung des Konflikts«. Der Krieg in der Ukraine werde zum Vorwand genommen, um die Nato zu verstärken und auszuweiten, urteilt LFI und verweist darauf, dass eine verstärke Militärpräsenz der USA in Europa die Bemühungen um eine strategische Autonomie des Kontinents durchkreuzt und geopolitisch zum Wiederaufleben alternativer Blöcke führt.
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