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Putin unter Peter
Russland hat eine neue Marinedoktrin und jede Menge Probleme
Ein Riese von Wuchs und Geisteskraft soll er gewesen sein. Mit bloßen Händen konnte der Russe Pjotr Alexejewitsch Romanow einen silbernen Teller zum Klumpen pressen. Als 16-Jähriger, so die Geschichte, entdeckte er in einem Dorfschuppen einen halbverrotteten englischen Segelkahn. Den ließ er von einem holländischen Zimmermann herrichten und nannte ihn »Großväterchen der russischen Flotte«. Sie nahm alsbald gewaltige Ausmaße an, denn Pjotr Alexejewitsch Romanow war Peter I., genannt »der Große«.
Das Porträt des Zaren hing am Sonntag über einer an Steifheit nicht zu überbietenden Zeremonie. Staatsschef Wladimir Putin, der sich gern als Nachfahre des großen Peter inszeniert, unterzeichnete eine neue Doktrin für »seine« Marine. Das Planungsdokument folgt – wie entsprechende Strategien im Westen oder in Asien – der Logik der Macht. Darin wird festgestellt, dass die USA und die Nato die »größten Bedrohungen für die nationale Sicherheit Russlands« seien. Washingtons strategisches Ziel sei, die Weltmeere zu beherrschen. Man wolle den Zugang Russlands zu den natürlichen Ressourcen auf dem Grund der Ozeane ebenso einschränken wie die freie Seefahrt.
Die neue Doktrin beschreibt die weitere Annäherung der militärischen Infrastruktur der Nato an die russischen Grenzen als ernste Gefahr und eine »Herausforderung für die nationale Sicherheit«. Deshalb setzt Moskau mit den nun verabschiedeten maritimen Grundsätzen unmissverständliche rote Linien und benennt eigene Ansprüche, beispielsweise in der Arktis, wo schmelzendes Eis die globale Gier auf Bodenschätze wachsen lässt. Auch durch eine ständig befahrbare Handelsroute wird die Region immer interessanter. Man wolle, so erklärte Putin am Sonntag in einer Rede zum traditionellen »Tag der Seestreitkräfte«, dort für »strategische Stabilität« sorgen – also die Nord- und Pazifikflotte ausbauen.
Tatsächlich werden bisherige internationale Absprachen zu einer gemeinsamen friedlichen Nutzung des arktischen Gebietes immer irrelevanter. Mit der bevorstehenden Aufnahme Finnlands und Schwedens in die Nato sind alle Anrainer der Arktis – wie die der Ostsee – Mitglied der Nato. Russland ist seit seinem Überfall auf die Ukraine isolierter denn je, aber eine Atommacht, die auch über trainierte arktische Truppen und die militärisch hochgerüstete Exklave Kaliningrad verfügt. Eine offene Frage lautet, ob, wann und mit welchen Bedingungen China, das in der arktischen Region bereits wirtschaftliche Interessen erkennen lässt, Moskau auch militärischen Beistand leistet.
Ausbauen will Moskau seine militärische Infrastruktur auch im Süden des Landes. Schwerpunkt ist dabei die 2014 annektierte Halbinsel Krim. Die Vorhaben klingen nicht realitätsnah angesichts der verheerenden Schläge, die der russischen Schwarzmeer-Flotte jüngst durch die maritim kaum gerüstete Ukraine beigebracht wurden. Die neue Doktrin benennt ebenso Probleme in der pazifischen Region. Man werde keinerlei Territorialansprüche auf maritime Zonen und Inseln dulden, die von einer »Reihe von Staaten« erhoben würden. Das muss man als klares Stoppzeichen unter anderem gegenüber Japan verstehen, das stärker denn je die Rückgabe der Südkurilen verlangt.
Ausdrücklich betont wird in der neuen Doktrin, dass Russland zum Schutz und zur Durchsetzung seiner Interessen auf hoher See militärische Gewalt anwenden könne – wenn alle Versuche einer Konfliktlösung auf diplomatischem Wege ausgeschöpft sind. Das geht – siehe Ukraine – rasch. Moskau plant überdies den Aufbau von Marinebasen außerhalb der Grenzen Russlands und will jeder seiner fünf Flotten neue leistungsfähige Schiffe und Boote zuteilen. Sogar der Bau von Flugzeugträgern wird erwähnt.
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Das erinnert weniger an die von Peter I. initiierte Flottenrüstung, sondern mehr an sowjetische Großmachtträume in den 1970er und 1980er Jahren. Die ließen sich nie erfüllen, trieben das Land jedoch in den Ruin. Klar ist: Auch die aktuellen technischen und wirtschaftlichen Kapazitäten Russlands reichen nicht, um Putins Vorgaben zu realisieren. Dennoch: Moskaus Marine ist bereits jetzt hoch gerüstet und zumindest paradetauglich. Entsprechend selbstbewusst inspizierte Putin am »Tag der Seestreitkräfte« die zwischen Kronstadt und St. Petersburg aufgereihten Kriegsschiffe.
Bereits Peter I. mochte solche Shows. Es wird erzählt, der Zar habe bei einer solchen Inspektion geholfen, in Seenot geratene russische Marinesoldaten zu bergen. Doch das eiskalte Wasser der Newa tat dem Herrscher nicht gut. Ein altes Leiden sei wiedergekommen – und so auch bald das Ende des »großen Peter«.
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