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Vorzeige-Torfrau Almuth Schult beim Vorbild-Verein Angel City FC
Die deutsche Nationalspielerin wird in Amerika Teil eines Projekts, das globale Vorbildwirkung haben soll
Almuth Schult kann sich freuen. Offenbar wird die deutsche Torhüterin beim US-Klub Angel City FC sehnsüchtig erwartet, sonst würde auf den Rängen ihres künftigen Arbeitgebers nicht schon eine Deutschland-Flagge wehen. Mitbegründerin Kara Nortman präsentierte diese Bilder auf einem Uefa-Panel in London am vergangenen Wochenende vor dem Finale der Frauen-EM zwischen England und Deutschland hochrangigen Gästen. Was eignet sich zur globalen Förderung des Frauenfußballs gerade besser als dieses hollywoodreife Pionierprojekt, von dem Klubpräsidentin Julie Uhrman sagt: »Wir wollen die Welt unterhalten.« Die Aussagen der Kapitalgeberin Nortman klang am noblen Grosvenor Square eher danach, als wolle sie die Welt verändern.
Um mehr Gleichberechtigung geht es immer auch der vielfältig engagierten Schult, die sich in ihrer Rolle als unermüdliche Vorkämpferin diesen Sommer über arg zurücknehmen musste. Als Ersatztorfrau gehörte es sich nicht, vor einem und während eines Turniers ausschweifende Interviews zu geben; neben ihren Beiträgen als Kolumnistin waren von der 31-Jährigen in England keine Statements zu vernehmen. Sportlich gibt es für Schult in Los Angeles einiges zu tun: In der bereits im Frühjahr begonnenen Saison in der Nations Women‹s Super League (NWSL) krebsen die »Engel« auf dem siebten Platz herum. Doch für die höchst erfolgreiche Unternehmerin Nortman sind andere Zahlen wichtiger.
16 000 Dauerkarten sind verkauft, das Stadion fasst 23 500 Plätze. Die Stimmung bei jedem Heimspiel ist prächtig, das Publikum bunt. Von den 220 im Verein arbeitenden Personen seien 75 Prozent weiblich, 55 Prozent davon »coloured people«, nichtweiße Leute, erzählte die Initiatorin. Auch wenn das Wappen in Rosa gehalten ist, dominieren die Regenbogenfarben. Getreu dem Motto: »Wir können das Leben von Mädchen und Frauen in der Gesellschaft durch Fußball verbessern.«
Nortman reichte angeblich ein Abendessen in L.A. mit der Schauspielerin Natalie Portman, um das wichtigste Angel-Gesicht zu gewinnen. Den Antrieb bekam sie von Sohn Aleph, wie die in Jerusalem geborene 41-Jährige einmal dem »Guardian« sagte: »Als ich sah, dass mein Sohn Spielerinnen wie Megan Rapinoe und Alex Morgan genauso vergötterte, wie er es bei Lionel Messi oder Karim Benzema tat, wurde mir klar, dass die Unterstützung für weibliche Athletinnen die Kultur schnell verändern könnte.« Bei Präsidentin Uhrman hört sich das so an: »Wir bauen eine andere Art von Organisation auf. Hier kommen Mission und Kapital zusammen.« Der moralische Überbau, das klingt zumindest durch, ist höherwertiger, weil nachhaltiger als in herkömmlichen US-Profiklubs. Das zieht gerade bei den Berühmtheiten, die ihre Vorbildrolle betonen.
Inzwischen unterstützen die Sängerin Christina Aguilera, Youtube-Star Casey Neistat, die Skifahrerin Lindsey Vonn, Tennisstar Serena Williams, die US-Soccer-Ikonen Mia Hamm und Abby Wambach die Pionierinnen – und die Liste ist längst nicht vollständig. Schult taucht bald in ein Sammelbecken weltbekannter Persönlichkeiten ein. »Ich bin niemand, der Promis hinterherläuft, um ein Selfie zu machen, aber ich freue mich, wenn ich so bekannte Frauen kennenlernen darf«, sagte sie vor der EM in einer Medienrunde vor dem DFB-Pokalfinale, ehe sie mit dem VfL Wolfsburg den vorerst letzten Titel in ihrer Heimat gewann.
Auch das sportaffine Amerika ist angeblich ganz gespannt auf die deutsche Meinungsführerin. Die Engel wollen weltweit etwas bewirken, dazu brauchen sie Botschafterinnen aus allen Kontinenten. So fightet nicht nur die US-Weltmeisterin Christen Press für den Klub, sondern auch Alexandra Riley, Kapitänin vom Nationalteam aus Neuseeland. Längst stehen die Sponsoren Schlange, Konzerne wie der Sportartikelgigant Nike leisten tatkräftigen Support.
Mittlerweile seien 44 Millionen Dollar, so Nortman, auf diesem Weg zusammengekommen. Der US-Klub erlöst damit allein ungefähr so viel wie die gesamte Frauenbundesliga. Zehn Prozent davon fließen generell bei allen Einnahmen an soziale Projekte. Das klingt genau nach dem Vorgehen, das Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg beim rauschenden Empfang am Römer ausgerufen hat: »Tragt die Werte, die wir vorgelebt haben, in unsere Gesellschaft. Dann wären wir ein Stück weit besser.«
Gut, dass DFB-Generalsekretärin Heike Ullrich und Doris Fitschen, Leiterin des DFB-Projekts »Frauen im Fußball«, Nortmans Plädoyer zu mehr Vielfalt und Diversität gehört haben. Denn vor der EM stellte sich die Lage im deutschen Fußball der Frauen alles andere als vorbildhaft dar: Ullrich und Fitschen versprachen zwar vor einem Monat, endlich aktiv gegen das sinkende Interesse mit einem Zuschauerschnitt unter 1000 bei Spielen der Frauenbundesliga und die seit 2010 halbierte Anzahl der Mädchenteams anzugehen, doch einen wirklich kreativen Ansatz hatten sie nicht zu bieten.
Nun aber ist keine Zeit mehr zu verlieren, wie Voss-Tecklenburg am Montag in einem leidenschaftlichen Appell forderte: »DFB, Medien, Gesellschaft, Politik, Verbands- und Vereinsvertreter, nehmt euer Herz in die Hand, wie es die Spielerinnen getan haben, und dann gehen wir auch mit dem Frauenfußball nach vorne.« Nun kann sich wegen der deutschen Strukturen nicht einfach ein bunter Haufen ein Spielrecht in der Bundesliga erkaufen – Borussia Dortmund hat mit seinen Frauen bewusst ganz unten angefangen –, aber darum geht es eigentlich auch nicht.
Auch Schult geht es zuerst immer um die Haltung. »Der Verein wurde gegründet mit der Intention, eine gewisse Gleichberechtigung in der größten Frauensportart der USA zu schaffen. Das ist so in Europa noch nie passiert.« So reizt die 64-fache Nationaltorhüterin einerseits zwar die sportliche Herausforderung, anderseits die übergreifende Philosophie des Klubs. »Dieser Verein hat einen Auftrag, den ich gerne begleite«, so Schult. Wird sie bald sagen: gesucht und gefunden?
Die Vereinsidee entstand übrigens, als Nortman mit ihrer Tochter ein Spiel der Frauen-WM 2015 in Vancouver besuchte. Beide waren begeistert von der WM, aber als sie in Kalifornien nach einem Klub suchten, fanden sie nur Brachland vor. Danach habe sie »100 Spielerinnen gestalkt, 100 Gespräche geführt«, bis die Türen aufgegangen seien. Heute glaubt die 46-Jährige, dass Angel City FC eine »so bekannte Marke wie der FC Liverpool und die Dallas Cowboys wird«. Warum sie nicht daran zweifelt? »Meine Tochter hat mich gerade gefragt, wann wir im Männerfußball einen solchen Klub gründen.«
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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