»Diskussionsbedarf« statt zeitiger Lösung

Die Reform des Abstammungsrechts wird verzögert, während queere Familien unter der aktuellen Rechtslage leiden

  • Lilli Mehne
  • Lesedauer: 3 Min.

Gesa C. Teichert-Akkermann kämpft seit Jahren für eine Reform des Abstammungsrechtes, die für die automatische rechtliche Anerkennung beider Elternteile sorgen soll – auch bei lesbischen Ehepaaren. Jetzt muss sie noch länger warten: Es gebe »Diskussionsbedarf in der Bundesregierung«, so der Bundesjustizminister zu Beginn der Sommerpause, nur zwei Monate, nachdem er »konkrete Reformvorschläge« noch vor der parlamentarischen Sommerpause angekündigt hatte. »Die Verzögerung der Reform des Abstammungsrechts signalisiert uns sehr deutlich, dass die Grundrechtsverletzungen, mit denen wir täglich leben, von den politisch Verantwortlichen nicht ernstgenommen werden«, sagt Teichert-Akkermann gegenüber »nd«.

Das Bundesjustizministerium sieht vor, dass künftig bei lesbischen und anderen queeren Ehepaaren, die Samenspenden in Anspruch nehmen, auch der Elternteil, der das Kind nicht gebiert, automatisch als rechtlicher Elternteil eingetragen wird. Der Sprecher des Justizministeriums erklärt gegenüber »nd«, dass in den anstehenden Diskussionen geklärt werden müsse, ob der Gesetzesentwurf neben einer Regelung für registrierte Samenspenden auch private Samenspenden berücksichtigen wird oder ob dieses Vorhaben erst im nächsten Schritt umgesetzt wird.

Das aktuelle Abstammungsrecht sorgt dafür, dass queere verheiratete Paare, die für die Schwangerschaft eine Samenspende in Anspruch nehmen, ein aufwändiges Adoptionsverfahren durchlaufen müssen, da nur ein »Vater« als nicht-gebärender Elternteil vorgesehen ist. Während bei heterosexuellen Ehepaaren unabhängig von der biologischen Vaterschaft der Ehemann automatisch als Vater eingetragen wird, muss der zweite Elternteil in queeren Konstellationen seine Elternschaft nachträglich anerkennen lassen. Diese Ungleichbehandlung soll durch eine Reform des Abstammungsrechts aufgehoben werden, die bei registrierten Samenspenden die automatische Eintragung des zweiten Elternteils vorsieht. Bei privaten Samenspenden müsse die rechtliche Stellung des Spenders allerdings noch geklärt werden, so der Sprecher des Justizministeriums.

Der Fachstelle Regenbogenfamilien NRW zufolge gibt es keinerlei Erhebungen dazu, wie häufig private anstatt registrierter Samenspenden in Anspruch genommen werden. Klar ist aber, dass der Weg über Samenbanken wesentlich mehr Geld kostet. »Die rechtliche Absicherung einer Familie von der Herkunft der Spermien abhängig zu machen, schafft neues Unrecht«, sagt Teichert-Akkermann. Stattdessen fordert sie, dass auch private Samenspenden in das Samenspendenregister eingetragen werden können, um so eine rechtliche Absicherung schon vor der Geburt zu gewährleisten.

Für trans Personen ergibt sich ein weiteres Problem mit der aktuellen Rechtslage: Da im Gesetz von der gebärenden Person als »Mutter« gesprochen wird, können trans Männer und nicht-binäre Personen mit dem Geschlechtseintrag »divers« hier nicht angemessen bezeichnet werden. Sie gelten rechtlich als »Mütter«, obwohl sie keine Frauen sind. Auch hierzu soll es innerhalb dieser Legislaturperiode eine Neuregelung geben, die Zeitplanung sei aber noch unklar, sagt der Sprecher des Justizministeriums und verweist auf den Eckpunkteplan zum Selbstbestimmungsgesetz. Dort ist eine Zwischenlösung vorgesehen, die das automatische Outing eines transgeschlechtlichen Elternteils durch die Geburtsurkunde seines Kindes vermeiden soll – nähere Details gibt es dazu nicht.

Die Änderung des Abstammungsrechts, die die Bezeichnung von gebärenden trans Personen regeln soll, scheint in den Prioritäten des Justizministeriums allerdings weiter unten verortet zu sein. Der Minister und sein Sprecher thematisieren diesen Missstand nicht, wenn es um die anstehende Reform geht. Angesichts der Ankündigung des Justizministeriums, die verschiedenen Vorhaben rund um das Abstammungsgesetz schrittweise umzusetzen, ist davon auszugehen, dass sich gebärende trans Personen vorerst mit der geplanten Zwischenlösung abfinden müssen.

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