Der Rachefeldzug der Corona-Leugner*innen

Obwohl fast alle Maßnahmen gegen die Pandemie gefallen sind, geben die Corona-Leugner*innen noch immer keine Ruhe

  • Natascha Strobl
  • Lesedauer: 4 Min.

Bis zum Frühjahr 2022 war der schwarmartig organisierte Teil der Corona-Leugner*innen mit einem imaginierten Endkampf beschäftigt. Sie sahen sich in einer Diktatur, aus deren Zwangsmaßnahmen sie sich befreien mussten. Diese übertriebene, pathetische und selbstheroisierende Darstellung wurde nie von Zweifeln, Abwägungen oder Anpassungen durchbrochen. Jeder Beleg gegen ihre Sicht wurde entweder ignoriert oder als Beweis einer großangelegten Verschwörung gesehen. Gegen dieses Verschwörungsdenken gibt es keine vernunftbasierte, logische Argumentation mehr. Entweder sind die Belege gefälscht oder aber es werden absichtlich falsche Schlüsse aus ihnen gezogen. Worte und Begriffe wie »Faschismus«, »Diktatur«, »Freiheit« oder »Demokratie« verlieren ihre Bedeutung. Es wird mit Übertreibungen und Maßlosigkeiten oder komplett erfundenen Zahlen und Narrativen gearbeitet wie etwa die immer wieder ins Spiel gebrachten vermeintlich massenhaften »Impftoten«, also Menschen, die unmittelbar an Nebenwirkungen der Impfung gegen das Virus gestorben sein sollen.

Ende der Maßnahmen, kein Ende des Hasses

Natascha Strobl
Natascha Strobl ist Politikwissenschaftlerin und Autorin aus Wien. Auf Twitter schreibt sie Ad Hoc-Analysen zu rechtsextremer Sprache und faschistischen Ideologien, für »nd« schreibt sie die monatliche Kolumne »Rechte Umtriebe«. Darin widmet sie sich der Neuen und Alten Rechten und allem, was sich rechts der sogenannten Mitte rumtreibt. Alle Texte auf dasnd.de/umtriebe.

Das Problem, das nun besteht, ist aber folgendes: Monatelang hat dieses Milieu auch noch gegen die kleinste und logischste Maßnahme gewettert und sie als unglaubliche Pein dargestellt. Nun sind ihnen aber die Regierungen etwa in Deutschland und Österreich, gegen die sie so mobilisiert haben, »gefolgt«: es gibt kaum Maßnahmen mehr. Eigentlich haben die Corona-Leugner*innen gewonnen und müssten das feiern. Das tun sie aber nicht, weil auch diese Reflexion nicht ins eigene Denken passt.

Ein Teil macht weiter wie bisher, wettert gegen – nicht vorhandene – Maßnahmen und verstrickt sich weiter in historische Relativierungen. Ein anderer Teil ist längst zum nächsten Thema gesprungen, vor allem der Russland-Rechtfertigung. Hier kann man die Distanz zu den Regierenden wieder deutlich genug markieren. Ein dritter Teil hat aber die Zäsur mit dem – wieder einmal – ausgerufenen Ende der Pandemie erkannt und will nun Rache. Im eigenen Denken, das einem Märchen oder einem Film gleicht, ist man der Held, der das (vermeintliche) Unrecht eigenhändig wieder ungeschehen machen kann, indem er den Drachen, die böse Hexe oder den zwielichtigen Zauberer tötet.

Dieses Denken manifestierte sich zum Beispiel in der geplanten Entführung des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach, im Zuge dessen sollte gleich der ganze Staat gestürzt werden. Es ist magisches Denken, das einem tradierten Gut-Böse-Schema folgt. Was im Märchen oder Western harmlos oder unterhaltsam klingt, ist archaisch und gefährlich im Hier und Jetzt. Auf öffentlich zugänglichen Internetseiten werden Steckbriefe und Listen erstellt. Die vermeintliche Bösartigkeit der Leute, die sich auf diesen Listen befinden, wird nur über die Tatsache hergestellt, dass sie auf diesen Listen sind. Die zusammengetragenen Aussagen, die sich dort finden, sind so harmlos (im Stile von »Bitte gehen Sie impfen«), dass ein daraus abgeleiteter Zwang oder gar eine Diktatur nur in den Köpfen von völlig verhetzten Personen existieren kann, die von »Zivilisationsbruch« sprechen. Es geht aber weder um einen rationalen Diskurs, noch um Fehlerbearbeitung oder gesellschaftliche Aushandlung oder gar Perspektiven.

Moral der Gewalt

Es geht um Rache. Und in dieser Rache muss das Gegenüber besiegt werden. Die eigenen, erlebten und imaginierten Verletzungen und Kränkungen werden nach außen gekehrt und in blindem Um-sich-schlagen zu einem Rachefeldzug verbrämt. Rechtsextremismus oder Faschismus sind keine rationalen Ideologien. Sie bauen auf Kränkungen auf und liefern gleichzeitig immer und immer wieder neue Anlässe. Alles wird zur Kränkung. Es sind emotionalisierende und hochmoralische Ideologien, die auf Irrationalismus aufbauen. Das Erleben, die Tat und die gemeinschaftliche Erfahrung großer Gefühlswallungen stehen über Argument, Ratio oder Wissenschaft.

Dementsprechend gefährlich ist dieser Aufruf zur Rache. Corona-Leugner*innen sprechen hier gerne von »Volkstribunalen«, die die »Täter« richten sollen – am Ende sollen dann »Köpfe rollen«. Das Verschwörungsdenken verbindet sich mit Kränkung und nur dünn verhüllter Gewalt. Mit Rechtsextremen und Faschist*innen gibt es keine sachliche Auseinandersetzung. Sie wird nicht gewünscht und sie wird nicht eingelöst. Es ist mehr als nur naiv, darauf zu hoffen und in dieser blinden Hoffnung Zugeständnisse zu machen.

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