- Kommentare
- Kontra: Montagsdemos
Nicht wieder montags
Robert D. Meyer ist gegen die Neuauflage der Montagsdemonstrationen
Seit Monaten ist klar, dass immer höhere Strom- und Gaspreise sozialen Sprengstoff bilden, der ab Herbst Millionen Haushalte an und über die Grenze ihrer finanziellen Belastbarkeit führen kann. Für die gesellschaftliche Linke wie auch Die Linke kommt das alles demzufolge nicht überraschend, es ist kein Ereignis, auf das ad hoc reagiert werden müsste. Was inzwischen als ein Ergebnis strategischer Überlegungen aus der Linkspartei bekannt ist, zeugt nicht nur von mangelnder Kreativität, sondern ebenso fehlender politischer Sensibilität. So schlägt der Leipziger Bundestagsabgeordnete Sören Pellmann, Ostbeauftragter seiner Partei, eine Wiederbelebung der Montagsdemos vor und verweist auf die unter diesem Namen stattgefundenen Demonstrationen gegen den massiven Sozialstaatsabbau im Jahr 2004.
Gerade der Leipziger Pellmann dürfte wissen, dass der Begriff Montagsdemo nicht mit den Anti-Hartz-IV-Protesten entstand und ebenso wenig mit diesen verschwand, sondern inzwischen vollkommen ahistorisch für jeden erdenklichen Anlass herhalten muss. Zur Erinnerung: Montagsdemo – das ist der historische Begriff für die Proteste der Demokratie- und Reformbewegung in der DDR. Diesen Ursprung kaperte Jahrzehnte später die extreme Rechte und rief zu ihren eigenen Montagsdemos und -spaziergängen auf, Pegida und AfD sind die prominentesten Beispiele. Die Rechtsaußenpartei sprach in ihrer Kampagne auf die DDR-Montagsdemos anspielend von einer »Wende 2.0«. Coronaleugner*innen fühlen sich bei ihren montäglichen Aufmärschen an »damals« erinnert. Die gleichen Gruppen mobilisieren inzwischen auch zu Protesten gegen die Energiekrise – natürlich montags, wann auch sonst?
Man kann der Linken daher nur zurufen: Finger weg vom Begriff der Montagsdemo! Das Label ist als politischer Begriff verbraucht, abgenutzt und mit braunen Dreck überzogen worden.
Pro: Montagsdemos
nd-Redakteur Simon Poelchau ist dafür, einer Neuauflage der Montagsdemos eine Chance zu geben.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.