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Der Chef sorgt für Chaos im Dresdner Rathaus

Frisch gewählter FDP-Oberbürgermeister torpediert die Wahl von fünf Beigeordneten

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.

Mancher in Dresden fürchtet bereits einen Kemmerich-Moment. »Blumen vor die Füße des OB«, überschrieb das Bündnis »Herz statt Hetze« eine Erklärung zum jüngsten Eklat im Rathaus, bei dem FDP-Oberbürgermeister Dirk Hilbert die Wahl mehrerer Fachbürgermeister platzen ließ und sich dabei auch auf die AfD stützte. Mit deren Stimmen hatte sich sein Parteifreund Thomas Kemmerich im Februar 2020 zum Thüringer Regierungschef wählen lassen, woraufhin ihm Susanne Hennig-Wellsow, damals Vorsitzende der Linksfraktion, ihren Strauß vor die Füße warf.

In Dresden sorgt nicht eine Wahl, sondern eine Nichtwahl für Wirbel. In einer Sondersitzung des Stadtrats zur Wahl von fünf der sieben Beigeordneten wurde kürzlich zunächst SPD-Politiker Peter Lames als Finanzbürgermeister im Amt bestätigt. Er ist Teil eines Personalpakets, auf das sich ein ungewöhnliches Bündnis aus CDU, Grünen, Linke und SPD schon 2020 geeinigt hatte. Hilbert aber verweigerte das laut Gemeindeordnung erforderliche Einvernehmen. Der Rat hätte das Veto mit Zweidrittelmehrheit überstimmen können, was jedoch an AfD, FDP und Freien Wählern scheiterte. Daraufhin wurde die Wahl der Beigeordneten für Ordnung, Umwelt, Soziales und Kultur abgesagt.

Hilbert, der seit 2015 das Rathaus der gut 550 000 Einwohner zählenden Stadt führt, wurde erst im Juli wiedergewählt. Er setzte sich im zweiten Wahlgang mit 45,3 Prozent gegen Eva Jaehnigen durch. Die Umweltbürgermeisterin von den Grünen war in Runde eins stärkste Kandidatin des Mitte-links-Lagers und wurde danach auch von Linkspartei und SPD unterstützt. Das reichte für beachtliche 38,5 Prozent, aber nicht für den Sieg gegen den Amtsinhaber.

Dieser lässt, beflügelt vom Wahlsieg, nun die Muskeln spielen. Die Fraktionen sollen ein Papier als Arbeitsgrundlage unterschreiben, das im Kern sein Wahlprogramm enthält. Zudem sucht er eigene Ambitionen für die Besetzung der Verwaltungsspitze durchzudrücken. Er verfolgt dabei zwei Ziele, von denen eines Rachsucht ist: Jaehnigen soll ausgebootet werden. Dazu soll ihr bisheriges Ressort dem Bereich Wirtschaft zugeschlagen werden, das ein CDU-Bürgermeister führen soll. Den Grünen soll im Gegenzug der Bereich Kultur angeboten werden. Das würde die Linke einen von zwei Beigeordneten-Posten und Amtsinhaberin Annekatrin Klepsch den Job kosten. Zudem will Hilbert FDP-Landeschefin Anita Maaß auf dem Schlüsselposten der Finanzbürgermeisterin installieren. Sie ist bisher Bürgermeisterin im 5600 Einwohner zählenden Lommatzsch.

In der Kommunalpolitik sorgte Hilberts Agieren für entsetzte und wütende Reaktionen. André Schollbach, Fraktionschef der Linken, sprach von »Destruktionspolitik«, die dafür sorge, dass Dresden bald »ohne funktionierende Verwaltungsspitze« dastehe. Die Amtszeit von drei der zu wählenden Beigeordneten endet bereits am 11. September. Die Grünen warfen Hilbert vor, die Stadt »mutwillig in ein einzigartiges Chaos gestürzt« zu haben. SPD-Stadtchef Albrecht Pallas nannte Hilberts Vorgehen »leichtsinnig, rein machtpolitisch, egoistisch und kurzsichtig«.

Verstärkt wurde die Empörung noch durch ein Foto, das in sozialen Netzwerken kursierte und Hilbert unmittelbar nach dem Wahleklat bei einem Sommerfest in trautem Gespräch mit einer AfD-Stadträtin zeigte. Diese wiederum war zuvor auch auf dem Sommerfest der rechten Denkfabrik von Götz Kubitschek in Schnellroda gewesen, der enge Kontakte zu Thüringens AfD-Chef Björn Höcke unterhält. Nicht nur »Herz statt Hetze« fürchtet jetzt einen Kemmerich-Moment. Auch Pallas fragt besorgt, ob »hier einer Übernahme der Verwaltung von rechts der Boden bereitet« werde. Hilbert ging auf derlei Vorwürfe nicht ein und erklärte, durch Verhandlungen »das ›Patt‹ innerhalb des Stadtrats auflösen« zu wollen. Sobald es eine Einigung gebe, solle erneut gewählt werden. Regulär tagt der Stadtrat wieder am 15. September.

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