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- Komödie »Die Känguru-Verschwörung«
Marx-Uwe war einmal
In der deutschen Komödie »Die Känguru-Verschwörung« reisen zwei Typen von A nach B, um eine Mama vom Querdenkertum abzubringen
Im schäbigen Berliner Mietshaus am Görlitzer Park ist alles so, wie wir es vor zweieinhalb Jahren verlassen haben. Marc-Uwe (Dimitrij Schaad) und das Känguru (Marc-Uwe Kling) leben ihre als WG getarnte Bromance aus, Herta (Carmen-Maja Antoni) spricht mit dem Zapfhahn, Friedrich-Wilhelm (Adnan Maral) und Otto von (Tim Seyfi) langweilen sich im Späti, Maria (Rosalie Thomass) lässt Marc-Uwe weiterhin am ausgestreckten Arm verhungern. Dann eskaliert eine alberne Wette um einen Wohnungstausch, und was als schnoddrige Version der »Lindenstraße« begonnen hatte, wird umstandslos zur Holperstory auf der Landstraße: ein deutsches Road-Movie also (na so was).
Es geht um Marias Mutter, Lisbeth Schlabotnik (Petra Kleinert), die im Sumpf der Verschwörungstheoretiker gelandet ist. Als »Diesel-Liesel« organisiert sie in Köpenick Veranstaltungen gegen den Klimaschwindel. Maria hält die Wette, dass Marc-Uwe und das Känguru es nicht schaffen werden, Lisbeth vom Pfad der Erleuchteten abzubringen.
Natürlich scheitert der erste Versuch grandios, sodass Kleinkünstler und Beuteltier sich auf den Weg nach Bielefeld zur Conspiracy Convention machen. Ja: Bielefeld, Verschwörungskongress (hehe). Von dieser Art Humor, der auf popkulturelle Running Gags abzielt, die wir schon vor 15 Jahren bissl überhatten, gibt es in diesem Film reichlich. Natürlich eskaliert die Lage dann vor Ort. Auftritt des Verschwörungsgurus Adam Krieger (Benno Führmann), der eigentlich Roman Klugsch heißt (ba-dum, Tusch).
Tatsächlich hat Kling hier selbst Regie geführt, und man muss anerkennen, dass es ihm, dem Debütanten, ganz gut gelungen ist. Den Soundtrack in die Verantwortung von Käptn Peng & Die Tentakel von Delphi zu legen, erweist sich als kongenial. Auch im Visuellen hält der Film stand. Mit Abstrichen. Die Animation des Beuteltiers irritiert etwas, weniger diese selbst als vielmehr ihre Einbettung in die Umgebung. Das könnte allerdings auch daran liegen, dass der Film oft überleuchtet wirkt und bei CGI eben die Regel gilt: Weniger Licht ist mehr.
In der Kamera wirkt die Regiearbeit ambitioniert. Man spürt das Bemühen, nicht bloß brav die Szene abzufilmen. Den Drang zur besonderen Bildidee. Aber dass man ihn spürt, ist ein Problem. Regie bedeutet Übersetzen von Fabelstruktur in Raumstruktur. Das kann man, oder man lernt es nie.
Allerdings könnte dieser Eindruck auch daher rühren, dass eine Fabel im engeren Sinn des Wortes gar nicht vorliegt. Das Geschehen wird dramaturgisch kaum organisiert. Eigentlich ist es bloß die Mission, die dem Ganzen etwas Bindung verleiht. Szenisch besteht dieser Film aus Episoden, die im günstigsten Fall retardierende, meist aber gar keine Funktion für den Fortgang der Handlung besitzen. Zwei Typen reisen von A nach B, um eine Mama vom Querdenkertum abzubringen. Mehr passiert da nicht.
Auch im Ensemble wurden viele Möglichkeiten nicht ausgespielt. Wie schon in der ersten Adaption des Zyklus, »Die Känguru-Chroniken« (2020), werden die in den Büchern präsenten Umfeldfiguren, insbesondere das Asoziale Netzwerk (Herta, Friedrich-Wilhelm, Otto von, Krapotke), unerfreulich sparsam eingesetzt. Im zweiten Teil jetzt sind sie kaum noch was anderes als sprechende Kulisse. Stiefmütterlich behandelt wird auch Maria, das Drehbuch weiß nichts mit ihr anzufangen. Gerade sie wäre ein Schlüssel gewesen, das Geschehen zu einer echten Handlung auszubauen.
Dass die größte Stärke des Films im Humor liegt, überrascht nicht. Gags und popkulturelle Anspielungen sind auch, was den ersten Film und die vier Bücher zusammenhält. Insofern bleibt Kling Kling, mal besser, mal schlechter, aber immer auf die Zwölf. »Kommt ein Kleinkünstler zum Arzt. Sagt der Arzt: Sie haben noch zwei Monate zu leben. Jammert der Kleinkünstler: Aber wovon denn?« Pointen kann er.
Possierlich die Idee, den Film mit dem Intro von »Alf« (1986–1990) zu eröffnen, den Wechsel aufs TV-übliche 4:3-Bildformat eingeschlossen. Ebenfalls nicht fehlen darf das Durchbrechen der vierten Wand, etwa wenn nach einem aufwendigen Set Piece (einer Verfolgungsjagd) jemand sagt: »Das hat unser halbes Budget verbraucht.«
Etwas anstrengend sind allerdings die popkulturellen Anspielungen. Zumal sie wie so oft bei Kling nicht organisch aus der Handlung kommen. Während »Matrix«-Referenzen vor dem Hintergrund des Querdenker-Themas noch sinnvoll sein mögen, wirkt eine Episode im Teutoburger Wald, die auf die Deklinations-Szene in »Life of Brian« anspielt, vollends willkürlich. Sie könnte durch irgendwas ersetzt werden. Fast schon pflichtgemäß scheint eine Anspielung auf »Stranger Things«. Man darf schließlich keinen Hype auslassen. Aber das Upside Down, das wir im Film sehen, erinnert vielmehr an die Gegenwelt in Jordan Peeles »Us« (2019) und hätte als solche auch in Bezug auf das Thema des Films mehr Sinn ergeben.
Dieses Thema nun wird auch bloß halbherzig gelöst. Was erstaunt, weil der Film recht breitbeinig auftritt. Gewiss ist ein Film etwas anderes als eine Abhandlung, doch was »Die Känguru-Verschwörung« serviert, kann nur als Mischung aus Selbstgerechtigkeit und Naivität beschrieben werden, die weit hinter den Büchern und selbst dem ersten Film noch zurückbleibt.
Recht leidlich wird erfasst, dass im verschwörungstheoretischen Denken eine Verschiebung des Maßstabs stattfindet. Es regiert allein die Prämisse. Während in der Wissenschaft jener Kampf der Theorien mehr oder weniger auf derselben Materialbasis steht und die Differenz bei der Interpretation derselben beginnt, sind im Verschwörungsdenken Interpretation und Methode fast nebensächlich. Man zielt auf die Informationsbasis, stellt das Wissen über die Welt als fraglich hin, lässt weg, was stört, fügt hinzu, was passt. In einem Moment der Fabel, als Lisbeth das erkennt, bricht ihr Gebäude zusammen. So weit, so schön. Weltfremd daran ist, dass sie tatsächlich ein Einsehen hat. Weltfremd in einem fast schon wieder rührenden Ausmaß.
Nur passt zu dieser liebevollen Naivität nicht der arrogante Hohn, den der Film über die Querdenker ausschüttet. Zumal sich darin ein Drang zur Konformität kenntlich macht. Das Känguru war mal subversiv. Die Kapitalismuskritik der Bücher wurde im ersten Film auf eine AfD-Schelte heruntergebrochen, und im zweiten jetzt wiederholt sich das Spiel mit der Querdenker-Bewegung.
Wir werden bloß noch eingeladen zum Lachen über Randgruppen, während bei diesem Thema doch gerade die Normalität des Wahnsinns und der Wahnsinn der Normalität hätten gezeigt werden können. Die Spinnereien sind so abnorm nicht. Sie werden reproduziert von einer Gesellschaft, die neben Reichtum immer auch Armut produziert. Und sie bilden bloß nach, was die Mehrheitsgesellschaft vorturnt, die nicht weniger als die spinnende Minderheit ihre Dyskalkulien und faulen Narrative pflegt.
Auf die Art rückt der Film in unangenehme Nähe jener Mitteilungen, die dem jung gebliebenen Mittelstandsspießer das bisschen Distinktion verschaffen, was er benötigt, um sich nicht ganz so gewöhnlich zu fühlen, wie er längst geworden ist. Marx-Uwe war einmal, und das Känguru bekommt bald eine eigene Sendung bei ZDFneo. Razupaltuff.
»Die Känguru-Verschwörung«: Deutschland 2022. Regie: Marc-Uwe Kling, Drehbuch: Marc-Uwe Kling, Jan Cronauer. Mit: Dimitrij Schaad, Marc-Uwe Kling, Petra Kleinert. 102 Min. Start: 25. August.
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