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Die nächste Flut ist überfällig
An der Frankfurter Oderpromenade wird zum Hochwasserschutz eine Mauer errichtet
Am Ufer endet die Stadt Frankfurt (Oder). Auf der anderen Seite des Flusses ist schon Polen. Oberbürgermeister René Wilke (Linke) bezeichnet das Gewässer als »Lebensraum, Sorgenkind und Bedrohung«. Früher habe ihn sein Vater gewarnt, durch die Oder zu schwimmen. Das sei gefährlich, da gebe es Strudel. In den vergangenen Wochen bereitete vor allem ein massives Fischsterben Sorgen – nach der jüngsten Hypothese der Wissenschaft ausgelöst durch einen unerklärlich hohen Salzgehalt im Zusammenspiel mit niedrigem Wasserstand, hohen Temperaturen und einer giftigen Alge.
Niedrigwasser ist das eine Extrem. Das andere wäre eine gewaltige Flut, wie sie die Anwohner zuletzt im Jahr 1997 erlebten und erlitten. Die Statistik warnt, das nächste gefährliche Hochwasser sei rechnerisch eigentlich schon überfällig. Darum sind seit der Oderflut 1997 inzwischen 90 Prozent der Deiche am brandenburgischen Ufer saniert und damit bereit für ein Hochwasser, wie es rein rechnerisch nur alle 200 Jahre einmal vorkommt. Lediglich noch »ein bisschen was« müsse gemacht werden, im Nationalpark Unteres Odertal und hier an der Oderpromenade der Stadt Frankfurt, erläutert Umweltminister Axel Vogel (Grüne) am Mittwoch.
Die alte Spundwand ist an vielen Stellen durchgerostet. Sie wird nun durch eine Betonmauer ersetzt, die zur Abwehr der Fluten 30 Zentimeter höher hinausragen wird. Damit die Bauarbeiter den Beton einfüllen und aushärten lassen können, wird zunächst eine provisorische neue Spundwand aus Stahl davor gesetzt, die am Ende wieder entfernt wird. Die Stahlsegmente liegen bereit, auf Lastern mit polnischen Kennzeichen, die in der Collegienstraße parken. Vorgesehen ist auch ein versetzt dahinter liegendes hüfthohes Hochwasserschutztor, das bei einer Flut rechtzeitig geschlossen werden muss. Da die Pegelstände den Moment mit zwei bis drei Tagen Vorwarnzeit anzeigen, dürfte dies keine Schwierigkeiten bereiten.
Ausgeführt werden die Bauarbeiten durch die Sächsische Bau GmbH aus Dresden, die bis zu 50 Kollegen auf die Baustelle an der Oderpromenade schickt. 2024 soll alles fertig sein. Schätzungsweise 22,4 Millionen Euro teuer wird es. »Es sollte nicht Null-Acht-Fünfzehn und möglichst billig sein«, sagt Umweltminister Vogel am Mittwoch beim symbolischen ersten Spatenstich. Durch Hochwasser könnten Menschen ihr Hab und Gut oder sogar ihr Leben verlieren, erinnert Infrastrukturminister Guido Beermann (CDU). Hochwasserschutz sei sinnvoll, der Einsatz der Mittel dafür gerechtfertigt.
Dass der Kostenrahmen nicht noch überschritten wird angesichts unkontrolliert steigender Preise für das Material, vermag niemand auszuschließen. Schon die 22,4 Millionen Euro sind ein ordentlicher Batzen. Das weiß Oberbürgermeister Wilke: »Es ist viel Geld. Es ist auch mehr Geld geworden als ursprünglich geplant.« Das sei nicht selbstverständlich, lobt Wilke das Land Brandenburg für das Entgegenkommen. Denn bei der Gelegenheit soll die Uferpromenade gleich noch verschönert werden. Das sei in der Kommunalpolitik mit dem Architekturbüro »heiß diskutiert« worden, sagt Wilke. Er erkennt an, dass die Anregungen aus seiner Stadt im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten aufgenommen worden seien.
Beispielsweise soll eine Treppe zum Wasser hin fast doppelt so groß werden, wie sie derzeit ist. Bäume bleiben stehen, Skulpturen werden höchstens ein Stückchen versetzt. Außerdem entstehen Aussichtspunkte. Dem Architekten Christopher Pätzold und seinem Berliner Büro schwebten ursprünglich drehbare Aussichtspunkte vor. Doch sie haben sich überzeugen lassen, dass eine solche Mechanik vor der Frostperiode kapitulieren müsste. Über allem steht die Idee, zwar eine Mauer zum Schutz vor Hochwasser zu errichten, aber die Stadt nicht einzumauern, sondern den Passanten einen möglichst ungehinderten Blick auf den noch relativ naturbelassenen und damit sehr schönen Fluss zu eröffnen.
Doch schon beginnt sich das Bild zu ändern. Polen plant den Ausbau der Oder für mehr Binnenschiffsverkehr. Am Ufer drüben sind Schotterstreifen zu sehen, die ins Wasser hineinragen. Hier entstehen Buhnen. Der Ausbau beeinträchtigt die Auenlandschaft. Die Einsprüche dagegen haben Polen aber nicht daran gehindert, den Weg dafür dieser Tage frei zu machen. Oberbürgermeister Wilke nennt es inakzeptabel, dass nicht wenigstens eine Pause eingelegt worden sei, um im Lichte des Fischsterbens noch einmal neu nachzudenken. Im Zusammenhang damit – mehr als 200 Tonnen tote Tiere mussten eingesammelt werden – nennt es Wilke »nicht sachgerecht, nicht in Ordnung«, wie das zögerliche Handeln polnischer Politiker und Behörden kritisiert und verallgemeinernd von »den Polen« gesprochen werde. Denn die polnischen Nachbarn drüben in Słubice seien von der Umweltkatastrophe genauso betroffen und daran genauso unschuldig wie die Einwohner von Frankfurt.
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