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Das Flugzeug im See
Der See in Alt Zeschdorf hat einen tollen Badestrand und eine bewegte Vergangenheit – ein Kamikazeflieger stürzte dort in den Tod
An der Bundestraße 167, die im südlichen Oderbruch von Seelow nach Lebus führt, liegt ein langgestreckter dreiteiliger See, unterschieden in den Aalkasten, den Hohenjesarscher See und den Schlossteich. Die Orte Alt Zeschdorf und Hohenjesar schmiegen sich an den See, der in das Zeschdorfer Fließtal und bei Lebus in die Alte Oder mündet. Hohe Bäume und ein Schlosspark ohne Schloss säumen ihn, Greifvögel und Schwalben ziehen darüber, die Sumpfdrossel trillert aus dem Schilf, manchen Sommer flötet ein Pirol ins Idyll.
Der Dorf-Badestrand in Alt Zeschdorf ist mein Lieblingsschwimmort in Brandenburg. Seit mehr als zehn Jahren komme ich bis weit in den Herbst hierher, steige den Hang an der geschnitzten Nixe und Magdas Imbiss vorbei zum See hinunter. Husche um die Schwanenfamilie, die im Frühling auf der noch leeren Badewiese grast, weiche im Sommer Wespen und herumtollenden Kindern aus, liebe im Herbst das tiefe Licht und den Nebel auf dem Steg. Tauche die Zehen in den Uferschlamm und schaue zu den dunklen Baumstämmen am gegenüberliegenden Ufer, die mein Ziel sind. Brust hin, Rücken zurück.
Der Wirt unserer Pension in Lebus erzählte bei unserem ersten Besuch grinsend, man könne in Alt Zeschdorf baden gehen, aber dort liege ein Flugzeug im See, abgeschossen in den letzten Kriegstagen. Ich gehe ohnehin in jedwedes Wasser nur mit Schwimmbrille. Muss sehen, was unter und vor mir ist. In diesem See kam zur unergründlichen Furcht vor der Tiefe ein Flugzeug dazu. Hinter dem Absperrband des Badebereichs verliert sich der sandige Boden sofort. Ich schwamm das erste Mal langsam los, starrte in die milchig grüne Weite, beobachtete Schwebepartikel unter Sonnenstrahlenkegeln, bis die Luft knapp wurde.
Noch konnte ich meine Zehen bei ausgestreckten Beinen klar sehen. Darunter nichts mehr. Oder? Ragte dort nicht ein schartiges Metallstück empor? Reflektierte da nicht die geborstene Scheibe der Pilotenkapsel das Licht? Im Moment des Auftauchens verschluckte ich mich, prustete. Beneidete ein vorbeiziehendes Haubentaucher-Pärchen um seine Sorglosigkeit.
Es dauerte Jahre, bis ich die zweihundertfünfzig Meter entspannt hin und wieder zurückschwimmen konnte. Hilfreich war ein Artikel in der Märkischen Oderzeitung: Jugendliche eines Schulverweigerer-Projektes aus Eberswalde hatten sich 2013 im Luftfahrtmuseum Finowfurt der Geschichte des dort ausgestellten Flugzeugwracks einer Focke Wulf 190 angenommen – besonders des Piloten. Der zweiundzwanzig Jahre alte Hans Grapenthin war am 15. Februar 1945 auf einem Selbstopfereinsatz in den Tod geflogen.
»Nach durchschnittlich vier bis viereinhalb Kampfeinsätzen waren die Kamikazeflieger tot«, heißt es in dem Artikel. Das über Alt-Zeschdorf abgeschossene Flugzeug lag bis 1996 im Schlossteich – Hans Grapenthin am Steuer, aufgrund des Luftabschlusses nahezu konserviert. Hobbyhistorikern sei es mit vielen Helfern gelungen, das Flugzeug zu bergen.
In der Lederjacke des an seinem Todestag aus dem Lazarett in Pasewalk entlassenen Piloten fand sich eine Geldbörse mit Banknoten und Hartgeld, eine Uhr, eine Fahrkarte nach Berlin und zwei Zigarettenetuis – eines versehen mit den Initialen „EK». Wie die Jugendlichen herausfanden, hatte der junge Pilot nicht nur eine Verlobte in Münster, jene Evelyn Kramer, sondern auch einer Krankenschwester in Pasewalk einen Heiratsantrag gemacht.
Manchmal trinke ich noch mit nassen Haaren ein Bier bei Magda und beobachte, wie sich der See über den Haubentauchern glättet.
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