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Stars, wo man auch hinblickt
Selten zuvor bestach eine Basketball-EM mit so vielen Stars. Wer in Berlin den Titel holen wird, ist noch völlig ungewiss
Wenn schon zu Beginn der Basketball-Europameisterschaft in Köln die Mitfavoriten Litauen und Slowenien sowie Deutschland und Frankreich aufeinandertreffen, sagt das drei Dinge über dieses Turnier: Das deutsche Team hat die schwerste Vorrundengruppe erwischt. Das Turnier ist reich an Superstars. Und einen großen Favoriten gibt es nicht.
Vier Länder – Tschechien, Italien, Georgien und Deutschland – sind Gastgeber für je sechs Teams, die jeweils besten vier reisen dann aus Prag, Mailand, Tbilissi und Köln nach Berlin, wo die Arena am Ostbahnhof die komplette Endrunde ab dem Achtelfinale beheimaten wird. Und spätestens dann werden täglich Schwergewichte gegeneinander spielen.
Ob Frankreichs Rudy Gobert, Finnlands Lauri Markkanen, Kroatiens Bojan Bogdanović, Deutschlands Dennis Schröder, Lettlands Kristaps Porziņģis oder Litauens Domantas Sabonis – so gut wie alle NBA-Stars aus Europa haben für das damit wichtigste internationale Turnier des Jahres zugesagt und ließen die Vorfreude der Fans zuletzt täglich steigen. Über allen aber stehen die großen Drei: Serbiens Nikola Jokić, der Slowene Luka Dončić und Griechenlands Superstar Giannis Antetokounmpo. Allen drei wird zugetraut, dass sie ihr Nationalteam zum Titel werfen können.
Dončić war dies bereits als 18-Jährigem bei der letzten EM 2017 gelungen. Danach ging er in die NBA und führte die Dallas Mavericks zuletzt fast im Alleingang ins Halbfinale. Ist er gut drauf, gilt er offensiv als ebenso unaufhaltsam wie der Grieche Antetokounmpo. Der 27-Jährige hat mit den Milwaukee Bucks sogar schon einen NBA-Titel auf der Habenseite. Bliebe noch Jokić, der als Center der Denver Nuggets zuletzt zweimal in Serie zum wertvollsten Spieler der NBA gewählt wurde. Danach verlängerte er seinen Vertrag um fünf Jahre – für 264 Millionen Dollar, was ihn zum am besten verdienenden Basketballer der NBA-Geschichte machte.
Die Zeiten, in denen die Stars im Sommer lieber Urlaub machen oder ihnen ihre Arbeitgeber aus den USA Steine in den Weg legen, sind offenbar vorbei. Auch die NBA hat endlich erkannt, dass sie davon profitiert, wenn derlei Turniere neuen Enthusiasmus bei den Fans entfachen. Mitten in ihrer Saison stellt die Liga ihre Spieler weiterhin nicht ab, weshalb die Qualifikationsspiele meist zu zweit- und drittklasigen Duellen verkommen. Doch in der Sommerpause ist das kein großes Thema mehr.
Wer sich am 18. September in Berlin die Krone aufsetzen wird, ist selbst unter Experten noch höchst umstritten. Den besten Eindruck machten zuletzt die Serben, die den großen Vorteil haben, neben Jokić noch andere in der Euroleague erprobte Spitzenspieler wie Vasilije Micić im Team zu vereinen. Im Gegensatz zu den Griechen spielt Serbien zudem kompakt in der Defensive, was die Mannschaft weniger abhängig vom Wurfglück im Angriff macht.
Lediglich die Slowenen vermochten es vor zwei Wochen, Serbien in einem Testspiel zu bezwingen. Danach verloren Dončić und Co. aber überraschend klar mit 71:90 gegen Deutschland. Dass die Deutschen dadurch nicht automatisch selbst zum Favoriten aufstiegen, liegt darin begründet, dass das Team des Deutschen Basketball-Bunds (DBB) eine Woche zuvor von Serbien mit 56:83 an die Wand gespielt worden waren.
Eins wurde dennoch deutlich. Durch die Masse an Stars sind wohl bis zu zehn Teams in der Lage, den Titel zu holen. Dass davon mit Frankreich, Slowenien, Litauen und Deutschland gleich vier in Gruppe B früh aufeinandertreffen, erfreut zwar die Fans, die laut DBB allein für die Spiele in Köln und Berlin – trotz stolzer Tagespreise von 70 Euro und darüber hinaus –, bereits mehr als 250 000 Karten gekauft haben. Allerdings könnte bei einem unglücklichen Verlauf ein Favorit schon in der Vorrunde scheitern.
Platz vier reicht zum Achtelfinaleinzug, doch Bundestrainer Gordon Herbert warnt vor den Außenseitern Ungarn und Bosnien-Herzegowina, die teilweise ebenfalls mit NBA-Spielern anreisen werden. Der Fokus ist dennoch erst einmal auf die Franzosen gerichtet, die sich an diesem Donnerstag als erster großer Brocken auf dem Weg nach Berlin erweisen werden. Die Olympiazweiten bestechen üblicherweise mit der besten Abwehr und der größten Athletik aller Europäer. Umso wichtiger war die Nachricht vom Mittwoch, dass Deutschlands bester Center, Daniel Theis, rechtzeitig fit ist und den zwölfköpfigen EM-Kader vervollständigt. »Ich bin sehr froh, dass es noch geklappt hat mit der Teilnahme«, sagte Theis, der wegen Kniebeschwerden die komplette Vorbereitung verpasst hatte. »Ich habe keine Beschwerden mehr und kann den Auftakt gegen Frankreich kaum erwarten.«
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