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Strukturwandel? Läuft irgendwie
Lausitzkonferenz des DGB: In der Region mehren sich Zweifel am vorgezogenen Kohleausstieg
Kraftwerkstechniker in einem Kohlekraftwerk galt in der Lausitz zuletzt als Beruf mit begrenzter Restlaufzeit. Die Bundesrepublik will aus der Braunkohle aussteigen; das Berliner Ampelbündnis zog den Termin von dem in der sogenannten Kohlekommission vereinbarten Datum 2038 auf 2030 vor. Kraftwerker, die zuletzt in Rente gehen durften, waren froh, dass ihr Arbeitsleben eher endete als die Laufzeit ihrer Betriebe. Jetzt aber kommt es anders als gedacht: Der Lausitzer Energiekonzern Leag, so berichtet es Philipp Zirzow von der Bergbaugewerkschaft IG BCE bei der Lausitzkonferenz des DGB in Cottbus, hole sogar Beschäftigte aus dem Ruhestand zurück.
Grund dafür ist, dass sich die energiepolitische Situation dramatisch geändert hat. Der Krieg in der Ukraine hat zu einer Energiekrise geführt; Strom aus Kohlekraftwerken gilt wieder als gefragt. Die Hoffnung, sich von dem klimaschädlichen Energieträger so schnell wie möglich verabschieden zu können und einstweilen auf Erdgas als »Brückentechnologie« zu setzen, bis die Wende zu erneuerbaren Energien vollzogen ist, hat einen Dämpfer erhalten. »Das Kartenhaus ist in sich zusammengefallen«, sagt Zirzow und kann sich die Bemerkung nicht verkneifen: »Wir haben es schon immer gesagt.«
Über der Konferenz, die Gewerkschafter aus Sachsen und Brandenburg schon zum 18. Mal gemeinsam veranstalteten, schwebte also die Frage: Was wird mit dem Kohleausstieg, und ist er zum vorgesehenen Termin überhaupt zu vollziehen? Michael Kellner, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, wischte Zweifel indes schnell vom Tisch. Zwar nannte er es »ausdrücklich richtig«, dass Kohlekraftwerke aus dem Reservebetrieb geholt werden. Das sei für eine sichere Energieversorgung in diesem und dem folgenden Winter nötig. Der Grüne räumte ein, man gehe gerade »viele Wege, die ich mir bis vor kurzem nicht hätte ausmalen können«. Er fügte aber an, am Ziel eines vorgezogenen Ausstiegs »halten wir fest«. Die »Wucht der Klimakrise« werde immer deutlicher spürbar: »Das Ziel 2030 bleibt daher richtig.«
Allerdings gibt es auch unter wohlwollenden Politikern Zweifel. »Keiner stellt den Ausstieg ernsthaft in Frage«, sagte Martin Dulig, SPD-Wirtschaftsminister in Sachsen. Er räumte aber ein, dass er sich angesichts der aktuellen Probleme von der Diskussion um die Jahreszahl löse. Ob dieses Ziel realistisch sei, wollte die Berliner Koalition eigentlich in regelmäßigen Abständen überprüfen. Eine erste solche Evaluation hätte jetzt angestanden. Sie ist nach Angaben Kellners auf das erste Quartal 2023 verschoben. Skeptiker unterstellen der Koalition, die Überprüfung auf die lange Bank zu schieben, weil sie womöglich zum Schluss kommen könnte, dass 2030 nicht zu halten sei.
Unabhängig vom konkreten Datum steht fest, dass sich die Kohleregionen auf den Ausstieg vorbereiten müssen. Für den nötigen Strukturwandel stellt der Bund insgesamt 40 Milliarden Euro bereit. Kellner sieht den Umbruch auf einem guten Weg. Er verwies darauf, dass von 100 geplanten Maßnahmen des Bundes, darunter Infrastruktur, die Ansiedlung von Forschungseinrichtungen und Bundesbehörden, 75 »am Laufen« seien: »Wir gestalten diese Transformation. Es geht voran.«
In der Region sieht man das anders. Umfragen ergaben zuletzt, dass die Skepsis gegenüber dem Strukturwandel wächst. Auch bei einer Saalumfrage unter den etwa 300 Teilnehmern der Konferenz stimmten die meisten der These zu: »Läuft irgendwie.« Ines Kuche, Vizechefin der Gewerkschaft Verdi in Sachsen, vermisst jenseits der Projekte einen Plan. Es müsse »klar sein, wohin man will«, sagte sie mit Blick auf den Fachkräftemangel: »Nur dann kommen Leute und wollen Teil davon sein.«
Bei aller Skepsis über die Umsetzung des Strukturwandels werde dessen Notwendigkeit mittlerweile akzeptiert, sagte Jörg Steinbach (SPD), Wirtschaftsminister in Brandenburg. Inzwischen sähen viele, dass es auch eine Zukunft jenseits der Kohle gebe. In Regionen und Branchen, die von Gas und Öl abhängen, ist das anders. Steinbach war gerade in Schwedt, wo um die Zukunft der Raffinerie gerungen wird und der außenpolitische Kurs der Bundesregierung auf starken Widerstand stößt.
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