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Malte starb, die Geschlechterordnung lebt
Die transfeindliche Hasswelle hat ein Todesopfer gefordert
Am vergangenen Samstag am Rande des Christopher Street Day in Münster: Ein bislang Unbekannter schlug einen 25-jährigen Teilnehmer nieder und verletzte ihn schwer. Malte C. lag im Koma, er schwebte in akuter Lebensgefahr. Eine knappe Woche lang kämpften die Ärzt*innen um sein Leben. Mit ihm schwebten wir, als queere Community, durch eine Zeit der Sorge und Betroffenheit. Nun haben wir Gewissheit: Malte erlag am Freitagmorgen schweren Hirnblutungen.
Der unbekannte Täter hatte nach allem, was wir bisher wissen, zwei Teilnehmerinnen der Demonstration zum Christopher Street Day lesbenfeindlich bepöbelt. Malte soll die Angegriffenen unterstützt haben, ehe es zur Attacke auf ihn kam. Am Tag nach der Tat hatte der Verein Trans*-Inter*-Münster mitgeteilt, dass es sich bei dem Schwerverletzten um einen jungen transgeschlechtlichen Mann aus der Selbsthilfegruppe TransIdent handelt, die von dem Verein betrieben wird.
Über das Motiv des Täters ist nichts bekannt. Ob der Attacke eine Tötungsabsicht zugrunde lag, muss ein Gericht klären. Doch klar ist: Malte ist tot, weil er queer war, transgeschlechtlich, und weil in diesem Land noch immer eine bisweilen mörderische Stimmung gegen queere Menschen herrscht. Seit Monaten erleben wir wie in anderen Ländern eine neuerliche Hasswelle gegen Queers, insbesondere gegen die Anerkennung grundlegender Rechte transgeschlechtlicher Menschen. Queerfeind*innen aus unterschiedlichsten Spektren mobilisieren tiefliegende Ängste, geschlechtliche und sexuelle Unsicherheiten und Hassgefühle von Menschen, um die auf der Tagesordnung stehende Reform der rechtlichen Lage geschlechtlicher Minderheiten zu verhindern.
Fast täglich äußern sich irgendwelche C-Promis, Politiker*innen und Kulturschaffende in ätzendster Weise gegen die Nutzung geschlechtergerechter Sprache, die nichts weiter will als die anhaltende Unsichtbarkeit weiblicher und nichtbinärer Personen zu beenden. Nicht nur die politische Rechte bringt sich seit geraumer Zeit über jede öffentliche Nutzung von Gendersternchen, egal ob ausgeschrieben oder im gesprochenen Wort, in Rage. Doch obwohl es beim Sternchen nicht einmal um die Mehrheit transgeschlechtlicher Personen geht, wurde das Symbol zu ihrem Stellvertreter erkoren, mit dem sich Hass als Sorge um Sprache tarnen kann.
So ist der Anti-Genderismus zum zentralen rechten Mobilisierungsthema geworden, mit dem sich wirtschaftsliberale, konservative, christliche, nationalistische und rechtsradikale sowie, in geringem Umfang, linke und linksliberale und frauenpolitische Kreise agitieren lassen. Angefeuert wird dieser Hass insbesondere, seit Grüne und FDP im vergangenen Jahr im alten Bundestag Gesetze für die Abschaffung des bisherigen Transsexuellengesetzes und zur Einführung eines Selbstbestimmungsgesetzes eingebracht haben. Wir erinnern uns: Die SPD hätte mit Grünen, FDP und Linken stimmen und das Thema einfach abräumen können. Sie tat es nicht.
Eine unrühmliche Rolle als Verstärker der Stimmung spielt bei all dem die Plattform Twitter, auf der sich querfrontlerische frauenpolitische Akteur*innen und rechtsradikale Trolle die Klinke in die Hand geben, Kampagne um Kampagne organisieren, Einzelpersonen ins Ziel nehmen und, mit willfähriger Unterstützung des deutschen Feuilletons, aus einem Sturm im Wasserglas einen gesellschaftspolitischen Orkan machten. Dieser Orkan hat nun, neben dem anhaltenden Suizidgeschehen transgeschlechtlicher Menschen im Unsichtbaren, ein erstes Todesopfer auf einer Demonstration für die Rechte queerer Menschen gefordert.
Der transfeindliche Hass zielt immer auf das Ende der Existenz der Objekte seiner Gefühlsregungen. Es ist die geliebte Ordnung, die weiterleben soll. Wir müssen und werden uns dagegen stemmen. Rest in Power, Malte.
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