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Justizsenatorin Lena Kreck lässt Professorenbezeichnung ruhen

Streit um Rechtmäßigkeit des Titels: Linke-Politikerin will Debatte in eigener Sache beenden

  • Rainer Rutz
  • Lesedauer: 4 Min.

Berlins Justizsenatorin Lena Kreck verzichtet ab sofort und »bis auf Weiteres« darauf, die Bezeichnung »Professorin« zu tragen. »In den aktuellen Krisenzeiten gibt es für eine Senatorin Wichtigeres als Debatten in eigener Sache über verschiedene Rechtsauffassungen zu Berufsbezeichnungen zu führen«, teilte die Linke-Politikerin am Freitagmorgen mit. Bei der seit Wochen vor sich hin köchelnden »Debatte in eigener Sache« geht es um die Frage, ob Kreck, die seit Oktober 2019 als Professorin für Soziale Arbeit an der Evangelischen Hochschule Berlin (EHB) tätig ist, den entsprechenden Titel als Senatorin weitertragen darf oder nicht.

Losgetreten hatte die Diskussion Anfang Juli das Nachrichtenmagazin »Focus«, andere Medien sprangen auf den Zug auf. Die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus raunte rasch von einer »im Raum stehenden Straftat« nach Paragraf 132a des Strafgesetzbuches, also »Missbrauch von Titeln, Berufsbezeichnungen und Abzeichen«. Der Vorwurf: Bevor Kreck im Dezember 2021 ihr Amt als Senatorin antrat, hatte sie nur etwas mehr als zwei Jahre als Professorin an der EHB gelehrt. Dem Berliner Hochschulgesetz zufolge müsste sie mindestens fünf Jahre als Professorin im Lehrbetrieb tätig gewesen sein, um die Berufsbezeichnung nach dem Ausscheiden weitertragen zu dürfen.

Doch das ist der Punkt: Kreck wie auch die Hochschule hatten stets betont, dass von einem kompletten Ausscheiden aus der Lehrtätigkeit keine Rede sein könne. Vielmehr sei es so, dass Krecks Arbeit an der EHB nicht vollständig ruhe, da sie neben ihrer Arbeit als Senatorin vorerst weiterhin Abschlussarbeiten der Hochschule betreue und zudem Blockseminare plane. Mithin sei sie auch weiterhin dort tätig und trage die Bezeichnung »Professorin« daher zu Recht. Dabei bleibt sie auch am Freitag. »Ich bin der Auffassung, dass ich mich nach meiner Ernennung zur Senatorin berechtigterweise Professorin genannt habe«, erklärte die Senatorin schriftlich.

Die Justizverwaltung beruft sich hierbei auch auf das Berliner Senatorengesetz. Demnach kann der Senat seinen Mitgliedern die Ausübung einer Lehrtätigkeit an einer Hochschule gestatten. Im Fall von Kreck ist das im Februar per Senatsbeschluss ausdrücklich geschehen. Allein, die Verwaltung von Wissenschaftssenatorin Ulrike Gote (Grüne) interessiert sich nach »nd«-Informationen vor allem für die Anwendung des Hochschulgesetzes, wobei die Lehrtätigkeit Krecks angezweifelt wird.

Offiziell bestätigt wird das freilich nicht. Auf »nd«-Nachfrage heißt es von der Pressestelle der Wissenschaftsverwaltung am Freitag lediglich: »Es handelt sich um eine laufende Prüfung, in der die Betroffene heute von uns zur Stellungnahme aufgefordert wurde. Weitere Auskünfte können wir erst nach Abschluss der Prüfung erteilen. Die Senatsverwaltung Wissenschaft verfährt auch in diesem Fall nach einem Standardverfahren, wenn es dazu einen Anlass gibt.«

Eine Senatorin, die eine andere Senatorin zu einer Stellungnahme in eigener Sache auffordert: Die Angelegenheit ist nicht ohne Brisanz. Wie aus Kreisen der Berliner Linke-Spitze zu hören ist, ist man hier dann auch seit Längerem mindestens irritiert über das Auftreten der Gesundheits- und Wissenschaftsverwaltung gegenüber der Justizsenatorin. Deutlicher formuliert: Man ist, gelinde gesagt, sauer.

Kreck habe nicht einmal im Ansatz betrogen oder – wie seinerzeit die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) – bei ihrer Doktorarbeit plagiiert, heißt es. Dass sich das Haus der Grünen-Senatorin Gote bei der Frage nach der Tragbarkeit beziehungsweise Untragbarkeit der Berufsbezeichnung »Professorin« demnach seit Wochen auf die Linke-Senatorin Kreck eingeschossen habe, wird als offener Angriff innerhalb der Koalition verstanden.

Es gehe dabei nicht um die Sache, sondern um den Stil, sagt ein führendes Mitglied aus dem Parteivorstand. Die Vermutung liege zudem nahe, dass Gote mit der Aktion nur von eigenen Versäumnissen ablenken wolle, etwa im Zusammenhang mit dem verkorksten Start der Impfungen gegen das Affenpockenvirus, der nicht zuletzt in der schwulen Community Berlins für enormen Unmut gesorgt hat. Zitieren lassen will sich bei der Linken trotzdem niemand, wohl auch, um den Zwist im rot-grün-roten Senat nicht weiter eskalieren zu lassen.

Justiz- und zugleich Vielfalts- und Antidiskriminierungsenatorin Lena Kreck will ihre Erklärung, auf die Berufsbezeichnung nun zu verzichten, offenkundig als Schlussstrich unter der Debatte verstanden wissen. »Die Berlinerinnen und Berliner erwarten völlig zurecht, dass sich eine Senatorin auf die Bewältigung der anstehenden großen politischen Aufgaben konzentriert. In den Bereichen Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung haben wir noch sehr viel vor, darauf werde ich meine ganze Energie richten«, erklärte sie.

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