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Der beeindruckende Anfang von Remco Evenepoel
Der Belgier gewinnt die Spanien-Rundfahrt – und will Radsportgeschichte schreiben
Ein 22-Jähriger hat es geschafft: Belgien, die Geburtsstätte von Klassikerjägern, hat wieder einen Rundfahrer. Remco Evenepoel, genannt der »Kannibale aus Schepdaal«, schließt eine mehr als 40 Jahre große Lücke, in der dem belgischen Radsport zum Ausgang der Ära Eddy Merckx‹ kein einziger Grand Tour-Sieg mehr geglückt war. Am Sonntag fuhr er souverän die Vuelta a España nach Hause, sicherte sich den Gesamterfolg vor den beiden Spaniern Enric Mas und Juan Ayuso.
»Es ist historisch, Geschichte für das Team, für mein Land und für mich«, ordnete der Sieger sein Tun gleich mal in der Radsportgeschichte ein. Mit allem hat er recht. Es ist das erste Mal, dass der auf Klassikererfolge und Siege im Massensprint spezialisierte Rennstall Quick Step eine Rundfahrt gewinnen konnte. Zweimal gab es bisher Platz zwei, 2014 bei der Tour de France mit Rigoberto Uran, 2018 mit Enric Mas, der damals noch für Quick Step fuhr, bei der Vuelta.
Für sein Heimatland stellt der Rundfahrtsieg keine Premiere dar. Allein Eddy Merckx, der »Kannibale« ohne Ortsnamen, gewann elfmal eine der drei großen Rundfahrten. 1978 war es allerdings das letzte Mal, dass ein Belgier eine Grand Tour gewann. Da siegte Johan De Muynck beim Giro. »Das haben viele ja gar nicht erleben können, so weit liegt es zurück. Ich immerhin war damals schon dabei, weil ich mit De Muynck selbst gefahren bin«, tönte Patrick Lefevere, 67 Jahre alt und Rennstallchef von Quick Step und wittert jetzt Morgenluft. Als »Anfang von etwas Beeindruckendem« bezeichnete er den Sieg seines Schützlings. Der flötete zurück: »Ich bin glücklich, die erste Grand Tour für Patrick gewonnen zu haben.« Und als Kampfansage ließ er verlauten: »Mein Traum ist es, alle drei großen Rundfahrten zu gewinnen.«
Scheue Zurückhaltung ist kein Charakterzug von Remco Evenepoel. Aber tatsächlich spricht einiges für eine große Zukunft. Er präsentierte sich bei dieser Vuelta als Meister in vielen Disziplinen. Überragend war er im Zeitfahren, sehr engagiert in den frühen Bergen im Baskenland und Asturien. Danach zeigte er sich als cleverer Ressourcenmanager. Durch einen Sturz auf der 12. Etappe etwas geschwächt, musste er auf der 14. und 15. Etappe die Konkurrenz ziehen lassen. Allerdings hielt er den Rückstand in Grenzen.
Drei Tage vor Schluss setzte er wieder ein Achtungszeichen. Da jagte er erst gemeinsam mit seinem ärgsten Verfolger Enric Mas dem Ausreißer Robert Gesink hinterher. »Wir haben da gut kooperiert. Dann gab es ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen uns. Mal attackierte er, mal ich«, sagte er. Letztlich rang er im Duell Mann gegen Mann den Gesamtzweiten nieder. »Es ist schön, dass ich jetzt auch meine erste Bergetappe bei einer Grand Tour gewonnen habe«, konstatierte Evenepoel glücklich. Und im Bewusstsein des gerade Erreichten sagte er: »Ich denke, ich habe gezeigt, dass ich ein guter Bergfahrer und auch ein guter Rundfahrer bin.«
Da kann man ihm nur zustimmen. Auch psychologisch war der Sieg wichtig, zeigte er doch, dass er einen Vorsprung nicht nur verwalten will, sondern gern den Kampf sucht. Auch wegen dieser munteren Fahrweise waren abwesende Rundfahrtstars von diesem Newcomer angetan. »Remco ist stark auf allen Terrains. Ich freue mich schon darauf, gegen ihn bei der Tour de France zu fahren«, sagte Tadej Pogacar aus der WM-Vorbereitung heraus zu belgischen Medien.
Die Anerkennung von Pogacar ist der letzte Ritterschlag für Evenepoel. Das nächste Aufeinandertreffen der beiden gibt es schon bald. Beide sind zur WM in Australien nominiert, Pogacar als unangefochtener Leader Sloweniens. Evenepoel kann mit dem Grand Tour-Sieg nun auch im stark besetzten belgischen Team eine Schlüsselrolle beanspruchen. Er ist nicht mehr das Talent, das sich erst beweisen und unterordnen muss.
Dass er damit Probleme hat, zeigten die WM und Olympia. Wie wichtig selbstlose Teamunterstützung aber ist, hat er bei dieser Vuelta gelernt. Bei seiner famosen ersten Woche in Nordpsanien profitierte er vom selbstlosen Einsatz seines Teamkollegen Julian Alaphilippe. Der Weltmeister aus Frankreich zermürbte mit furioser Tempoarbeit die Konkurrenz, Evenepoel musste dann nur noch die nächste Antriebsstufe zünden.
Die WM bringt nun eine neue Reifeprüfung für den neuen Rundfahrt-Star. In seiner Heimat hat er trotz des historischen Triumphes noch immer nicht alle überzeugt. Ausgerechnet der letzte Belgier, der vor ihm eine Grand Tour gewann, kritisierte Evenepoel wegen mancher Star-Allüren. Johan De Muynck nannte ihn einen »Fußballer auf dem Rad«, also einen, der wenig aushalte und nur gelernt habe, sich bei Problemen beim Schiedsrichter zu beschweren.
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