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»Sofort liefern« vs. »keine Alleingänge«

Regierungskoalitionäre sind sich uneins über deutsche Panzerlieferungen an die Ukraine

Seit etwas mehr als 200 Tagen wehrt sich die Ukraine nun schon erfolgreich gegen den russischen Angriffskrieg – und mehr als das: Mit ihren Offensiven im Osten und Süden des Landes zwingen die ukrainischen Streitkräfte die russischen Truppen zum Rückzug. Armeeführung und Präsident Wolodymyr Selenskyj können Geländegewinne und die Einnahme von immer mehr Siedlungen verkünden. So erklärte der ukrainische Generalstab am Montag, dass im Osten des Landes innerhalb der vorangegangenen 24 Stunden mehr als 20 Ortschaften zurückerobert worden seien. »Die Befreiung von Ortschaften unter russischer Besatzung in den Gebieten Charkiw und Donezk setzt sich fort«, sagte der Generalstab. Bereits am Sonntag hatte Selenskyj in seiner allabendlichen Videobotschaft unter anderem die Eroberung der strategisch wichtigen Stadt Isjum im Osten des Landes verkündet.

Angesichts der militärischen Erfolge der Verteidiger und des Rückzugs der eigenen Truppen hatte Moskau am Wochenende lediglich von einer strategischen »Umgruppierung« der Einheiten gesprochen. Die russische Regierung bekräftigte am Montag ihre Absichten. »Die militärische Spezialoperation dauert an und wird andauern, bis die ursprünglich gesetzten Ziele erreicht worden sind«, erklärte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow vor Journalisten. Zudem verkündete das Verteidigungsministerium, dass die von der Ukraine zurückeroberten Gebiete in der Region Charkiw angegriffen würden. In Kupjansk, Isjum und Umgebung seien »Kämpfer und Ausrüstung der ukrainischen Streitkräfte gezielt« aus der Luft, mit Raketen und Artillerie attackiert worden.

Um die Erfolge absichern, weiter Druck auf die russischen Besatzer ausüben und weitere Ortschaften und Gebiete zurückerobern zu können – ukrainisches Ziel ist laut Selenskyj die Befreiung der gesamten Ukraine inklusive der seit 2014 von Russland annektierten Krim – fordert Kiew weitere westliche Militärhilfe ein. In »Bild« etwa bat Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko die Bundesregierung um weitere Unterstützung: »Liefert, was ihr könnt, um die russischen Soldaten aus unserem Land schnell zu vertreiben.« Aus Deutschland seien nun etwa Leopard-2-Panzer entscheidend, um die ukrainische Gegenoffensive zügig voranzubringen.

Derlei Forderungen nach mehr deutschen Waffen und speziell nach Panzern treffen in Berlin unter den Regierungskoalitionären auf ein geteiltes Echo: Während die FDP offensiv für die direkte Lieferung auch von Panzern wirbt und die Grünen neben den Ringtauschlieferungen auf weitere direkte Waffenlieferungen aus Bundeswehr- und Industriebeständen dringen, zeigt sich die SPD gerade beim Thema Panzer weiter zurückhaltend.

So forderte am Montag aus Reihen der Liberalen Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Deutschland solle die ukrainische Gegenoffensive mit Marder-Schützenpanzern und Leopard-II-Kampfpanzer unterstützen. »Das ist unglaublich wichtig und sollte sofort passieren«, so Strack-Zimmermann im »Morgenmagazin« der ARD. FDP-Verteidigungsexperte Marcus Faber sprach sich für eine direkte Lieferung von Marder-Schützenpanzern aus. »Mit unseren Panzern würde die Befreiung schneller vorankommen, und weniger Ukrainer müssten sterben«, erklärte er in »Bild«.

Bei den Grünen machte sich am Montag die Parteispitze für mehr schwere Waffen für die Ukraine stark. Gemeinsam mit den Verbündeten müsse geschaut werden, wo mehr gehe und »wo wir mehr liefern können«, erklärte Ko-Parteichefin Ricarda Lang. Es müsse geprüft werden, wie dem Bedarf der Ukraine nachgekommen werden könne, wobei auch die Bestände der Industrie und der Bundeswehr unter die Lupe genommen werden müssten, so Lang. Ähnlich wie sie hatte sich zuvor auch Ko-Parteichef Omid Nouripour geäußert und in der »Augsburger Allgemeinen« erklärt: »Da sollte nicht nur im Ringtausch, sondern womöglich auch direkt aus den Beständen von Bundeswehr und Industrie geliefert werden.«

Wesentlich zurückhaltender als ihre beiden Regierungspartner kommt in der Diskussion die SPD daher. Ko-Chefin Saskia Esken schloss am Montag die Lieferung von Kampfpanzern zwar nicht aus, sehr wohl aber ein einseitiges deutsches Handeln. »Alleingänge sind ausgeschlossen und das soll auch so bleiben«, so Esken. Auch Ko-Vorsitzender Lars Klingbeil betonte bereits am Sonntagabend die Notwendigkeit zur Verständigung mit den Verbündeten. »Kein Land liefert gerade westliche Kampfpanzer«, erklärte er im ARD-Sommerinterview und betonte: »Das ist die Entscheidung. Es muss jetzt unter den Staats- und Regierungschefs besprochen werden angesichts der Forderungen aus der Ukraine, angesichts auch der Erfolge, die die Ukraine gerade hat, was die nächsten Schritte sein können, um dieses Land zu unterstützen.« Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zog sich in Sachen Panzer auf diese Position zurück. Es bleibe »bei der Haltung, die die deutsche Regierung von Anfang an eingenommen hat und die auch für die Zukunft unserer Haltung sein wird, nämlich dass es keine deutschen Alleingänge gibt«, so Scholz. Mit Agenturen

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