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Wenn nicht jetzt, wann dann?

Wie der Fußball der Frauen mit dem Start der Bundesliga wachsen will

  • Frank Hellmann, Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 5 Min.
Statt im kleinen Stadion des FC Bayern spielen die Münchnerinnen (l.) und die Eintracht am Freitag in der großen Frankfurter Arena.
Statt im kleinen Stadion des FC Bayern spielen die Münchnerinnen (l.) und die Eintracht am Freitag in der großen Frankfurter Arena.

Auf dem großen Parkplatz vor der Frankfurter Arena strömen derzeit täglich Menschen in Dirndl, Lederhose und Janker umher, um sich beim Frankfurter Oktoberfest zu vergnügen. Feiervolk und Fußballfans begegnen sich unweigerlich auf den Zuwegen, wenn das Eröffnungsspiel der Frauenbundesliga zwischen Eintracht Frankfurt und Bayern München an diesem Freitag ansteht. Die hessischen Gastgeber verbreiten fast ein Hochgefühl wie aus einem stimmungsvollen Bierzelt mit bayrischer Blasmusik.

»Jede von uns freut sich, bei Flutlicht in diesem Stadion spielen zu dürfen. Das wird ein Megaerlebnis«, sagt die Frankfurter Kapitänin Tanja Pawollek. Die 23-Jährige hat gute Argumente, wenn sie die Werbetrommel für den Fußball der Frauen rührt. »Wir haben den ehrlichen Fußball. Kein Schnickschnack. Wir spielen Fußball aus Liebe zum Sport, es ist noch nicht so viel Geld im Spiel.« Auch Schauspielerei brauchten die Frauen im Gegensatz zu den Männer nicht, erklärt Pawollek: »Man liegt am Boden und steht wieder auf.«

Mit dem Startschuss soll der bei der Europameisterschaft in England von den deutschen Fußballerinnen entfachte Hype in den Ligaalltag transportiert werden. Niemand erwartet 18 Millionen Zuschauer am Fernsehgerät wie beim EM-Finale und auch keine 80 000 wie im Wembley-Stadion, aber Eintracht Frankfurt kündigt eine »geschichtsträchtige Kulisse« an, die bei mehr als 20 000 Fans liegen soll. Auch wenn zehn Vizeeuropameisterinnen auf beiden Seiten auflaufen: Einen Rahmen von 30 000 oder 40 000 Besuchern hatten die Verantwortlichen von vornherein als illusorisch abgetan.

Hoffnung auf ein größeres Publikum

Die alte Rekordmarke in der Bundesliga steht bei 12 464 Zuschauern, die beim VfL Wolfsburg im Stadion am Elsterweg am letzten Spieltag der Saison 2013/2014 gegen den 1. FFC Frankfurt sahen, wie Alexandra Popp mit einem Kopfballtor in letzter Minute die Meisterschaft entschied. Die Kapitänin der Nationalmannschaft hofft, »dass jetzt viel mehr Zuschauer kommen, gerade die Leute, die wir neu begeistert haben. Und ganz ehrlich: Wenn nicht jetzt, wann dann?« Erklärtes Ziel ist es, die Publikumsbasis zu vergrößern und die Stagnation bei den Zuschauerzahlen zu bekämpfen. 811 Augenzeugen verloren sich in der vergangenen Saison durchschnittlich pro Spiel. Genauso wenig wie vor 13 Jahren. Siegfried Dietrich, Eintracht-Sportdirektor und Sprecher der Frauenbundesligen, glaubt fest an ein »neues Wahrnehmungszeitalter«.

Doch nicht alle sind so euphorisch. Felix Seidel, Berater der deutschen Nationalspielerinnen Giulia Gwinn und Sydney Lohmann vom FC Bayern, stellt zwar fest, dass gerade die Gehälter der Topspielerinnen weiter stiegen, sich aber in der Frauenbundesliga die strukturellen Bedingungen nach der EM kaum verändert hätten. Auch die Stadioninfrastruktur ist dieselbe, was bedeutet, dass sich für TV-Übertragungen mitunter noch ein provinzielles Ambiente bietet.

Ungleiche Bedingungen

Seidel vermisst Konzepte. Die Impulse durch die ersten Highlight-Spiele mit der auch live in der ARD übertragenen Partie des zweiten Spieltags am 24. September zwischen der TSG Hoffenheim und VfL Wolfsburg könnten aus Sicht des 41-Jährigen schnell verpuffen, »wenn wir keine Ideen haben, wie wir diese Zuschauer auch in den kommenden Wochen und Monaten abholen«.

Ist manche Maßnahme also nur ein Marketing-Gag? »Viele Vereine kommunizieren einen großen Professionalisierungswillen, der in der Umsetzung aber zu wenig sichtbar wird. Nachhaltige Veränderung funktioniert nur, wenn die Entscheider der Klubs und auch des Deutschen Fußballbundes Kräfte bündeln und mit einer wirklich gelebten Strategie gemeinsam anschieben. Noch stehen zu viele auf der Bremse.« Das Kardinalproblem aus Seidels Sicht: »In der Liga fehlt der Wettbewerb.«

Auch die von ihm betreute Gwinn, mit inzwischen fast 500 000 Instagram-Followern der Social-Media-Star der Liga, zählt mit Bayern, VfL Wolfsburg und Eintracht Frankfurt nur drei Klubs auf, »die viel für den Frauenfußball tun und in denen es wirklich professionell zugeht«. Die 23-Jährige weiß: »Viele Spielerinnen arbeiten zusätzlich zum Fußball 40 Stunden pro Woche in einem anderen Beruf, auch der Rückhalt vom Verein ist nicht überall gleich stark.« Ihr ist Equal Play daher viel wichtiger als Equal Pay. »Erst müssen gerechte Bedingungen geschaffen werden. Danach kann man auch über eine Anpassung der Gehälter sprechen.« Millionengagen fordert indes niemand. Woher soll das Geld auch kommen?

Im Schnitt nahm jeder Bundesligist in der Saison 2020/2021 gerade einmal 1,16 Millionen Euro ein, gab aber 2,46 Millionen Euro aus. Allein die Summe der Gehälter übersteigt die Einnahmen – und steigt überproportional. Die bekanntesten Nationalspielerinnen kassieren zumeist fünfstellige Monatsgehälter, EM-Star Popp wird nach ihrer Vertragsverlängerung als Topverdienerin rund 15 000 Euro verdienen. Die Kluft zu denjenigen, die nebenbei studieren oder arbeiten und nur wenige Hunderte Euro Aufwandsentschädigung erhalten, wächst damit weiter.

So kommen wieder nur der Doublesieger VfL Wolfsburg und der Dauerrivale FC Bayern für die Meisterschaft infrage. Um den wichtigen dritten Rang, der zur Qualifikation für die Champions League berechtigt, balgen sich voraussichtlich Eintracht Frankfurt und die TSG Hoffenheim, vielleicht auch der SC Freiburg, der 1. FC Köln und Bayer Leverkusen. Gerade am Rhein, in Köln und Leverkusen, tut sich einiges. Der Rest aber spielt gegen den Abstieg, wobei es neben Werder Bremen traditionell die Aufsteiger MSV Duisburg und SV Meppen ganz schwer haben dürften. Die SGS Essen und Turbine Potsdam haben als Talentschmieden eine Daseinsberechtigung, doch für die reinen Frauenvereine kündigt sich ein Überlebenskampf an, der auf Dauer kaum zu gewinnen ist.

Topspielerinnen bleiben in Deutschland

Immerhin ist wider Erwarten nicht die perfekt vermarktete englische Profiliga Women‹s Super League die »Endstation Sehnsucht« der 23 EM-Heldinnen, von denen 20 weiterhin in Deutschland spielen. Keine einzige Topspielerin wechselte in diesem Sommer auf die Insel, dafür zog es mit Mittelfeldspielerin Georgia Stanway eine Europameisterin nach München. »Diese Liga passt zu meinem Spielstil, das Team begeistert mich«, erklärt die 23-Jährige. »Ich habe jede Sekunde in den letzten fünf Wochen genossen.« Dabei war die Engländerin noch nicht einmal auf dem richtigen Oktoberfest, das beginnt in München erst am Sonnabend.

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