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Lena Oberdorf wünscht sich Equal Play
Die 20-jährige Nationalspielerin vom VfL Wolfsburg über die Qualität des Fußballs und ungleiche Bedingungen in der Bundesliga
Lena Oberdorf über ihre gestiegene Bekanntheit
In meiner Heimat bin ich schon vorher erkannt worden, aber jetzt werde man auch an der Ampel kurz angehupt, gegrüßt und gesagt: »Hey, hast gut gespielt!« Man nimmt das schon wahr. Das hat sich nach der EM extrem entwickelt. Man sieht das auch an den Social-Media-Kanälen bei uns allen: Das ist echt explodiert. Meine beste Freundin schickt mir jeden Tag irgendwelche Videos von mir. Jetzt geht es darum, die Aufmerksamkeit aufrechtzuerhalten. Erst mal sind wir gefragt, indem wir gut Fußball spielen, aber auch die Menschen, die hoffentlich dranbleiben und ins Stadion kommen.
Über ihre Entwicklung durch die EM
Für mich persönlich und die ganze Mannschaft war die EM ein Erfolg, auch wenn wir gerne den Titel mit nach Hause genommen hätten. Aber vielleicht kam das noch ein bisschen zu früh. Der dritte Platz bei der Wahl zu Europas Fußballerin ist etwas extrem Schönes, ich weiß aber auch, dass es bei mir noch einige Potenziale gibt, die ich noch ausschöpfen kann.
Über die Zuschauerresonanz im Alltag der Bundesliga
Man kann nicht erwarten, dass es jetzt von null auf hundert geht und mit 40 000 Zuschauern auf einmal alles ausverkauft ist. Das ist ein Prozess, der sich erst Jahre oder vielleicht in dieser Saison entwickeln muss. Natürlich wünsche ich mir viele Besucher und dass wir mit dem VfL Wolfsburg noch mal in der großen Arena spielen können. Es sollte nicht sein, dass wir diese Welle verpassen.
Über ihre Vertragsverlängerung beim VfL Wolfsburg während der EM
Der VfL Wolfsburg ist wie eine zweite Familie, es sind kurze Wege nach Hause, Mama und Papa können jederzeit kommen, was für mich auch extrem wichtig ist. Mich reizt der Verein insgesamt sehr. Wenn ich sehe, wie wir uns entwickelt haben, finde ich es spannend, wie weit es noch gehen kann. Ich wollte Teil dieser Reise sein. Klar ist auch, dass die Frauen-Bundesliga qualitativ eine der besten Ligen Europas ist. Ich würde mir nur wünschen, dass die deutsche Liga mehr Sichtbarkeit erlangt, dass man sie für alle im TV zugänglich machen kann.
Über die große Versuchung, ins Ausland zu wechseln
Weil mein Vater auch mein Berater ist, bekommt er wahrscheinlich die ganzen Anfragen. Dadurch, dass ich meinen Vertrag gerade erst verlängert habe und ein Fan davon bin, einen Vertrag zu erfüllen, befasse ich mich Stand jetzt mit solchen Fragen nicht. Es wird aber zunehmen, dass auch bei den Frauen Ablösesummen gezahlt werden wie für Keira Walsh, die von Manchester City zum FC Barcelona gewechselt ist (für die Rekordablöse von angeblich mehr als 400 000 Euro, Anmerkung der Redaktion).
Über die Saisonziele, den Meisterschaftskampf und die Verfolger
Wir haben zwei Titel in der vergangenen Saison geholt: Da wollen wir uns natürlich noch steigern und drei Titel gewinnen. Aber wir wissen auch, dass dies ein sehr großes Ziel ist. In der Bundesliga ist unsere größte Gefahr der FC Bayern München, aber wir sehen uns natürlich auf Augenhöhe. Diese Duelle werden noch intensiver als in den vergangenen Jahren. Eintracht Frankfurt wird auf lange Sicht zur Konkurrenz, wenn sie konstante Leistungen bringen. Ich bin auch gespannt, wie sich Bayer Leverkusen oder der 1. FC Köln entwickeln. Man muss abwarten, wie schnell das alles da fruchtet.
Über die Angleichung von Frauen- und Männer-Bundesliga
Ganz gleich soll es auch nicht werden. Nicht, dass wir auch noch anfangen, Schwalben zu machen trotz Videoassistent (lacht). Was wir uns zuerst wünschen, ist Equal Play – dass wirklich alle Mannschaften die gleichen Bedingungen haben. Wir in Wolfsburg finden ja wirklich den puren Luxus vor. Als ich von Essen hierher kam, musste ich mich erst mal dreimal umschauen und habe gedacht: »In welchem Himmel bin ich jetzt gelandet?«
Über die Bedingungen anderer Vereine
In großen Teilen der Liga finden die Spielerinnen nicht die Trainingsbedingungen vor wie in München, Frankfurt oder bei uns. In Essen hatten wir drei verschiedene Trainingsplätze, hier in Wolfsburg ist alles an einem Ort. Wir müssen anfangen, dass jeder Verein zum Beispiel einen Physiotherapeuten dabei hat, damit die Spielerinnen sich vor einem Training nicht noch selber tapen müssen.
Über ihre körperbetonte Spielweise
Auf gar keinen Fall stelle ich mich um. Darüber habe ich auch mit Trainer Tommy Stroot schon gesprochen. Wenn ich spiele, dann gehen nur 100 Prozent. Nur mit Auge zu spielen, das funktioniert bei mir nicht. Das würde mir auch nicht stehen. Defensiv wird die Intensität gleich bleiben. Vermutlich wird mir einfach mal die eine oder andere Auszeit gegönnt.
Über die Integration der Wolfsburger Neuzugänge Merle Frohms, Marina Hegering und Jule Brand aus dem Nationalteam
Ich nehme sie gar nicht mehr als Neuzugänge wahr. Wenn ich in die Kabine komme, denke ich immer, sie wären schon letzte Saison dagewesen. Das einzige, was sie noch brauchen, ist vielleicht die eine oder andere Lampe in der Wohnung. Marina muss auch noch ein paar Umzugskisten auspacken (lacht).
Über die prägende Rolle ihrer Geschwister Julia und Tim
Mein Bruder Tim (Fußballprofi bei Zweitligist Fortuna Düsseldorf, Anmerkung der Redaktion) ist derjenige, der mich immer auf den Fußballplatz mitgenommen hat – das war schon mal die Eintrittskarte für alle Bolzplätze. So musste ich nicht zehn Minuten warten, bis die großen Jungs mich haben mitspielen lassen. Durch die beiden waren auch unsere Urlaube als Kinder extrem sportlich. Wir haben echt viel ausprobiert – und am Strand von Texel immer Baseball gespielt. Wenn man zwei ältere Geschwister hat, verliert man auch nicht den Kontakt zum Boden, sondern wird eher noch reingestampft – mit irgendwelchen Sprüchen am Essenstisch. Wenn mir meine Schwester Julia ein Lob erteilt, kommt mein Bruder mit einem Spruch, um mich wieder runterzuholen. Bei Tim kann ich noch widersprechen, aber bei Julia darf ich nicht viel sagen, denn die spielt American Football und tackelt mich sonst weg. Da bin ich lieber leise.
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