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Sozialisten sind gerade wie pyromanische Feuerwehrleute
Brandenburgs Linksfraktionschef Walter beklagt den Zustand seiner Partei
Mit unmissverständlichen Worten hat Brandenburgs Linksfraktionschef Sebastian Walter am Dienstag den inneren Zustand seiner Partei beschrieben. »In einer Situation, in der es überall brennt, steckt sich die Feuerwehr selbst an«, sagte er. Walter sprach von der Gefahr, dass seine Partei in absehbarer Zeit nicht mehr existiere.
Statt gemeinsam wirksame Positionen in der Politik zu beziehen, werde die Debatte von Personen »mit charakterlichen Schwächen« bestimmt, fuhr Walter fort. »Offenbar geht es nur noch darum, wer am provokantesten formuliert.« Bezogen auf den Krieg in der Ukraine sagt Walter: »Wer Täter und Opfer vertauscht, der verdreht die Tatsachen.« Das könne keine Linie der Linken sein.
Er selbst habe sich seit seinem 13. Lebensjahr politisch engagiert und sei stolz darauf, antifaschistisch geprägt und erzogen worden zu sein, fuhr er fort. Er habe sich für Die Linke entschieden, »um jenen eine Stimme zu geben, die sonst keine Stimme haben«. Auf die Frage, welche Mitglieder seiner Partei denn seiner Meinung nach diese von ihm erwähnten charakterlichen Schwächen offenbaren, sagte Walter, er werde keine Namen nennen. Aber die von ihm kritisierten Profilierungsversuche finden in einer Situation statt, in der Einzelpersonen, Tafeln und soziale Träger »in eine vollkommen verzweifelte Situation geraten«.
»Jetzt kann ich mich entscheiden: Beschäftige ich mich nur noch mit mir selbst und betrachte ich es als Hauptanliegen, dass mir die Überschriften gehören«, stellte Walter in den Raum. »Oder bemühe ich mich um soziale Alternativen.« Er nehme wahr, dass Tausende Mitglieder
seiner Partei sich in der Sozialrechtsberatung engagieren und Spenden für die in Not geratenen Tafeln einwerben. In einer Diskussion über die PCK-Erdölraffinerie in Schwedt und die Sanktionen gegen Russland »hätte ich einiges beizutragen«. Doch gebe es eben auch Funktionäre und Amtsträger seiner Partei, »die ihre Rolle nicht richtig ausfüllen«. Die würden Bühnen suchen, »die sie offenbar brauchen«, und über das Nachrichtenmagazin »Spiegel« und andere Medien eine Diskussion führen, »die wir intern führen sollten«. Walter betonte: »Ich distanziere mich nicht von Sahra Wagenknecht. Ich sage, dass ich ihre Position nicht teile.«
Bezogen auf das Außenbild der Sozialisten merkte Walter an: »Die Leute wissen nicht, worum wir uns streiten. Sie wissen nur: dass wir uns streiten.« Es gehe jetzt um sehr viel: »Entweder wir bekommen das hin, oder wir haben das Problem, dass wir nicht mehr existieren.« Fatal wäre das für die Ärmsten in der Gesellschaft, denn »je schwächer wir sind, desto schwächer werden diese Menschen sein.«
»Wenn es nicht passt, muss man sich eben trennen.« Aber danach sehe es im Augenblick nicht aus. Offen sprach er davon, dass es »Spaltungsüberlegungen« gebe. Er selbst, so Walter, würde »zwischendurchfallen«. Er warne vor der Diskussion, »wer jetzt raus muss oder wer jetzt hinein muss«.
Im Landesverband ist dergleichen jetzt oft zu hören. Die Streitereien lösen an der Parteibasis und bei Sympathisanten nur noch Kopfschütteln aus. Ein Beispiel dafür war die Diskussion, ob an einem Montag zu Sozialprotesten aufgerufen werden könne und ob der Tag symbolisch durch die DDR-Bürgerbewegung, die Hartz-IV-Demonstrationen oder die Pegida-Spaziergänge besetzt sei. »Vielleicht fangen wir endlich mal an, uns mit den Dingen zu beschäftigen, für die es uns als Partei gibt«, sagte erst am Samstag Dominik Rabe, Linksfraktionschef im Stadtparlament von Bernau, als er mit seinen Genossen bei einer Volksküche Kartoffelsuppe verteilte.
»Die Krisenpolitik der Bundesregierung braucht Gegenwind«, ist Landtagsfraktionschef Walter überzeugt. »Durch diese Krise kommen wir nur solidarisch: mit einem Preisdeckel für Energie und Mieten, der Abschöpfung der Krisengewinne und einer direkten Unterstützung für kleine und mittlere Einkommen.«
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