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- NS-Aufarbeitung
Den Nazi diskret ausgespart
Ein Grab auf dem Invalidenfriedhof sorgt für Aufsehen. Der Senat erklärt den Wehrmachtsgeneral zur »bedeutsamen militärischen Persönlichkeit«
Berlin ist eine Stadt der Superlative. Mit über 220 Friedhöfen gehört die deutsche Metropole zu den europäischen Hauptstädten mit den meisten Begräbnisanlagen. Eine der ältesten und zugleich umstrittensten ist der Invalidenfriedhof.
Auf ihm, so schreibt der entsprechende Förderverein, seien zahlreiche Personen begraben, »die das kulturelle und geistige Klima Deutschlands beziehungsweise Preußens und Berlins im 19. und 20. Jahrhundert entscheidend mitgeprägt haben«. Daher müht sich der Verein auch nach Kräften, den Gebeine-Acker – Zitat von der Website – »zu einem würdigen Ort und damit zum Anziehungspunkt für in- und ausländische Besucher« zu machen.
Wer den Friedhof besucht, sollte wissen, dass hier Männer begraben liegen, die zeit ihres Lebens einem blutigen Handwerk nachgingen – Heeresführer, Generale sowie mehr oder weniger vermeintliche Kriegshelden. Die NS-Führung beispielsweise begrub hier Fritz Todt, der als Reichsminister für Bewaffnung und Munition unter anderem verantwortlich war für den massenweisen Einsatz und damit für den massenweisen Tod Zehntausender Zwangsarbeiter. Auch der Chef des SS-Reichssicherheitshauptamtes, Reinhard Heydrich, der am Wannsee die »Endlösung der Judenfrage« in Gang gesetzt hatte, wurde hier begraben.
Doch auch weniger bekannte Männer haben es auf den Invalidenfriedhof »geschafft«. Einer von ihnen ist Rudolf Schmundt. Der, so meint Hermann Fricke aus Hannoversch Münden, hätte mehr Aufmerksamkeit verdient. Fricke, der hellwach auch die Traditionspflege der Bundeswehr im Blick hat, schrieb daher einen Brief an Franziska Giffey (SPD), die Regierende Bürgermeisterin Berlins. Fricke bekam Antwort. Darin erklärt die Senatskanzlei weitschweifig, dass es sich bei Schmundts Granittafel um einen sogenannten Restitutionsstein handelt, der – weil der Originalstein verloren ging – bei Restaurierungsarbeiten historischer Friedhöfe Verwendung findet. Vor allem bei »militärisch bedeutsamen Persönlichkeiten« seien darauf »stilisierte Darstellungen bekannter Orden wie etwa das Eiserne Kreuz« eingemeißelt.
Da auf Schmundts Grabplatte ein Eisernes Kreuz prangt, ist er – nach Logik des rot-grün-roten Senats – wohl so eine bedeutsame Persönlichkeit. Was Briefschreiber Fricke erstaunt. Wehrmachtsgeneral Rudolf Schmundt 1944 starb in Folge des Hitler-Attentates. Aber nicht etwa, weil er dem Widerstand um Oberst Stauffenberg angehörte. Im Gegenteil: Rudolf Schmundt stand ab 1938 – zwar immer etwas im Hintergrund – jedoch stets aufseiten des »Führers«. Als dessen Wehrmachtsadjutant.
Zugleich beförderte er als Chef des Heerespersonalamtes die fanatische Kampfentschlossenheit und die Beharrlichkeit des Glaubens an den Sieg, der »in unserer nationalsozialistischen Weltanschauung begründet ist«, wie er erklärte. Offiziere als ein tragendes Element des Staates wie Hoheitsträger der Partei seien durch ihren Eid in besonderem Maße an den »Führer« und dessen Staatsidee gebunden, betonte er.
Und auch zum Thema Judenvernichtung ist einiges überliefert, das Schmundts menschenverachtenden Fanatismus belegt.1942 schrieb er: »Der gegenwärtige harte Kampf gegen den jüdisch-bolschewistischen Weltfeind zeigt mit besonderer Deutlichkeit das wahre Gesicht des Judentums. Der Offizier muss deshalb aus innerer Überzeugung heraus das Judentum und damit jede Verbindung zu ihm ablehnen. Wer gegen diese kompromisslose Haltung verstößt, ist als Offizier untragbar.«
Natürlich ist so ein Restitutionsstein viel zu klein, um diese und weitere Scheußlichkeiten einzumeißeln, die Hitlers Adjutant auf dem Kerbholz hat. Das weiß auch Hermann Fricke und hält deshalb einen Vorschlag parat. Da viele Besucher des Invalidenfriedhofes gewiss über ein vielseitig nutzbares Handy verfügen, könnte man doch alles, was man über die Lebensdaten hinaus über General Schmundt wissen sollte, in einem kleinen QR-Code speichern. Den dem Grabplatz beizustellen wäre ein vergleichsweise geringer Aufwand. Der Nutzen indessen wäre im Sinne einer ehrlichen Aufarbeitung deutscher Geschichte umso größer.
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