»Wir werden zeigen, dass wir Rechte haben«

In Italien sieht sich die Klimabewegung in den Parteien nicht repräsentiert

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 4 Min.

Natürlich ging es in erster Linie um eine neue Umwelt-, Klima- und Transportpolitik, aber in Italien standen auch andere Themen auf dem Programm. Die Friedensfahne und Slogans gegen den Krieg sah man häufig, aber auch Banner der Feministinnen und handgeschriebene Plakate für eine Schulreform. Unter den Demonstranten waren auch ältere Personen, die Eltern und LehrerInnen der Demonstrierenden und vereinzelnd auch Politiker, die allerdings kein leichtes Spiel hatten.

Martina Comparelli ist eine der Sprecherinnen von »Friday for Future« in Italien. Sie war in ihrer Heimatstadt Mailand auf der Straße: »Der letzte Sommer war klimatisch ein Albtraum aber die Politik will einfach nicht aufwachen«, sagt sie. »Sie behandeln uns wie Konsumenten, die Schaufenster bestaunen und sich überlegen sollen, welche Partei ihre Stimme bekommt. Aber es ist Quatsch: Man kann die Dinge nicht nur mit Wahlen ändern. Wir sind hier, weil wir an den Entscheidungen teilhaben wollen. Wir werden zeigen, dass wir Rechte haben und sie verteidigen werden.«

In Italien ist die Klimafrage womöglich noch aktueller und dramatischer als anderswo. Gletscher schmelzen, und das führt zu verheerenden Erdrutschen, Überschwemmungen häufen sich und fordern permanent neue Opfer. »Aber trotzdem«, sagt Martina Comparelli und vertritt so sicherlich einen großen Teil der jungen Menschen, die demonstrierten, »tut man so, als sei die Öko-Frage nicht von primärer Bedeutung für unser Leben, unseren Planeten und die kommenden Generationen. Je mehr wir über das Klima reden, umso mehr scheinen die großen Parteien sich mit schönen Worten für die Umwelt übertrumpfen zu wollen – aber ohne einen wirklichen, realistischen Plan, um die Lage zu verändern und zu verbessern.«

Neben den eigentlichen Umweltfragen stand in Mailand vor allem eine Schulreform im Mittelpunkt der Proteste. In den vergangenen Jahren sind immer wieder Jugendliche in Betrieben, wo sie ein obligatorisches Berufspraktikum absolvierten, ums Leben gekommen. Vor wenigen Tagen war es der 17-jährige Giuliano De Seta, der in einer Fabrik in der Nähe von Venedig von einer riesigen Metallplatte erschlagen wurde, die sich aus der Halterung löste. Um an diesen Missstand zu erinnern, haben sich während der Demo mehrere Jugendliche auf die Straße gelegt und andere hielten Plakate hoch, auf denen »Ihr nennt es Unfälle« stand.

Im Rom, wo über 30000 Personen auf die Straße gingen, stand neben den anderen Problemen auch der öffentliche Nahverkehr im Vordergrund. Die Stadt ist für ihr permanentes Verkehrschaos bekannt. Die 18-jährige Viola Cipriani erklärt: »In Italien ist das Transportwesen für 25 Prozent der Treibhausgase verantwortlich. Mit etwa 40 Millionen Autos steht Italien in Europa an zweiter Stelle beim Verhältnis zwischen Einwohnern und PKWs. Das hängt auch damit zusammen, dass die U-Bahnen, Straßenbahnen und Busse häufig nicht funktionieren und man stundenlang an den Haltestellen oder im Stau steht.« Die 17-jährige Mariangela Belli fügt hinzu: »Es wird Zeit, dass die Öko-Wende von denen bezahlt wird, die unsere Welt verkommen lassen.« Sie verlangt zusammen mit anderen – und deshalb haben sie letzte Woche symbolisch einen Waggon der U-Bahn besetzt – dass der öffentliche Nahverkehr auch in Rom gratis wird.

In der Hauptstadt nahmen an der Demo auch Gewerkschaftsvertreter teil, allen voran Maurizio Landini, Generalsekretär der größten italienischen Gewerkschaft CGIL. Auch in anderen Städten wurde immer wieder auf die enge Verbindung zwischen Klimagerechtigkeit und sozialer Frage hingewiesen. In einer langen Solidaritätserklärung der Gewerkschaft mit den Protesten heißt es: »Auch für uns steht ein radikaler und dringender Systemwechsel im Vordergrund. Nicht mehr Profitgier und Finanzrenditen für Wenige, sondern Arbeit, Rechte, Frieden, Umwelt und soziale Gerechtigkeit. Das sind auch unsere Prioritäten!«

Natürlich wurde am vergangenen Freitag auf den Straßen Italiens auch über die Wahlen gesprochen. Aber eine Wahlempfehlung will niemand aussprechen: »Ja, ich werde zur Wahl gehen«, sagt der 18-jährige Enrico Ponti aus Rom, »aber großes Vertrauen habe ich nicht. Diese Parteien repräsentieren uns nicht!« Seine Freundin Rosalba Bianchi ist drastischer: »Jeder möchte unsere Stimme haben. Aber auf unsere Forderungen geht man einfach nicht ein! Ich glaube nicht, dass überhaupt irgendjemand meine Stimme bekommt.«

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