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Eine Krise folgt der nächsten

Die Volleyball-Bundesliga geht abermals geschrumpft in die neue Saison

Marek Sotola (l.) muss auf Berlins Diagonalposition in Benjamin Patchs große Fustapfen treten.
Marek Sotola (l.) muss auf Berlins Diagonalposition in Benjamin Patchs große Fustapfen treten.

Das Leben zerstört auch die schönsten Pläne. Erfahrene Manager von Profisportvereinen wissen das. Verletzungen hier, eine Formkrise da, und alles muss neu gedacht werden. Kaweh Niroomand, Geschäftsführer des deutschen Volleyballmeisters Berlin Volleys, ist einer der erfahrensten Klubfunktionäre. Trotzdem hatte er geglaubt, im Sommer 2022 mal etwas mehr Urlaub genießen, eine ruhigere Kugel schieben zu können. »Wie viele Menschen und Unternehmen hatten auch wir zu kämpfen gehabt. Zum Glück haben wir Corona-Hilfen vom Bund und Senat bekommen, ohne sie wäre es sehr schwierig geworden«, erinnerte sich Niroomand dieser Tage an zwei schwierige Jahre. Die Volleys haben die Pandemie mit Lockdowns und Zuschauerbeschränkungen überstanden, die meisten Spieler hatten langfristige Verträge unterschrieben. Es gab kaum Verbesserungsbedarf. Doch natürlich kam dann alles anders.

Die Coronakrise wird nun von der Energiekrise abgelöst, die eine staatliche Unterstützung auch für die kommende Saison nötig erscheinen lässt. »Die Kostensteigerungen bewegen sich bei uns in sechsstelliger Höhe«, berichtete Niroomand am Dienstag mit der Hoffnung darauf, dass die BR Volleys beim Entlastungspaket des Senats berücksichtigt werden. Zusätzlich zu den Finanzproblemen musste er auch noch ein neues Team zusammenstellen, denn nach der sechsten Meisterschaft infolge verließen plötzlich doch sieben Leistungsträger den Verein.

Zwei Abgänge schmerzten Verein und Fans ganz besonders: Den mit Abstand besten Zuspieler der Bundesliga, Kapitän Sergej Grankin, zog es zurück in die russische Heimat. Und Sprungwunder Benjamin Patch kehrte dem Volleyball ganz den Rücken. Der US-Amerikaner war nicht nur sportlich, sondern auch menschlich ein besonderer Farbtupfer und Publikumsliebling der Volleys. Wie Grankin hatte auch er noch einen Vertrag, doch beide verließen aus persönlichen Gründen die Max-Schmeling-Halle.

Sechs neue Spieler wurden nun nach Berlin geholt, für Grankin soll nun der Spanier Ángel Trinidad zuspielen. Dieser schlug zuletzt zwei Jahre lang in der starken polnischen Plus-Liga auf. Dass er den russischen Olympiasieger von 2012 ersetzen kann, glaubt niemand, obwohl Trinidad sofort zum Kapitän ernannt wurde. Weil bis vor wenigen Wochen noch die WM ausgetragen wurde, das Team also nicht einmal einen Monat gemeinsam trainieren konnte, fehlt es noch am einstudierten Zusammenspiel. »Ich glaube, für uns wird das Mentale entscheidend sein«, prognostizierte Niroomand. »Vom spielerischen Potenzial sehe ich uns sogar besser aufgestellt als im letzten Jahr. Aber den Killerinstinkt, die Hierarchien und Führungsspieler für die großen, wichtigen Spiele zu entwickeln, wird die Herausforderung für unseren Trainer sein.«

Also für Erfolgscoach Cédric Énard. Auch der Franzose sieht viel Potenzial in der Mannschaft: »Nach drei Wochen Vorbereitung habe ich ein gutes Gefühl, weil die Einstellung stimmt. Die Jungs sind sehr ehrgeizig. Wir alle wissen aber, dass wir noch Zeit brauchen.« Das war in den Testspielen gegen starke Klubs aus Belgien, der Ukraine und Polen erkennbar. Besonders gegen die polnischen Teams aus Lublin und Zawiercie hatten die BR Volleys bei zwei 0:3-Niederlagen kaum Siegchancen. »Die Resultate waren nicht positiv, aber für mich war entscheidend, dass wir auf Spitzenteams getroffen sind, um dem Team zu zeigen: Ja, wir können mithalten, aber wir haben noch viel Arbeit vor uns.«

Europas Top-Mannschaften hatten sich in der Champions League zuletzt stets als zu stark erwiesen, auch weil den Berlinern national die regelmäßigen Herausforderungen fehlen. Da werden Gegner schon einmal mit den Spielern der zweiten Reihe klar geschlagen, und besser dürfte das auch in dieser Saison kaum werden. Schließlich besteht die Volleyball-Bundesliga nur noch aus neun Teams. Rechnet man die im Grunde außer Konkurrenz mitspielende Nachwuchsauswahl vom VCO Berlin heraus, haben die Volleys nur noch sieben feste Gegner, der Pandemie sei Dank.

Nach den Klubs aus Innsbruck, Eltmann, Rottenburg und Bühl zog sich mit den United Volleys aus Frankfurt am Main im Sommer die fünfte Mannschaft in drei Jahren aus der höchsten deutschen Spielklasse zurück. »Das ist nicht schön. Da sind wir alle, aber vor allem die Liga VBL gefragt. Wir wissen, dass es zwei, drei ambitionierte Interessenten für einen Aufstieg gibt. Aber die trauen sich noch nicht richtig. Wir müssen diesen Vereinen die Scheu nehmen«, sagte Berlins Manager Niroomand. »Lüneburg und Giesen haben gezeigt, dass Standorte erfolgreich entwickelt werden können, weil die Sportart Menschen begeistern kann. Wir müssen perspektivisch wieder auf mindestens zwölf, besser noch 14 Teams kommen.«

Warum es ausgerechnet den Volleyball in der Pandemie so viel härter traf als andere Profiligen, kann sich Niroomand nur so erklären: »Die Etats sind niedriger als im Handball, Basketball oder Eishockey. Die Ärmsten trifft es eben immer am schnellsten. In den Fällen von Innsbruck und Frankfurt haben zudem zwei Unternehmer gedacht, mit ein bisschen Geld und ein paar guten Ideen Klubs an großen Standorten zum Laufen zu bringen. Doch sie haben es nicht durchgehalten. Und Corona hat sie dann noch mal zurückgeworfen.«

Mit nur noch acht festen Teams konnte nun aus dem zum Auftakt anstehenden Supercup sogar ein Ligapokal gemacht werden, bei dem ab diesem Freitag nicht mehr nur Meister und Pokalsieger, sondern gleich alle Bundesligaklubs für ein Turnier zusammenkommen. Der Bounce-House-Cup in Giesen wird der erste nationale Gradmesser und zu gewinnende Titel sein. »Ich erwarte, dass wir uns Punkt für Punkt weiterentwickeln«, gab Berlins Trainer Énard zunächst eine vorsichtige Marschrichtung vor. »Aber natürlich steckt es in unserer Klub-DNA, dass wir um jeden Titel mitspielen wollen. Auch wenn wir so früh in der Saison eigentlich noch nicht bereit dafür sind.«

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