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Arbeit für Westberliner »in der DDR«
Sonderausschuss des Landtags debattiert Strategien gegen die Fachkräftenot in der Lausitz
Der Plan, dass spätestens 2038 alle Tagebaue in der Lausitz stillgelegt und alle Braunkohlekraftwerke abgeschaltet sein sollen, wirkt sich auf den Arbeits- und Ausbildungsmarkt aus. Da aber mehr Menschen in Rente gehen als Schulabgänger ins Berufsleben nachrücken, wird nicht mit steigenden Arbeitslosenzahlen gerechnet. Es droht im Gegenteil eine Fachkräftenot, die dem Revier schweren Schaden zufügen könnte. Der Sonderausschuss des Landtags zum Strukturwandel in der Lausitz hörte am Freitag Experten zur »Fachkräftesicherung durch Qualifizierung und Zuwanderung« an.
Während das Handwerk und eine Vielzahl kleiner Firmen die Hiobsbotschaft aussenden, keinen Nachwuchs zu finden, leben große Unternehmen und Industriebetriebe offenbar in einer anderen Welt. So schildert Manager Torsten Westphal, dass seine Deutsche Bahn in Kooperation mit der Lausitzer Energie AG (Leag) in Jänschwalde einen der größten Ausbildungsstandorte der Bahn errichten werde. Dies geschehe mit Blick auf das Bahnwerk in Cottbus, das gegenwärtig stark ausgebaut wird und wo künftig 1200 Arbeits- und Ausbildungsplätze besetzt werden müssen. Im Vorjahr seien 60 Lehrlinge eingestellt worden, im laufenden schon 100, und »das wird weiter auf hohem Niveau bleiben«, erklärt Westphal. Bundesweit bilde die Deutsche Bahn derzeit 5200 junge Menschen aus. Das ist Westphal zufolge eine »Rekordzahl«.
Leag-Personalchef Jörg Waniek teilte mit, dass der Mietvertrag für das gemeinsame Ausbildungsgebäude in Jänschwalde mit einer Verlängerungsoption bis 2038 abgeschlossen worden sei. Derzeit bilde die Leag 600 junge Menschen aus, wovon auch das Signal ausgehen solle: »Die Lausitz bleibt Energieregion.« Sowohl der Ausbildungsstandort Jänschwalde als auch der in Schwarze Pumpe würden stabilisiert werden und in einer Weise weiterentwickelt, dass auch dritte Unternehmen davon profitieren könnten.
Derzeit rufe »der Markt händeringend nach Elektronikern«, auch Lokführer seien so selten zu finden wie Goldstaub. Der Ausbildungsort Schwarze Pumpe »an der Grenze zwischen Brandenburg und Sachsen« habe sein Einzugsgebiet in beiden Bundesländern, dazu gehören Cottbus und Spremberg sowie Hoyerswerda und Weißwasser. Westphal und Waniek beteuern, dass es keineswegs leichter geworden sei, Bewerber zu finden. Die Jugend wolle heutzutage lieber näher am eigenen Wohnort ausgebildet werden, erklärt Waniek.
»Viele in der Lausitz glauben, dass der Strukturwandel mit einer großen Arbeitslosigkeit einhergeht. Das wird nicht der Fall sein«, prophezeit Heinz-Wilhelm Müller, Chef der Cottbuser Arbeitsgentur. Mit Blick auf die aktuelle außenpolitische Lage setzt er allerdings hinzu: »Es sei denn, die wirtschaftliche Situation verändert sich gravierend – was heute niemand weiß.«
Müller beklagt das geringe Interesse an Weiterbildungen und dass »für den einen oder anderen« Hartz IV oder Bürgergeld eine Perspektive sei, sich sein Leben zu gestalten. Doch: »Niemand ist faul geboren.« Die Lausitz sei eine Zukunftsregion. Zu den vielen im Vorfeld des Kohleausstiegs zu lösenden Problemen gehöre, dass der Zuzug vor allem aus Berlin nach Brandenburg die Lausitz nicht erreiche. »Ich sage es mal flapsig: Wie bringen wir Westberliner dazu, in der DDR zu arbeiten?«
Vor dem Hintergrund, dass in Berlin viele Schulabgänger keine Ausbildung begonnen haben, steuert Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) bei, dass in der Hauptstadt das Bild von Brandenburg und der Lausitz »noch immer sehr vorurteilsbehaftet« sei. Würden sich junge Menschen aber erst einmal einen Ruck geben und dort anklopfen, setze »der berühmte Klebeeffekt ein«. Sie bleiben dann.
Das Problem verschärfe sich dadurch, dass die Lausitz überproportional von der Überalterung der Bevölkerung betroffen sei. Fast die Hälfte der Fachkräfte müsse dort in den kommenden Jahren ersetzt werden.
Die Jugendarbeitslosigkeit in Cottbus und Umgebung sank 2020 bis 2022 von 5,1 auf 4,2 Prozent, berichtet Sandy Hauck, Bereichsleiterin der Jugendberufsagentur. Die Zuwanderung von Fachleuten »muss so einfach und niedrigschwellig wie möglich sein«, rät deshalb Susanne Kretschmer von der Betrieblichen Begleitagentur Bea-Brandenburg. Den Zuwanderern sollten unkompliziert Weiterbildungen und die Anerkennung ihrer in der Heimat erlernten Berufe angeboten werden.
»Wir wollen zeigen, dass erneuerbare Energien sexy sind«, sagt Martin Heusler vom Qualifizierungsverbund in der Lausitz für Erneuerbare Energien. Die Überalterung betreffe nicht nur die Angestellten, sondern auch die Firmenchefs, warnt Jana Frost von der Industrie- und Handelskammer Cottbus. Vielfach führe die Unlust von Jugendlichen, sich in exakten Fächer wie Mathematik und Physik anzustrengen, zur Unlust von Ausbildungsbetrieben, sich mit diesen Jugendlichen abzugeben. Frost zufolge gibt es »zu wenige gebündelte Initiativen, die die Lausitz gezielt im Ausland bekannt machen«. Als Tourismusregion sei das Revier bekannt, nicht aber als Arbeitsort.
»Wir machen den Fehler, die Schüler müde zu reden«, findet Manja Bonin von der Handwerkskammer Cottbus. Sie wirbt bei der Berufsorientierung für mehr Praxis und mehr Möglichkeiten des Ausprobierens. Bonin erwähnt auch die Unzufriedenheit vieler Jugendlicher mit dem Nachtleben der Lausitz. »In meiner Jugend hat mich die Landschaft auch weniger interessiert.«
In den 90er Jahren gab es Streit um den Namen der neu gebauten Rennstrecke in Klettwitz. Damals hieß es, Lausitz-Ring analog zum Hockenheim-Ring oder Nürburg-Ring dürfe sie nicht heißen, weil im englischsprachigen Ausland »Lausitz« so ähnlich wie »lousy«, also lausig, klinge …
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