Kritik am Kommerz

Der Ironman Hawaii ist auf zwei Veranstaltungen für neuerdings 5000 Profis und Agegrouper ausgeweitet worden – zu viel, finden die Triathleten

  • Frank Hellmann
  • Lesedauer: 4 Min.
Anne Haug aus Bayreuth wurde Dritte beim diesjährigen Ironman auf Hawaii.
Anne Haug aus Bayreuth wurde Dritte beim diesjährigen Ironman auf Hawaii.

Aus der Zuschauerrolle das Beste machen: Jan Frodeno hat irgendwann in der Bucht von Kailua-Kona beschlossen, nach seiner verletzungsbedingten Absage für den Ironman Hawaii nicht weiter Trübsal zu blasen. Der dreifache Champion kann wegen eines Seuchenjahres mit angerissener Achillessehne, Corona-Infektion und Hüftoperationen seinen Titel aus 2019 beim diesjährigen Ironman (Samstag 18.25 Uhr MESZ/ZDF-Livestream) nicht verteidigen. Der 41-Jährige feuerte dann eben 48 Stunden zuvor einfach die Frauen an, die sich erstmals in einer abgetrennten Veranstaltung bereits am Donnerstag an die 3,86 Kilometer Schwimmen im aufgewühlten Meerwasser, 180,2 Kilometer Radfahren über den flimmernden Asphalt und schlussendlich noch 42,2 Kilometer Laufen bei drückender Hitze machten.

Frodeno zog sich ein gelbes Helfershirt an, reichte Wasser und feuerte an. Auch das kann ja inspirieren. Allerdings konnte Anne Haug trotz des prominenten Supports ihren Coup von vor drei Jahren nicht wiederholen, als es den deutschen Doppelsieg mit Frodeno gegeben hatte. Die 39-Jährige wurde nach großem Kampf diesmal Dritte. »Meine Zehen sind völlig geschrottet. Der Körper ist so leer und erschöpft, mag sich einfach nicht mehr bewegen, nur noch schlafen«, sagte die Bayreutherin im Ziel.

Kosten für die Teilnahme steigen

Den Sieg sicherte sich völlig überraschend die US-Amerikanerin Chelsea Sodaro mit fast acht Minuten Vorsprung vor der Britin Lucy Charles-Barclay. Pech hatte die Deutsche Laura Philipp. Die 35-Jährige bekam wegen Windschattenfahrens eine umstrittene Zeitstrafe von fünf Minuten aufgebrummt. Sonst wäre für die Heidelbergerin mehr als Platz vier drin gewesen.

Erstmals in der Geschichte dieses 1978 erschaffenen Wettkampfs sind die Rennen auf zwei Tage verteilt, die Profis der Frauen und Männer getrennt, auch die Altersklassenathleten verteilt, für 5000 Aktive aus 92 Ländern. Die Deutschen stellen dabei mit 504 qualifizierten Startern nach den USA die zweitstärkste Nation – das hat Tradition. Doch speziell in Deutschland, dem Land der Langdistanzliebhaber, das durch Frodeno (2015, 2016 und 2019), Sebastian Kienle (2014) und Patrick Lange (2017 und 2018) sechsmal in Folge den Weltmeister stellte, regt sich massive Kritik.

»Ich habe lange überlegt, wie ich dazu stehe, aber ich habe mehr negative Faktoren für die Verdopplung gefunden«, sagte der gebürtige Hesse Lange, der vor Ort schnell registriert hat, was die Aufblähung des Wettbewerbs bedeutet: unfassbar viel Verkehr, enormes Gedränge an den gängigen Hotspots – und horrende Preise.

Der 36 Jahre alte Lange kann genau wie Konkurrent Kienle, der mit 38 Jahren nun sein Abschiedsrennen bestreitet, von seiner Sportart dank seiner Sponsorenverträgen einigermaßen gut leben. Aber auch ihn trifft die Kostenexplosion. Für Apartments, die sonst 1500 Euro kosteten, werden jetzt in einer Woche 15 000 Euro aufgerufen. Teilnehmer, die sich nicht ganz früh um Flug und Unterkunft gekümmert haben, mussten mehr als 20 000 Euro Gesamtkosten für die Reise kalkulieren.

Dan Lorang, der Spezialtrainer von Frodeno, Haug und Charles-Barclay, findet es »vor allem für die Agegrouper extrem, wie viel Geld sie für die Teilnahme in die Hand nehmen müssen«. Auch die Preisgelder bei den Profis stünden nicht in Relation zu den Kosten, erklärt der Luxemburger, der bei Bekannten auf einem Ausziehbett untergekommen ist. Für den 43-Jährigen zerstören die Organisatoren das besondere Flair eines Events, das nun seinen familiären Charakter gegen die rücksichtslose Kommerzialisierung eingetauscht hat. »Der Mythos lebt doch davon, dass es etwas ganz, ganz Besonderes ist, dieses Rennen bestreiten zu dürfen. Warum bleibt das nicht so?«, fragt Lorang.

Mehr Geld für Investor Advance

Die Antwort ist denkbar einfach: weil es den Organisatoren mehr Geld bringt. Allein 1120 Dollar kostet der Startplatz, für den sich Profis wie Amateure erst mühsam bei anderen Ironman-Rennen qualifizieren müssen. Hawaii ist der Lockvogel – und für eine Organisation, die seit längerem in Investorenbesitz ist, die Möglichkeit, den Umsatz an dem Sehnsuchtsort massiv zu vergrößern. Die mit der Marke Ironman mit ihren insgesamt 235 Veranstaltungen in mehr als 50 Ländern verbundenen Geschäfte sind gigantisch. 2015 kaufte die chinesische Wanda Sports Group das gesamte Portfolio für sagenhafte 650 Millionen US-Dollar vom US-Finanzinvestor Providence. Vor zwei Jahren griff dann der private Investor Advance zu.

Seitdem bestimmt ein US-Familienunternehmen, das in Medien, Unterhaltung, Technologie, Kommunikation, Bildung und andere Wachstumssektoren investiert, was unter dem Label Ironman passiert. Anfangs machte die Coronakrise den Expansionsplänen einen Strich durch die Rechnung, dafür wird nun umso kräftiger an der Wachstumsschraube gedreht.

Erste Triathleten wollen dieses durchschaubare Spiel nicht mehr mitmachen. Die deutsche Svenja Thoes hat ihre mit den Siegen beim Ironman France und Italy erworbene Teilnahmeberechtigung nicht wahrgenommen. Die 31-Jährige teilte mit: »Die Kosten sind höher, als ich es mir je leisten könnte.« Ein Startverzicht als Statement.

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