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Zeichen stehen auf Rot-Grün

SPD gewinnt die Landtagswahl in Niedersachsen. Grüne und AfD gestärkt. Linke verpasst Einzug klar

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 4 Min.

Die SPD und Ministerpräsident Stephan Weil haben trotz Verlusten die Landtagswahl in Niedersachsen gewonnen und können nun sehr wahrscheinlich mit ihrem Wunschpartner, den Grünen, die nächste Landesregierung bilden. Die Sozialdemokraten kamen laut ARD-Hochrechnung vom frühen Abend auf 33 Prozent, das waren 3,9 Prozentpunkte weniger als 2017.

Die CDU kam bei Verlusten von 5,4 Prozentpunkten mit 28,2 Prozent und damit deutlichem Abstand auf den zweiten Platz – das schlechteste Ergebnis seit 1955. Die Grünen legten zwar deutlich zu und erhielten 14,3 Prozent. Das Ergebnis ist für die Partei aber eine Enttäuschung, noch vor einigen Wochen lag sie in Umfragen bei rund 20 Prozent.

Die extrem rechte AfD verdoppelte ihr Ergebnis und kam auf 11,5 Prozent. Ob die FDP den Wiedereinzug in den Landtag schafft, war zunächst nicht klar – die Partei dümpelte in den Hochrechnungen bei fünf Prozent. Die Linke schmierte mit einem katastrophalen Ergebnis von nur 2,6 Prozent dramatisch ab.

Unabhängig davon, ob die FDP ins Parlament kommt, standen die Zeichen am Sonntagabend klar auf Rot-Grün. Eine rechnerisch ebenfalls mögliche Fortsetzung der Großen Koalition ist äußerst unwahrscheinlich: Beide Parteien hatten sich mehr oder weniger direkt dafür ausgesprochen, das von ihnen so genannte Zweckbündnis nicht fortzusetzen.

Der Erfolg der SPD erklärt sich wohl vor allem aus dem Amtsbonus und der Beliebtheit von Weil. Zwei Drittel der Niedersachsen halten ihn für einen guten Regierungschef. Weil gilt vielen auch außerhalb seiner Partei als Kümmerer und steht für Ausgleich. Seine sachliche, oft spröde wirkende Art kommt an.

Auch bei seiner ersten Rede blieb Weil seiner nüchternen Art treu: »Wir haben gekämpft und wir haben gewonnen«, sagte er. »Die Wählerinnen und Wähler haben der SPD den Regierungsauftrag erteilt, und niemand anderem sonst.«

Weils Herausforderer, CDU-Spitzenkandidat Bernd Althusmann, ist in Niedersachsen deutlich weniger populär. Gerade mal ein Viertel der Befragten hatte vorab in Umfragen erklärt, bei einer Direktwahl für ihn stimmen zu wollen. Althusmann kündigte noch am Abend seinen Rücktritt als CDU-Landesvorsitzender an.

Das gute Abschneiden der SPD – und das schlechte der CDU – ist umso bemerkenswerter, weil landespolitische Themen wie fehlende Krippenplätze, die Zukunft der Förderschulen und die Unterfinanzierung der Universitäten im Wahlkampf gar nicht die zentrale Rolle spielten. Vielmehr hatte die Lage im Bund – und auf der Welt – den Wahlkampf klar dominiert.

Der Urnengang in Niedersachsen war die erste Wahl in Deutschland, seit die Energiekrise infolge des Ukraine-Krieges und die Angst vor wirtschaftlichem Absturz voll zugeschlagen haben. Für die Situation machen viele Bürger*innen die im Bund regierende Ampel-Koalition verantwortlich, ihre Sympathiewerte sind im Keller. Vom Ärger und der Unzufriedenheit mit der Ampel konnten die Christdemokraten jedenfalls nicht profitieren.

Die FDP in Niedersachsen hatte allerdings inhaltlich wenig bis nichts anzubieten. In der Schlussphase des Wahlkampfs fiel Spitzenkandidat Stefan Birkner kaum mehr ein, als vor einem »Linksruck« zu warnen und längere Laufzeiten für die Atomkraftwerke zu fordern, auch das niedersächsische AKW Lingen sollte über den Jahreswechsel hinaus am Netz bleiben. Das schwache Resultat dürfte die Spitze der Freien Demokraten im Bund weiter unter Druck setzen und möglicherweise zu noch mehr Krawall in der Ampel-Koalition provozieren.

Grünen-Politker*innen verwiesen am Wahlabend zwar auf einen Zugewinn von rund sechs Prozentpunkten gegenüber 2017 – und sie sind tatsächlich auch die einzige Ampel-Partei mit einem Stimmenplus. Tatsächlich dürfte die Partei aber enttäuscht sein. Die zuletzt schwindende Zustimmung dürfte neben allgemeinem Ampel-Frust auch an dem rapide sinkenden Stern des vormaligen Superstars Robert Habeck liegen, der als Wirtschaftsminister für Inflation und Chaos in der Energiepolitik zumindest mitverantwortlich gemacht wird.

Besorgnis erregen muss das Ergebnis der AfD. Obwohl der niedersächsische Landesverband seit Jahren von Spaltungen und Intrigen erschüttert ist und die Landtagsfraktion nach heftigen Streitereien auseinander flog, konnte sie offensichtlich von der politischen Großwetterlage profitieren. Nachwahlbefragungen der ARD ergaben, dass jede dritte Stimme eine reine Proteststimme gegen die Bundespolitik war.

Und die Linke? Sie bekam noch viel weniger Stimmen, als zuvor in Umfragen prognostiziert. Die Partei drang im Vorfeld der Wahl mit ihren meist sozialen Themen überhaupt nicht durch, war außerhalb der Großstädte kaum präsent, wurde allerdings auch zumindest von den großen Zeitungen im Bundesland weitgehend ignoriert. Auch die anhaltenden Flügelkämpfe dürften Sympathisant*innen von einem Kreuz bei der Linken abgehalten haben.

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