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Krieg der Sterne in düster und proletarisch
Das neue Serien-Flaggschiff »Andor« ist wohltuend anders als die bisherigen Spin-Offs aus dem Star-Wars-Universum
Als George Lucas vor zehn Jahren die Rechte an den Star-Wars-Filmen an Disney verkaufte, war klar, dass der Unterhaltungskonzern diese global über Jahrzehnte erfolgreiche Produktreihe entsprechend ausschlachten würde. Neben fünf Spielfilmen und mittlerweile vier Serien, die Animationssparte gar nicht mitgerechnet, hat Disney reichlich Star-Wars-Fortführungen und Ableger produziert, nicht zuletzt um Abo-Kunden für seinen Streamingdienst Disney+ zu gewinnen.
Das gilt vor allem für die Serien, deren Qualität hinter Spielfilm-Spin-Offs wie »Rogue One« (2016) und »Solo« (2018) bisher spürbar zurückblieb. Zwar hat »The Mandalorian« (2019) durchaus Kultcharakter, aber die Figur des niedlichen Baby-Yoda hat vor allem als Kuschel-Gegenstand, den es schon bei Lidl im Angebot gab, seinen Weg in diverse Kinderzimmer gefunden. Die Serie »Das Buch von Boba Fett« (2021) dagegen ist ein eher langweiliger Mix aus wiedererkennbaren Star-Wars-Staffagen, mäßiger Tricktechnik und der Reproduktion männlicher Gewaltästhetik – und verärgerte sogar zahlreiche Fans.
Mit der deutlich aufwändiger produzierten Serie »Andor«, die als direkte Konkurrenz zu den teuren Herbst-Großproduktionen »Ringe der Macht« (Amazon) und »House of the Dragon« (HBO) zu sehen ist, will Disney aber jetzt neue Wege gehen und an die Erfolge der Kinofilme anknüpfen. »Andor« erzählt in zwei bereits komplett durchgeplanten Staffeln mit jeweils zwölf Episoden die Jahre vor der Handlung des durchaus gelungenen Kinofilm-Ablegers »Rogue One«.
Im Zentrum der Geschichte steht der Titel gebende Cassian Andor (Diego Luna), der später einmal (in »Rogue One«) die Pläne des Todessterns rauben, den Triumph Luke Skywalkers über Darth Vader im ersten aller Star-Wars-Filme (1977) ermöglichen und bei dieser Geheimdienst-Aktion ums Leben kommen wird. »Andor« erzählt die Vorgeschichte dieser Figur von seinem prekären Überleben auf einem Müll-Planeten, wo Raumschiffteile recycelt werden, wie er von dort flieht und mit der antiimperialen Rebellion in Kontakt kommt, und in Rückblenden geht es auch zurück in seine Kindheit auf einem abgelegenen, von imperialen Bergbaufirmen zerstörten Planeten.
Dabei versucht »Andor« deutlich weniger als andere Star-Wars-Spin-Off-Produkte an die bisherige Ästhetik der Klassiker anzudocken. »Andor« ist mitunter düster, erinnert anfangs ästhetisch eher an »Blade Runner« und an den proletarischen »industrial style« der Science-Fiction-Serie »Expanse«. Bis auf eine kurze Ausnahme gibt es hier in den ersten Episoden keine niedlichen Roboter-Szenen, Cassian Andor ist kein strahlender, moralisch integrer Held, der Fokus liegt eher auf prekärer Industriearbeit und staatlicher Repression und nicht auf Lichtschwerter schwingenden Weltraumrittern.
Ganz anders als sonst bei Star Wars ist auch die Darstellung der imperialen Truppen, gegen die Cassian Andor natürlich nach kurzer Zeit kämpft. Denn hier werden keine gesichtslosen Bösewichte in weißen Blechbüchsen-Uniformen präsentiert, die von den Guten mit stylischen Laserknarren reihenweise niedergeschossen werden, wie das bei dem im Grunde ungemein bellizistischen Kriegsopus Star Wars sonst der Fall ist. Auch die Bösewichte haben in »Andor« eine Biografie. Ein Werkschutzpolizist, der sonst für das Imperium die Drecksarbeit macht, auf Biegen und Brechen eine brutale und repressive Polizeiaktion leitet und sie komplett in den Sand setzt, fährt irgendwann nach Hause in seine Wohnung. Die liegt im untersten Stockwerk gigantischer Gebäudekomplexe einer riesigen Metropole, fast im Keller der Stadt, und an der Wohnungstür begrüßt ihn seine auf ihn wütende Mutter mit einer schallenden Ohrfeige. Aber auch die Rebellen, die hier aus einer an die schottischen Highlands erinnernden Gegend kommen, sind ein kleiner, abgeschotteter, konspirativer Haufen und keine gut gelaunten Wohlfühl-Helden, die alle Mitstreiter mit offenen Armen empfangen, wie das für das sonstige Star-Wars-Universum gilt.
Star Wars ist ja streng genommen keine Science-Fiction, sondern Fantasy. Die ursprüngliche Geschichte dreht sich um zwei verlorene Königskinder (Luke und Leia), die vom schwarzen Ritter (Darth Vader) bedroht werden, während immer wieder die wohlmeinenden Geister Verstorbener auftauchen, Ratschläge fürs Leben geben und kinetische Superkräfte per religiöser Versenkung abgerufen werden können.
»Andor« ist dagegen in den ersten Episoden reine Science-Fiction beziehungsweise eine Space Opera. In »Andor« wird aber auch das Imperium anders inszeniert, unter anderem als Metropole der Reichen und Mächtigen, die auch mal shoppen gehen, und die imperiale Offizierskaste läuft in Uniformen herum, die am ehesten an die Wehrmacht erinnern. Damit setzt »Andor« überraschend substanziell neue Akzente in Disneys Star-Wars-Spin-Off-Industrie.
Die ersten drei Episoden stammen von Regisseur Toby Haynes, der auch für die mehrfach Emmy-prämierte Black-Mirror-Folge »USS Callister« verantwortlich zeichnet.
Verfügbar auf Disney+
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