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Glanzloser Wahlsieg
Am Sonntag wurde Alexander Van der Bellen als Bundespräsident Österreichs bereits im ersten Wahlgang bestätigt
Wahlsieger klingen in Interviews eigentlich anders: Dankbar sei er, erklärte Alexander Van der Bellen in Österreichs öffentlich-rechtlichem Rundfunk, nachdem seine Wiederwahl bereits feststand, »für die Vermeidung der Stichwahl«. Jubel, den gab es in seiner Wahlzentrale zwar auch – aber ebenso in den Zentralen aller Herausforderer. Die im Land vorherrschende Stimmung lässt sich eher mit folgenden Worten beschreiben: Zum Glück ist es vorbei. Das liegt zum einen an den bitteren Erfahrungen mit der vergangenen Wahl vor sechs Jahren, bei der das Ergebnis der zweiten Runde von der rechtsnationalen FPÖ erfolgreich angefochten wurde und wiederholt werden musste. Das liegt vor allem aber auch an einem Wahlkampf, der keiner war.
Der einstige Grünen-Politiker Van der Bellen wurde also für weitere sechs Jahre zum Bundespräsidenten der Republik Österreich gewählt. Das steht bereits unumstößlich fest; amtlich gemacht wird das Ergebnis voraussichtlich am 17. Oktober nach Auszählung aller abgegebenen Stimmen. Ohne die Briefwahlstimmen konnte Amtsinhaber Van der Bellen 54,6 Prozent auf sich vereinen. Das ist zwar ein klarer Sieg. Aber angesichts der Umstände keineswegs ein großartiger. Denn keine andere Parlamentspartei außer der FPÖ hatte einen eigenen Kandidaten ins Rennen geschickt. Viel mehr noch: Alle etablierten Parteien im Nationalrat mit Ausnahme der FPÖ hatten sich hinter Van der Bellen gestellt.
Und so attestieren Beobachter Österreich vor allem eines: eine grundlegende Politikverdrossenheit. So ergab etwa eine Befragung am Wahltag, dass 85 Prozent der Wahlberechtigten von der aktuellen Politik enttäuscht oder über diese verärgert sind. 60 Prozent sagen laut dieser Erhebung zudem, der Bundespräsident solle sich mehr in die Tagespolitik einmischen – was laut Verfassung aber nicht dessen Aufgabe ist. Denn gemäß Grundgesetz ist der Präsident in Österreich nicht mehr als ein Zeremonienmeister mit beschränkten Befugnissen und keinerlei tagespolitischen Aufgaben.
Van der Bellen nannte das Ergebnis dieser Befragung denn auch »absolut alarmierend«. Und der Politologe Peter Filzmaier zog in den Medien folgendermaßen Bilanz: Er habe es bei einigen Kandidaten nach gründlichen Beobachtungen aufgegeben, deren Ambitionen nachvollziehen zu wollen. Er sei schließlich Politikwissenschafter und kein Gehirnchirurg.
Eine echte Wahl setzt das Vorhandensein einer Alternative voraus. Und es sind eben vor allem die in den Ring getretenen Alternativen zu Van der Bellen, die seine 54 Prozent und eine Wahlbeteiligung von nur 65 Prozent letztlich eher als politisches Alarmsignal denn als Sieg erscheinen lassen.
Walter Rosenkranz, Kandidat der FPÖ, erhielt bei dieser Bundespräsidentenwahl 19,9 Prozent und ist damit hinter den eigenen Erwartungen zurückgeblieben. Gerald Grosz hingegen, ein an den verschwörungstheoretischen Rand schrammender Videoblogger und ehemaliger FPÖ- und BZÖ-Politiker, holte knapp sechs Prozent. Er bewertete das als riesigen Erfolg. An und für sich wolle er aber in die Stichwahl. Mit von der Partie war auch der gleichermaßen mit den Themen Asyl, Russland und Energiepolitik sowie mit falschen Zahlen jonglierende Boulevard-Journalist Tassilo Wallentin – immerhin 8,3 Prozent der Wähler machten bei ihm ihr Kreuz. Nach der Wahl versteckte er sich dennoch erst einmal vor der Presse. Im Rennen war auch Michael Brunner, der Chef der Impfgegner-Partei MFG (Menschen – Freiheit – Grundrechte), der 2,7 Prozent erhielt. Brunner hatte sich weitaus mehr ausgerechnet. Und da waren der Bio-Schuhhersteller Heinrich Staudinger, der sich im Wahlkampf mehr oder weniger offen als Aluhut-Träger outete (1,5 Prozent) sowie schließlich der eigentlich sehr ernsthaft auftretende Dominik Wlazny, Musik-Kabarettist und Chef der Bierpartei (8,2 Prozent).
Das Ergebnis Van der Bellens bedeutet, lobt Politikwissenschafter Filzmaier, dass sich nur knapp ein Drittel der Wähler für einen unabhängigen Kandidaten ausgesprochen hat. Man könnte es aber auch so sehen: Das völlig abseits jeder Realität argumentierende Lager in Österreich hat gegen die etablierte Politik knapp 30 Prozent geholt. Bei einer Wahlbeteiligung von 65 Prozent sind bei alledem die nicht berücksichtigt, die es aus welchem Grund auch immer vorgezogen haben, bei dieser Bundespräsidentenwahl gar nicht erst wählen zu gehen.
Als eine durchaus positive Überraschung dieser Wahl kann Dominik Wlazny gelten. Der unter dem Namen Marco Pogo auftretende Kabarettist, der sich als Chef der Bierpartei um das höchste Staatsamt in Österreich bewarb, stach aus dem Feld der Herausforderer deutlich heraus. Wlazny war unter diesen letztlich der Einzige, der in den Debatten während des Wahlkampfes sachlich blieb, politische Themen aufbrachte und mit Argumenten für seine Positionen warb. Dass er aus dem Stand und ohne Parteiapparat knapp neun Prozent holte, ist eine echte Überraschung – und zugleich ebenfalls ein Indiz für den Frust in der Bevölkerung. Ein weiteres politisches Engagement will Wlazny, dessen Bierpartei auch einige Bezirksräte in der Hauptstadt Wien stellt, nach seinem Achtungserfolg ausdrücklich nicht ausschließen.
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