Österreichs Skurrilitätenkabinett

Die Kandidaten bei der Bundespräsidentenwahl boten eine seltsame Mischung aus rechtem Denken und Esoterik, kommentiert Natascha Strobl

  • Natascha Strobl
  • Lesedauer: 3 Min.

Stellen Sie sich vor, es gibt die Wahl zum höchsten Amt im Staate. Stellen Sie sich zudem vor, von sieben Kandidaten ist der irrlichternde Esoteriker die drittbeste Option. Dann sind Sie in Österreich. Und doch gibt es Anlass zu leiser Hoffnung.

Gleich vorweg: Die Wahl zum Bundespräsidenten, die am Sonntag in Österreich stattfand, ist entschieden und gleich im ersten Wahlgang konnte der grüne Amtsinhaber Alexander Van der Bellen eine absolute Mehrheit auf sich vereinen. Auch dank eines sehr starken Ergebnisses in der Hauptstadt Wien. Er wurde dabei von allen Parlamentsparteien außer der FPÖ unterstützt. Die Konservativen und die mit ihnen koalierenden Grünen riefen genauso zur Wahl für Van der Bellen auf wie die sich in Opposition befindlichen Sozialdemokrat*innen und Liberalen. Es hat für knapp unter 60 Prozent gereicht. Immerhin. Solide.

Natascha Strobl
Natascha Strobl ist Politikwissenschaftlerin und Autorin aus Wien. Auf Twitter schreibt sie Ad Hoc-Analysen zu rechtsextremer Sprache und faschistischen Ideologien, für »nd« schreibt sie die monatliche Kolumne »Rechte Umtriebe«. Darin widmet sie sich der Neuen und Alten Rechten und allem, was sich rechts der sogenannten Mitte rumtreibt. Alle Texte auf dasnd.de/umtriebe.

Eine zweite gute Nachricht gleich hinterher: der Arzt und Punkrocker (ja) Dominik Wlazny von der Bierpartei (ja) hat den dritten Platz (in Wien sogar den zweiten) errungen. Das ist insofern beachtlich, weil er damit der stärkste der Kandidaten (es sind nur Männer gewesen) ohne große Partei oder Boulevard-Medium im Rücken ist. Zweiter, mit Respektabstand zu Van der Bellen, wurde der FPÖ-Kandidat Walter Rosenkranz. Wer meint, dass diese Konstellation schon skurril ist, der kann hier aufhören zu lesen.

Denn das Feld hinter Wlazny ist eine Mischung aus verschiedenen Nuancen extrem rechten Denkens. Plus der irrlichternde Esoteriker Heinrich Staudinger. Dieser versteht sich selbst sicherlich als alternativ-ökologisch. Er betreibt eine Schuhfabrik im strukturschwachen Waldviertel und predigt die Einheit von Mensch und Natur. Und er versteht sich blendend mit Ken Jebsen, der lange beim RBB moderierte und heute als Verschwörungsideologe bekannt ist, oder stellt aus Provokation Hitler-Zitate auf die Homepage seiner Schuhfabrik. Er glaubt auch, dass der US-Geheimdienst CIA hinter der Metoo-Bewegung steckt. Und er hat einiges zu den Corona-Maßnahmen zu sagen, das nicht besonders weit entfernt ist von einem weiteren Kandidaten.

Das wäre Michael Brunner, Chef der Schwurbler-Partei MFG (Österreich Menschen – Freiheit – Grundrechte). Die Programmatik ist hier wohl klar. Dabei muss gesagt werden, dass diese beiden Kandidaten das Schlusslicht bei den Wähler*innen bildeten. Es gibt dazwischen aber noch zwei weitere rechte Schattierungen: einerseits den früheren FPÖ/BZÖ-Strategen und nunmehrigen Influencer Gerald Grosz, der in Sachen Sendungsbewusstsein sicherlich auf Rang eins liegt. Und der sich selbst am besten findende Rechtsanwalt Tassilo Wallentin, der durch eine Kolumne in der »Kronen Zeitung« berühmt wurde, die bekanntermaßen ein gewichtiger politischer Machtfaktor ist.

Es sagt einiges aus, dass just diese Kandidaten sich berufen fühlen, für das höchste Amt im Staat zu kandidieren. Man kann das als skurrile Randnote abtun (was nicht vollständig unrichtig wäre). Gleichzeitig zeigen sich Potenziale gerade für Wallentin, der nicht nur von FPÖ-Wähler*innen Stimmen bekommen hat, sondern auch von ÖVP-Wähler*innen und, mit Abstrichen, den Liberalen. Es zeigen sich aber auch Potenziale für eine Kandidatur wie jene von Dominik Wlazny, der beruflich als »Marco Pogo« berühmt wurde, also als Punkrocker und nicht als Arzt. Dieser hat in den Diskussionen der sechs Herausforder Van der Bellens grundvernünftige Ansichten vertreten, die nur radikal im Kontrast mit den anderen wirkten. Der Amtsinhaber nahm sich übrigens nobel aus den Diskussionen aus. Wlazny konnte im grünen und liberalen, sprich jungen Wähler*innensegment wildern und Achtungsergebnisse erzielen. Es ist also vielleicht nicht alles verloren. In einem Land wie Österreich lernt man, bescheiden zu werden.

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