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Funktionierender Wasserkreislauf
Trotz zunehmender Dürren in Südasien floriert die Landwirtschaft in Bangladesch – dank Bewässerung aus Brunnen in der Trockenzeit
Schätzungsweise eine Milliarde Menschen allein in Südasien leben direkt von der Landwirtschaft. Ob Indien, Pakistan, Nepal, Sri Lanka, Bangladesch oder Bhutan – überall dominieren klein- und sogar kleinstbäuerliche Strukturen. Doch Landwirtschaft, die wiederum die Ernährungsgrundlage für alle Menschen einer Region sichert, braucht vor allem eines: ausreichend Wasser zur richtigen Zeit. Gerade dies war auf dem Subkontinent schon immer nicht ganz einfach. In Zeiten des fortschreitenden Klimawandels spitzen sich die Probleme weiter zu. Das kostbare Nass wird über lange Strecken zur Mangelware, nicht nur generell, sondern auch im Agrarsektor.
Doch es gibt in Südasien Gegenden, wo Wasserkreisläufe zur Sicherung landwirtschaftlicher Produktion rund ums Jahr bestens funktionieren. Schon in den 1970er Jahren war erstmals von »Bengalens Wassermaschine« (BWM) die Rede. Ein wissenschaftliches Autorenteam hat diesen gigantischen Mechanismus in der Tiefebene von Bangladesch, bei dem die Felder in der Trockenzeit mit Grundwasser aus Brunnen bewässert und die unterirdischen Reservoire im Monsun vom Regen wieder aufgefüllt werden, quantitativ untersucht. Die Ergebnisse wurden jüngst im Wissenschaftsjournal »Science« veröffentlicht.
Die bengalische Tiefebene, meist nur wenig über und stellenweise sogar unter dem Meeresspiegel liegend, ist durchzogen von den Hauptströmen Ganges und Brahmaputra, die sich dort letztlich vereinen sowie einem ganzen Netzwerk von kleineren Zuflüssen und Nebenarmen. Trotzdem gibt es gerade im späten Frühjahr, kulminierend im April und Mai, einen generellen Wassermangel durch fehlende Niederschläge, die erst wieder im Juni mit dem jährlichen Monsun einsetzen.
Um trotzdem an Wasser zu kommen, damit sie ihre Äcker bewässern können, brauchen die etwa 16 Millionen Bauernfamilien in diesem Gebiet aber weder in mehrfacher Hinsicht fragwürdige Staudämme noch etwa ein extrem teures Kanalsystem, wie es als Idee für Nordindien immer wieder diskutiert wird. Sie fördern ganz einfach Grundwasser aus Brunnen, die in der Regel bis zu 100 Meter tief reichen. Das Wissenschaftsteam hat die aus 24 bis 54 (im Schnitt 43) Jahren stammenden Daten von 465 Stellen ausgewertet. Es ist die bisher umfangreichste Analyse dieser Art, die nicht nur auf Modellrechnungen, sondern auf Messdaten basiert.
Erinnert wird in der Studie, dass Bangladesch, das mit seinem Staatsgebiet den größten Teil der Tiefebene einnimmt, zu etwa 50 Prozent aus landwirtschaftlich bewirtschafteten Flächen besteht – davon werden derzeit an die 80 Prozent auf diese Weise mit Grundwasser bewässert. Während es zuletzt noch 1972, 1992 und 1994 verheerende Dürren gab, die massive Ernteeinbrüche mit sich brachten, habe ab Mitte der 90er Jahre das ausgeklügelte System der Grundwassernutzung an Perfektion gewonnen.
Inzwischen werden dort, wo früher in aller Regel nur eine Ernte pro Jahr möglich war, im Schnitt zwei, manchmal sogar drei Ernten eingefahren. Das habe Bangladesch zum global viertgrößten Reisproduzenten gemacht. Gerade dieses Hauptnahrungsmittel weiter Teile Asiens braucht beim Ausbringen der Jungpflanzen auf den Feldern und in der Wachstumsphase unbedingt »nasse Füße«. Wenn in den Trockenzeiten Niederschläge nicht dafür sorgen können, ist es in diesem Fall Grundwasser.
Die gesammelten Daten belegen, dass noch in den 1970er und 1980er Jahren, bevor das System im großen Stil um sich griff, der Grundwasserpegel im April und Mai relativ stabil blieb. 1975 sei mit der Anlage der ersten Brunnen begonnen worden, deren Zahl im Zeitraum 2011 bis 2015 schließlich auf einen Rekordwert von 1,5 Millionen stieg. Dass zuletzt 2017 bis 2019 ein Rückgang um rund ein Zehntel zu verzeichnen sei, führt das Wissenschaftsteam auf punktuell zu starke Entnahmen zurück, die nicht ausreichend durch Monsunrückflüsse ins Grundwasser zu kompensieren waren. Generell funktioniere der Kreislauf und das Wiederauffüllen in der Regenzeit aber sehr gut – es könne zum Ableiten von Starkregen in tiefere Schichten sogar von Vorteil sein, wenn die Grundwasserpegel vorab durch die Förderung abgesenkt seien.
Was Bangladeschs Landwirte seit Jahrzehnten jeweils für sich praktizieren, ist in der Summe wahrhaft gigantisch. Allein in den 30 Jahren zwischen 1988 und 2018 konnten auf diese Weise 75 bis 90 Millionen Kubikkilometer Frischwasser gefördert und genutzt werden. »Ein Volumen, das zweimal dem Fassungsvermögen des Drei-Schluchten-Staudamms (China) oder des Hoover-Damms (USA) entspricht«, wie die Autoren schreiben, um die Dimension zu verdeutlichen. Dass die bäuerlichen Gemeinschaften in Bangladesch mit ihrer Produktion damit auch in Zeiten weiter fortschreitenden Klimawandels resilient sind, ist nicht nur für dieses Gebiet eine Hoffnung stiftende Erkenntnis aus den Untersuchungen. Darüber hinaus lasse sich dieses erprobte Vorbild auf vergleichbare Regionen übertragen – insbesondere in der Ganges-Tiefebene Nordindiens und Nepals könnten die Lebensbedingungen von Millionen Menschen verbessert werden, wenn dort ebenfalls im großen Stil Grundwasserbrunnen installiert würden. Allerdings brauche es auch ein längerfristiges Monitoring, wird angemahnt.
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