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Von Grund auf schweigsam
Untersuchungen zur Sabotage an den beiden Nord-Stream-Pipelines laufen, aber nicht öffentlich
Am 26. September hatten bislang Unbekannte nahe der dänischen Ostsee-Insel Bornholm insgesamt vier Lecks in die Nord-Stream-Pipelines gesprengt. Obgleich durch Nord Stream 1 nur noch wenig russisches Gas nach Deutschland sowie in weitere EU-Staaten strömte und Nord Stream 2 nie in Betrieb gegangen ist, sei am Meeresgrund eine schwere Attacke auf die Energieversorgung verübt worden, stellte die Bundesanwaltschaft unmittelbar nach den Anschlägen fest.
In Karlsruhe sprach man von »verfassungsfeindlicher Sabotage« und übernahm die Federführung der deutschen Ermittlungen. Russland blieb, obwohl die Generalstaatsanwaltschaft seit dem 28. September wegen Terrorismusverdachts ermittelt, von vornherein ausgeschlossen. Wohl aber wollten sich die deutschen Ermittler mit ihren Kollegen aus Schweden und Dänemark zusammentun.
Doch daraus wird nichts. Zwar hielt Schwedens Sicherheitspolizei – die Sipo ist mit dem deutschen Bundeskriminalamt (BKA) vergleichbar – »das, was in der Ostsee passiert ist, für sehr ernst«. Man betonte, dass die Tatortarbeit in der schwedischen Wirtschaftszone, die mit Unterstützung der Küstenwache und der Streitkräfte durchführt wurde, »sehr gut funktioniert« habe. Die Sipo bestätigte, dass man sogar einige Materialstücke vom Meeresboden hochgeholt habe. Doch das war es dann. Schweden verabschiedete sich vom geplanten dreinationalen Joint Investigation Team, noch ehe dieses seine Arbeit begonnen hat.
Wie Schweden hatte auch Dänemark zunächst die vom Gasaustritt betroffenen Seegebiete vor der Insel Bornholm für die allgemeine Schifffahrt gesperrt. Umgehend wurden die Fregatte »Absalon«, das Offshore-Arbeitsschiff »Assister« sowie die »Gunnar Thorson« zur Untersuchung der Umweltfolgen in die Region entsandt. Man wolle, so hieß es in Kopenhagen, sich mit allen von dem »eklatanten und unverantwortlichen Angriff auf die kritische zivile Infrastruktur« Betroffenen austauschen.
Doch plötzlich ergaben sich unüberwindbare Probleme. In der Ostsee verklappte Munition aus dem Zweiten Weltkrieg mache Untersuchungen sehr, sehr schwer, behauptete der Chef des dänischen Verteidigungsministeriums Morten Bedskov.
Und was hat Deutschland bislang getan? Die Bundesanwaltschaft beauftragte das BKA, dieses die Bundespolizei, und die stellte ein Amtshilfeersuchen an das Verteidigungsministerium. Doch die deutsche Marine hatte da schon längst das Minenjagdboot »Dillingen« an den Tatort entsandt.
Kurz darauf folgte die »Mittelgrund«. Die gehört zur Wehrtechnischen Dienststelle 71 in Eckernförde, das ist eine Art Forschungs- und Erprobungsanstalt der Bundeswehr. An Bord waren Taucher und Sprengstoffexperten der Bundespolizei, hörte man und auch, dass die nicht zum Einsatz kamen, weil sie nicht die nötige Ausrüstung für einen Tauchgang bis auf eine Tiefe von 70 Metern dabeihatten. Man wundert sich. So muss sich der Generalbundesanwalt nun mit dem begnügen, das eine Unterwasserdrohne der Marine dokumentierte.
Und was erfährt die Öffentlichkeit? Die »technische Komplexität forensischer Untersuchung« würde nach Bewertung des militärischen Nachrichtenwesens der Bundeswehr »nahezu sicher keine kurzfristigen, belastbaren Aussagen« zur Urheberschaft der Anschläge zulassen. Das teilte das zuständige, vom Grünen-Minister Robert Habeck geführte Wirtschaftsministerium mit.
Gefragt hatte die Linke-Obfrau im Verteidigungsausschuss, Żaklin Nastić. Man beschied ihr, sie solle in Sachen Nord-Stream-Anschlag besser nicht auf eine Antwort warten. Die erteile man aus »Gründen des Staatswohls« nicht. Die Regierung werde nicht gegen die »Third-Party-Rule« verstoßen.
Was besagt die? Alles, was deutsche Behörden vertraulich von ausländischen Diensten erfahren, bleibt geheim. Andernfalls wäre die wechselseitige Vertrauensgrundlage gefährdet, was »eine schwere Beeinträchtigung der Teilhabe der Nachrichtendienste des Bundes am internationalen Erkenntnisaustausch zur Folge« hätte.
Auf eine ähnliche Anfrage der Linke-Abgeordneten Sahra Wagenknecht teilte das Habeck-Ministerium kurz darauf mit, dass es bisher nicht möglich sei, Untersuchungen vor Ort anzustellen. Deshalb liegen der Bundesregierung auch keine belastbaren Informationen zu den möglichen Ursachen des Angriffs vor.
Mag sein, dass man derzeit noch wenig weiß. Doch was man weiß, reicht aus, um die Nato zu aktivieren. Das Bündnis hat über 30 Schiffe in die Nord- und Ostsee beordert. Sie werden aus der Luft sowie von Kräften unter Wasser unterstützt. Die Informationen aus dem Hauptquartier in Brüssel sind zwar bescheiden, doch sie zeigen: Nach den Anschlägen auf Nord Stream sorgt man sich mehr als bislang um zahlreiche essenzielle Nachrichten- und Stromkabel.
Nicht minder gefährdet sind das Baltic-Pipe-Gas-Projekt – es verbindet Norwegen, Dänemark und Polen – sowie die zwei Euro-Pipe-Stränge, die norwegisches Gas nach Norddeutschland leiten.
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