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- Schwimmen in Serbien
Stille Strenge im Otvoreni bazen
Die nd-Kolumne "Über Wasser" wirft den Blick in ein Schwimmbad in Belgrad
Belgrad im Februar 2019. Die Frau trägt Badeanzug, Badekappe und Schwimmbrille, ihre Haut ist runzlig und voller Altersflecken. Das Wasser reicht ihr bis an die Schultern, und sie schaut ernst in die Kamera. Das Schwarzweißfoto hängt neben einem vergilbten Schild mit der Aufschrift „otvoreni bazen» – öffentliches Schwimmbad, wie es im Serbokroatischen heißt.
Anne Hahn ist Autorin von Romanen und Sachbüchern und schwimmt für »nd« durch die Gewässer der Welt. Alle Texte auf dasnd.de/ueberwasser
Erst nach mehrfachem Umkreisen der Häuser am Park Tašmajdan fand ich den Eingang; eine Glastür führt ins niedrige Foyer: Linoleum, Türen, keine Kasse. Am anderen Ende aber bietet ein Schaufenster den Blick auf die Schwimmhalle nebst Sitztribüne und 50-Meter-Bahn. Ein Sprungturm über sich tummelnden Schulklassen. Ich suche das Treppenhaus, finde tief unten einen Gang, aus dem es schallt. Es riecht nach Desinfektionsmittel, das Kreischen verstärkt sich. Eine Trillerpfeife.
Ich öffne eine Holzschwingtür, stelle mich an den Tresen und wünsche „Guten Tag!». Eine ebenso mürrische Frau wie auf dem Foto legt mir einen Bügel hin und nennt den Preis (umgerechnet 1,20 Euro). Gegenüber vom Tresen kommt ein Mann aus einem Verschlag, hat Jacke und Hose auf den Bügel gehängt, gibt alles ab, die Schuhe per Hand. Er trägt Badehose und Badelatschen, mustert mich. Ich verschwinde schnell in der nächsten Kabine. Sie ist komplett mit Edding verziert: Geschlechtsteile, Frauennamen, Herzen und die beiden Fußballvereine der Stadt. Auch das Guckloch zur Nachbarkabine fehlt natürlich nicht. Umziehen, zahlen, Kleider abgeben, mit Handtuch und Schwimmbrille in den Durchgang zur Schwimmhalle.
Gemeinschaftsduschen in Badebekleidung ist angesagt, zwei Männer seifen sich ein, vor den Duschen ein Desinfektionsbad, ich schlurfe durch, dusche und betrete die Halle. Kein Kunstlicht, schummriges Februargrau scheint von der Kirche des Heiligen Markus über das Eishockeystadion bis in unser Becken. Die Leitern sind massiv verbaut, ich klettere hinunter und schaue zu den Jugendlichen, die am kurzen Beckenende auf Pfiff vom Dreier kopfspringen. Ein paar Mädchen klammern sich theatralisch aneinander, die Jungs posieren.
Zwei Handvoll Menschen aller Altersklassen sind im Becken, die 50-Meter-Bahn wird dann doch meist quer durchschwommen. Nur wenige halten auf den Dreimeterturm zu, wenden kurz davor und nehmen danach den Kampf mit den langsameren Querschwimmern auf. Ich entschließe mich für die kurze Bahn, abwechselnd Brust und Rücken, immer Obacht auf Längsschwimmer. Nach einer halben Stunde Pause. Ich suche und finde die obligatorische Landesfahne am Fenster, ein etwas blasses Exemplar.
Die Jugendlichen sind fertig. Es wird kurz ruhig im Bad, bis ein am Tribünenrand entlangschleichender Asiate mit Rucksack vom Bademeister angepfiffen wird. Der Mann lässt sofort seinen Rucksack auf einen der Plastiksitze fallen und steigt ins Becken, während ein serbischer Sprachschwall auf ihn niederregnet. Er antwortet nur: „Thanks!», woraufhin der Bademeister verblüfft schweigt und abmarschiert. Der Rest von uns schwimmt still weiter kreuz und quer.
Später streife ich durch die Gänge und suche einen Föhn, draußen sind schließlich nur sechs Grad. Geräuschen folgend finde ich im Eingangsbereich hinter einem Schrank voller Pokale schließlich einen fensterlosen Raum mit drei Föhnen an der Wand. Gegenüber stehen Spinde mit Rostblasen und kleinen Schraubschildern „Partizan Waterpolo». Übermorgen steigt hier das Belgrader Derby der Wasserballer von Partizan und Roter Stern. Ich werde dabei sein, hoffe ich. Aber ich salutiere lieber noch mal vor der strengen Dame am Ausgang.
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