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Falsche Zeichen in Sölden und ein wildes Abenteuer am Matterhorn
Nachhaltigkeit ist trotz Klimawandel und Energiekrise kein Thema für den Weltverband
Das Ötztal hat sich in den vergangenen Tagen wieder einmal von seiner schönsten Seite präsentiert. Unten im Tal herrschten fast noch spätsommerliche Temperaturen, ideal für Radtouren und Wanderungen. Die kalte Jahreszeit, so schien es, ist noch weit entfernt, auch wenn für das kommende Wochenende schlechteres Wetter vorhergesagt wird.
Knapp 1500 Meter weiter oben am Rettenbachgletscher, sieht es schon anders aus. Ein Hauch von Winter zum Auftakt der alpinen Skisaison. Die Piste für den Riesenslalom der Frauen an diesem Sonnabend und den der Männer am Sonntag ist perfekt präpariert – dank einiger kalter Nächte Anfang Oktober und einer modernen Beschneiungsanlage. Kunstschnee zu produzieren, war Umweltschützern zwar schon immer ein Dorn im Auge, aber in Österreich sieht man dies etwas gelassener. Skifahren ist eben wichtig für den Tourismus im Land der Berge.
Aber: Jetzt geht es nicht mehr nur ums Klima, sondern eben auch um die knappen Energieressourcen und die hohen Kosten. In den Skigebieten wird darüber nachgedacht, Betriebszeiten der Liftanlagen einzuschränken, Sitzheizungen abzudrehen und Nachtskilauf-Angebote komplett einzustellen.
Auch im Weltcup stellt sich die Frage, ob man einfach so weitermachen kann wie bisher, sich die Veranstalter die energieintensive Beschneiung leisten können oder Flutlichtrennen noch in die Zeit passen. Es sei problematisch, wenn Privathaushalte zum Wasser- und Stromsparen angehalten werden, aber nebenan Wettbewerbe vorbereitet und durchgeführt würden, hatte der Generalsekretär des Internationalen Skiverbandes Fis, Michel Vion, im September beim Forum Nordicum zugegeben.
Problem erkannt, aber was trägt der Weltverband dazu bei? Im Moment nichts, im Gegenteil: Es stehen in diesem Weltcup-Winter noch mehr Rennen auf dem Programm, und damit sind auch mehr Reisen verbunden. Die Männer müssen zweimal nach Nordamerika, statt wie bisher üblich nur einmal. Und dann ist da die neu konzipierte Abfahrt am Matterhorn. Dort sind für die Männer Ende Oktober und die Frauen Anfang November jeweils zwei Rennen geplant. Ob sie stattfinden können, ist fraglich: kein Schnee im unteren Teil und zu warm fürs Beschneien.
Die Abfahrt mit dem Start auf knapp 4000 Metern in der Schweiz und dem Ziel knapp 900 Meter tiefer in Italien vor dem Panorama des Matterhorns ist spektakulär, ohne Zweifel. »Aber man muss sich schon fragen, ob das sein muss«, meint Thomas Dreßen, Kitzbühel-Sieger von 2018, der nach fast zweijähriger Verletzungspause vor seinem Comeback steht. Und er findet, dass dies nicht sein muss, schon gar nicht Ende Oktober, einen Monat, bevor die Abfahrer bislang in die Saison gestartet waren. Doch »wir Athleten werden ja nicht gefragt, was wir davon halten«, so der 28-Jährige vom SC Mittenwald. Noch deutlicher formuliert es der Alpindirektor im Deutschen Skiverband, Wolfgang Maier: »Es ist das falsche Zeichen.«
Davon gibt es viele bei der Fis. Präsident Johan Eliasch hatte sich bei seiner Wahl im Sommer 2021 als Reformer präsentiert – und sich damit die Unterstützung vieler großer Verbände gesichert. Aber die schwand schnell, nicht nur wegen seines autokratischen Führungsstils. Wie er den Skisport attraktiver, innovativer und auch nachhaltiger machen will, sorgt für Kopfschütteln: Weltcups in Skihallen in Dubai und China sowie Sommerrennen in Südamerika stellte er in Aussicht. Und die neue Abfahrt am Matterhorn finden eigentlich nur die Schweizer gut. »Wir müssen zu Abenteurern werden, uns von der Masse abheben«, sagte Eliasch jüngst der Schweizer Tageszeitung »Nouvelliste«.
Dem ehemaligen Vorstandschef der Skifirma Head, dessen Besitzer Eliasch noch immer ist, geht es um Gewinnmaximierung, die Erschließung neuer Märkte, höhere Fernseh- und Sponsorengelder. Mit der von ihm angekündigten Nachhaltigkeit hat das wenig zu tun. Zwar betonen die Schweizer Ausrichter des Rennens, sie hätten die Natur respektiert, keine neuen Anlagen gebaut, keine Bäume gefällt, weil bereits eine Piste für Touristen vorhanden gewesen sei. Aber es kursierten auch Fotos, auf denen Bagger und schwere Geräte auf der im Bau befindlichen Strecke zu sehen waren. Für den Chef des Organisationskomitees, Franz Julen, bringt das Projekt jene »innovativen Ideen, auf die der Skisport dringend angewiesen ist«.
Das jedoch bezweifelt Maier. Er findet, die Fis sollte lieber »die einzelnen Events aufmöbeln, alle auf so einen hohen Standard wie Kitzbühel, Schladming, Adelboden oder Wengen zu bringen«, statt für noch mehr Reisen zu sorgen. Die, ließ Eliasch wissen, würden durch die neue Abfahrtsstrecke in der Saisonvorbereitung, ein bisschen weniger werden. »Das wäre eine Chance, um Reisen zum Beispiel zu Trainingslagern nach Südamerika zu vermeiden. Ein gutes Beispiel, um unseren CO2-Fußbabdruck zu verringern«, sagte er vor einem Jahr in Sölden.
In diesem Sommer musste der Zermatter Gletscher, der einzige, der den Teams ohnehin zur Verfügung stand, allerdings gesperrt werden. Der nun auch in den nächsten Jahren bereits für Ende Oktober geplante Start der Abfahrer am Matterhorn hat zur Folge, dass Trainingscamps in Südamerika künftig alternativlos sind, um Ende Oktober bereits in Topform zu sein. Durch den früheren Saisonstart werde man »dazu getrieben, dass wir auch im Sommer Skifahren«, findet Dreßen. Auf der anderen Seite der Erdhalbkugel.
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