- Politik
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Gerechtigkeitskämpferin
Die Iranerin Gohar Eshghi legt vor laufender Kamera ihr Kopftuch ab und ruft zu Protesten auf
Gohar Eshghi sitzt ruhig vor der Kamera, sie trägt ein schwarzes Kopftuch, im Schoß hält sie ein Porträt ihres Sohnes und sagt: »Für unsere jungen Leute und wegen der Morde im Namen der Religion nehme ich nach fast 80 Jahren meinen Hijab ab. An diejenigen, die aus Angst zu Hause bleiben und meine Stimme hören: Kommt auf die Straße!« Seit Tagen sorgte dieses Statement einer kraftvollen alten Frau aus dem religiösen iranischen Milieu in den sozialen Netzwerken für Gesprächsstoff. Eine offizielle Reaktion der Regierung in Teheran ist bisher nicht bekannt.
Eshghi, die aus ärmlichen Verhältnissen im Nordosten des Landes stammt, wurde 2012 zu einer bekannten Figur des Widerstandes gegen die Diktatur im Iran. Damals wurde ihr Sohn Sattar Beheshti, ein Arbeiter und Blogger, unter Folter im Gefängnis ermordet, nachdem er sich auf seinem Blog gegen die politische Macht im Iran geäußert hatte. Doch die 75-Jährige hat sich nie mit der Version staatlicher Stellen über seinen Tod abgefunden und immer betont: »Der Staat lügt.« Sie hat die Aufklärung über seine Ermordung zu einem medialen Thema gemacht, als viele Menschen im Iran über die Hinrichtung ihrer Kinder durch den iranischen Staat geschwiegen haben. So wurde sie zu einer der lautesten Stimmen der Mütter auf der Suche nach Gerechtigkeit, die über die staatliche Ermordung ihrer Kinder in den Gefängnissen und auf den Straßen aufklären. Die Initiative geht auf die Mütter von Khavaran zurück, die sich anlässlich der Massenexekutionen der 80er Jahre im Iran zusammengefunden hatten.
Gohar Eshghi hat sich seither immer wieder zur politischen Situation im Iran geäußert und sich mit anderen Betroffenen vereint. Damit hat sie auch sich selbst in große Gefahr gebracht. Sie wurde schon einmal festgenommen und auf der Straße von Beamten im Gesicht blutig geschlagen. Trotzdem hat sie nie aufgehört, ihre Stimme zu erheben: »Ich bin die Mutter von Sattar, ich fürchte mich vor nichts«, sagte sie einmal. Für viele Protestierende heute ist sie eine Ermutigung.
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