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Schweres Erbe
Ohne Gründer Dietrich Mateschitz blickt RB Leipzig in eine ungewisse Zukunft
Dietrich Mateschitz blieb in der Öffentlichkeit gern im Hintergrund, hielt die Zügel aber intern fest in den Händen. So handhabte das der am vergangenen Sonnabend verstorbene Gründer von Red Bull zu Lebzeiten. Und so verfügte er es auch über seinen Tod hinaus. Per Brief hinterlegte er den Wunsch, dass bei den von ihm installierten Fußballklubs Red Bull Salzburg und RasenBallsport Leipzig keine Klubtrauer ausbrechen möge und die Vereinsfahnen nicht auf Halbmast hängen sollen. Stattdessen soll seiner vor Anpfiff durch eine Minute des Erinnerns mit Applaus gedacht werden.
Eine Schweigeminute wie im Fußball üblich und Trauerflor an den Oberarmen der Spieler soll es beim Champions-League-Spiel zwischen den Leipzigern und Real Madrid an diesem Dienstagabend ausdrücklich nicht geben. Es passt zu Mateschitz, dass er es selbst in den Händen behalten wollte, wie dieser Moment ablaufen soll. Dass zu seinem »Abschied« das Starensemble der »Königlichen« zu Gast in der einstigen Fußballdiaspora Leipzig ist, die er 2009 als Ort für seine Unternehmung auserkor, einen europäischen Spitzenklub zu etablieren, hat durchaus etwas Symbolisches.
Der Multimilliardär mit einem geschätzten Vermögen von 27,8 Milliarden Euro soll 2008 und 2009 mit dem Motorrad in Leipzig unterwegs gewesen sein, um sich vor Ort davon überzeugen, ob die Messestadt der richtige Standort ist. »Ich ging mit meinen Motorradklamotten in Cafés und auch zu anderen Plätzen. Keiner erkannte mich, wie auch, ich sah aus wie ein Easy Rider«, erzählte er einmal. »Ich hatte nun einmal die Schnapsidee«, sagte er. Die setzte er gegen alle Widerstände und Anfeindungen durch.
Selbst trat er seit 2009 nur bei einer Handvoll Stadionbesuchen öffentlich in Erscheinung. Der Motorsportfan flog dann meist mit dem Privatjet ein, saß in Motorradjacke auf der Tribüne, ließ sich bisweilen kurz in der Kabine blicken und düste wieder davon. Seine wichtigste strategische Entscheidung als Investor war es, den Klubarchitekten Ralf Rangnick 2012 persönlich von einem Engagement bei den RB-Klubs zu überzeugen.
Nur ein einziges Mal meldete sich Mateschitz öffentlich mit einer konkreten Agenda zu Wort, als er im Zuge der Lizenzierung für die 2. Bundesliga via »Leipziger Volkszeitung« drohte, dass er die Baugrube am Cottaweg, wo gerade das Trainingszentrum geplant wurde, auch einfach wieder zuschütten und das Projekt RB begraben könne, falls die Lizenz nicht erteilt wird. »Vielleicht will man ganz einfach nicht, dass wir mit Leipzig an der Bundesliga teilnehmen«, sagte er damals entrüstet. »Gestatten Sie mir ein offenes Wort: Wir wollen niemanden zwangsbeglücken, das haben wir ehrlich gesagt auch nicht nötig.« Er bekam die Lizenz und nahm seither ausschließlich als Schattenmann Einfluss.
Leipzigs Cheftrainer Marco Rose, der Mateschitz während seiner Zeit in Salzburg persönlich kennengelernt hatte, bezeichnete den Steirer als »Visionär«. Rose sagte vor der Partie gegen Real: »Ich habe ihn als sehr humorvollen, herzlichen Menschen kennengelernt, mit dem man Spaß haben konnte und der klare Ziele hatte. Ein toller Mensch, den ich sehr vermissen werde. Wir sind alle sehr traurig und werden daran arbeiten, sein Vermächtnis in seinem Sinne fortzusetzen.«
Das heißt auch, RasenBallsport Leipzig weiter unter den besten Teams Europas zu etablieren. Auch wenn sie intern bei RB von einer Zeitenwende reden, hat das Ableben des großen Bosses kurz- und mittelfristig keinen Einfluss auf die Finanzierung des Klubs und die anderen Sportunternehmungen. Verträge für Sponsoring und Namensrecht des Stadions seien »langfristig« angelegt, teilte RB auf Anfrage mit. Genaue Laufzeiten nennen sie nicht – auf Transparenz legte auch Mateschitz nie besonderen Wert.
Doch natürlich ist RasenBallsport von Red Bull als Investor, Haupt- und Namenssponsor des Leipziger Stadions sowie Hauptkreditgeber maßgeblich finanziell abhängig – gleichermaßen Vor- und Nachteil eines Investorenklubs. Es bedarf nun eines Bekenntnisses der Nachfolger von Mateschitz. Vor allem von der thailändischen Familie Yoovidhya, die 51 Prozent an dem Energy-Drink-Imperium hält und die laut »Salzburger Nachrichten« über die Nachfolge entscheiden werde. Wahrscheinlich ist, dass sie die Aktivitäten im Sportmarketing weiter unterstützen.
Fraglich ist, wie es mit dem 1000 Mitarbeiter starken Medienimperium von Red Bull weitergeht. Seit 2015 war Mateschitz wegen seines rechtspopulistischen Kurses gegen Flüchtlingspolitik und Corona-Maßnahmen in die Kritik geraten. Unter anderem durch die Sender Servus TV und das Magazin »Pragmaticus« beeinflusst Red Bull die politische Landschaft in Österreich maßgeblich. Das sorgte auch für Kritik in den Fanszenen hierzulande. Selbst unter den Anhängern von RB, die 2017 kritisierten, dass Mateschitz zum 30-jährigen Firmenbestehen ein »Meinungsdiktat« beklagte und sich selbst als »Humanisten, Kosmopoliten, Pazifisten und Individualisten« bezeichnet hatte. So bleibt der Verstorbene neben allen Verdiensten auch als widersprüchliche Persönlichkeit in Erinnerung.
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