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Erinnerungspolitik mit der Abrissbirne

Im einstigen KZ Sachsenburg wurde trotz starker Proteste die Kommandantenvilla beseitigt

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.

Eine Bruchsteinmauer, der Kellersockel und das Eingangsportal mit Türöffnung und einem kleinen Fenster stehen noch. Ansonsten ist von der »Kommandantenvilla« im ehemaligen Konzentrationslager Sachsenburg nur ein Haufen Schutt geblieben. Eine Abrissfirma, die von der Stadt Frankenberg beauftragt wurde, hat das zweistöckige Gebäude in beeindruckendem Tempo abgetragen.

Damit ist eines der wenigen authentischen baulichen Zeugnisse eines Orts des Grauens fast vollständig verschwunden. In Sachsenburg richteten die Nationalsozialisten im Mai 1933 in einer Baumwollspinnerei am Ufer der Zschopau ein KZ ein, in dem politische Gegner und andere missliebige Personen, etwa Zeugen Jehovas, interniert und misshandelt wurden. Insgesamt wird von 7200 Insassen ausgegangen. Das Lager, das bis Mitte 1936 bestand, gilt als »Vorhölle« für die späteren Großlager wie Buchenwald. Dort wurde nicht zuletzt Wachpersonal ausgebildet. Zwei Männer, die Sachsenburg leiteten, führten später die KZ Buchenwald, Majdanek und Groß-Rosen. Die Villa, in der sie residierten, galt deshalb als ein zentraler Täterort, einer von wenigen aus einem frühen KZ, die in Deutschland noch erhalten sind.

Für eine Gedenkstätte steht der Bau nun nicht mehr zur Verfügung. Eine solche soll in Trägerschaft der Stadt Frankenberg in Sachsenburg entstehen. Ehrenamtliche Initiativen drängen seit über zehn Jahren auf die Errichtung eines Erinnerungsortes, doch eine ungeklärte Finanzierung und die Eigentumsverhältnisse sorgten für Verzögerungen. Im Februar 2022 stellte der Bund eine Förderung in Aussicht. 2018 war ein entsprechender Antrag noch abgelehnt worden, nicht zuletzt wegen eines 2015 im Stadtrat gefassten Beschlusses zum Abriss der Kommandantenvilla. Im Ablehnungsbescheid aus Berlin war von der »unwiderbringlichen Zerstörung von Zeugniswerten« die Rede.

Jetzt sind diese verschwunden. Die Stadt begründet das mit dem »ruinösen« Zustand des Bauwerks. Decken seien eingebrochen, der Dachstuhl vom Schwamm befallen gewesen. »Eine komplette Sanierung ist daher nicht möglich.« Das schnelle Vorgehen wurde damit begründet, dass Fördermittel zur »Brachenberäumung« nur bis Jahresende zur Verfügung stünden.

Kritiker werfen der Stadt dagegen vor, sie habe vollendete Tatsachen schaffen wollen angesichts des jahrelangen Widerstands gegen den Abriss. Er kam von Gedenkstättenleitern und Denkmalschützern, Architekten, Künstlern, Opferverbänden und erinnerungspolitischen Initiativen. Jens-Christian Wagner, Leiter der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, sagte: »Der Abriss widerspricht allen denkmalpflegerischen, musealen und gedenkstättendidaktischen Standards.« Der VVN-BdA erklärte: »So geht man anscheinend in Sachsen mit NS-Geschichte um, damit Gras darüber wächst.« Die Lagerarbeitsgemeinschaft (LAG) KZ Sachsenburg startete eine Petition. Gefordert wurde mindestens ein Rückbau, der Belange des Denkmalschutzes berücksichtigt und Spuren sichert, freilich ohne Erfolg.

Mancher sieht jetzt die Förderung durch den Bund gefährdet. Der Landtagsabgeordnete Franz Sodann (Linke) erklärte, es sei unklar, welche Folgen der Abriss für das Gedenkstättenkonzept habe. Die LAG erinnert daran, dass es bei einem Architekturwettbewerb 2020 unterschiedliche Vorschläge für den Umgang mit dem Gebäude gegeben habe, die Stadt aber beschlossen habe, nicht mit den Autoren eines der fünf prämierten Entwürfe zu verhandeln, sondern auf einen Vorschlag zu setzen, der den Abriss bis aufs Kellergeschoss beinhaltet habe. Das sei ein »Affront« und ein »Präzendenzfall für die gesamte Erinnerungs- und Wettbewerbskultur in Deutschland«. Die Stadt erklärt indes, der Rückbau stehe im Einklang mit dem von Bund und Land genehmigten Antrag und gefährde »keinesfalls die Realisierung der geplanten KZ-Gedenkstätte Sachsenburg«. Aus Berlin wird diese Einschätzung bestätigt. Eine Sprecherin von Claudia Roth (Grüne), der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien, erklärte auf Anfrage von »nd« am Dienstag, der von der Stadt Frankenberg gestellte Projektantrag sehe »den Rückbau des Gebäudes bis auf den Sockel« vor. Dieser sei von eine Expertengremium als förderwürdig eingestuft. Das Geld aus Berlin dürfte mithin ungeachtet des Abrisses fließen. Die inhaltliche Kritik daran entkräftet das nicht.

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