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Streit um Steuermillionen für AfD-nahe Stiftung

Karlsruhe verhandelt Klage der AfD auf Förderung ihrer parteinahen Stiftung

  • Robert D. Meyer, Karlsruhe
  • Lesedauer: 6 Min.
Einsam wie ihre Stiftung: Erika Steinbach
Einsam wie ihre Stiftung: Erika Steinbach

Norbert Lammert ist ein bisschen unfreiwillig die Verkörperung jener widersprüchlichen Situation, deren komplexe Details das Bundesverfassungsgericht aufzulösen versucht. Der 73-Jährige ist am Dienstag nach Karlsruhe vor das oberste deutsche Gericht geladen und gibt ausführlich Auskunft darüber, wie sich die Arbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) gestaltet, deren Vorsitzender Lammert seit 2018 ist. Alle Anwesenden im Saal wissen um das lange politische Vorleben des früheren CDU-Politikers. Für die Konservativen saß Lammert nicht nur fast 37 Jahre im Bundestag, neben zahlreichen Funktionen in der Unionsfraktion hatte er auch das Amt des Bundestagspräsidenten inne. Man kann sicher sein: Suchte Lammert den Kontakt zu aktuellen CDU-Vertreter*innen, ihm würde bereits aufgrund seiner politischen Vita Gehör geschenkt.

Womit eine der Kernfragen umrissen ist, die das Bundesverfassungsgericht zu beantworten hat, will es bei der Klage der AfD auf eine finanzielle Förderung der ihr nahestehenden Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) durch den Bund zu einem Urteil kommen. Wie nah stehen sich Parteien und ihre parteinahen Stiftungen in der Praxis tatsächlich? Und: Wie weit darf diese Nähe gehen? »Wir bilden uns zumindest ein, dass, wenn die uns nahenstehende Partei auf die von uns zur Verfügung gestellte Arbeit zurückgegriffen hätte, es ihr besser ginge«, antwortet Lammert auf die Frage des Zweiten Senates, welchen Einfluss die Stiftung auf die CDU habe.

Während seines Referats steht der KAS-Vorsitzende, wie auch im Verlauf der Verhandlung alle anderen Vertreter*innen der angehörten politischen Stiftungen, an einem Rednerpult in der Mitte des Sitzungssaals des Baumgarten-Baus. Der in den 60er Jahren entstandene Gebäudekomplex verkörpert bereits in seiner Architektur den demokratischen Grundgedanken des Bundesverfassungsgerichts. Passant*innen, die durch den umliegenden Karlsruher Schlossgarten spazieren, können durch den Glasbau des Sitzungssaalgebäudes hindurchschauen. Deutschlands oberstes Gericht will maximale Transparenz ausstrahlen.

Klarheit wollen die sieben Verfassungsrichter*innen ebenso darüber herstellen, wie es um die Förderung der politischen Stiftungen in der Bundesrepublik bestellt ist. Die AfD sieht die ihr nahestehende DES als benachteiligt an, weil die Stiftung trotz Wiedereinzugs der Rechtsaußenpartei in den Bundestag 2021 weiterhin keine finanzielle Förderung durch den Bund erhält. »Es geht hier um Politik«, behauptet AfD-Anwalt Ulrich Vosgerau. Seiner Einschätzung nach werde die DES auch im Haushaltsplan 2022 nicht berücksichtigt, weil das Bundesinnenministerium – aus dessen Etat die sogenannten Globalzuschüsse stammen – daran kein Interesse habe. Zuletzt kam noch hinzu, dass die Förderung der DES mittels Aktenvermerk im diesjährigen Haushaltsgesetz verhindert wurde, weil eine Stiftung demnach nur noch Fördermittel erhalte, wenn keine Zweifel an ihrer Verfassungstreue bestehen.

Für Vosgerau ist das klar verfassungswidrig. Gegen die DES gebe es keine solchen Vorwürfe, im Fall der AfD sei die gerichtliche Klärung noch nicht abgeschlossen, ob die Partei verfassungsgefährende Ziele verfolge. Bis dahin aber müsse die AfD wie alle anderen Parteien behandelt werden und mit ihr die DES. Vosgerau geht durchaus clever vor, geschickt baut er immer wieder leicht verständliche Vergleiche ein und stellt Fragen, die Skepsis säen sollen. Etwa jene, ob der Haushaltsvermerk bei konsequenter Anwendung nicht ebenso Zweifel an der staatlichen Finanzierung der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) wecken müsste, da Unterorganisationen der ihr nahestehenden Linkspartei ebenfalls im Fokus der Verfassungsschutzbehörden stünden. Die DES ein Opfer der politischen Verhältnisse? Diese Argumentation ist aus der AfD wohlbekannt. Auch die Stiftungsvorsitzende Erika Steinbach nutzt diese und beklagt: Während die anderen Stiftungen jährlich Tausende Veranstaltungen durchführten, seien es bei der DES nur 50.

Vergleichweise einfach versuchen es sich zunächst die Prozessbevollmächtigen in Vertretung von Bundestag und Bundesregierung zu machen. Ihre Position: Die AfD dürfe sowieso nicht im Namen des DES klagen, Ansprüche für die Zeit der ersten Legislatur im Bundestag gebe es nicht, weil dies der bisherigen politischen Praxis widerspreche. Die besagt, dass eine Stiftung erst Fördergeld erhalte, wenn die durch sie vertretene »politische Grundströmung« von Dauer sei. Ab wann dies genau der Fall ist, hat der Gesetzgeber aber bisher ebenso wenig genauer definiert wie die Antwort auf die Frage, was eine »politische Grundströmung« ausmache. Akuten Klärungsbedarf hätte es zuletzt theoretisch 1999 gegeben, als die RLS nur unter Androhung einer Klage erstmals Förderung aus dem Bundeshaushalt erhielt. Damals einigten sich alle Beteiligten jedoch, ohne den juristischen Weg zu beschreiten.

Im Fall der AfD ist das heute anders. Ihre Klage vor dem Verfassungsgericht ist auch deshalb von großer Bedeutung, weil der Zweite Senat in der mündlichen Verhandlung viel Zeit auf die Frage verwendet, wie es grundsätzlich um das Verhältnis der Parteien und der ihnen nahestehenden Stiftungen bestellt ist. Wie schwer das alles zu fassen ist, umreißen zwei Sachverständige in ihren Vorträgen. Michael Koß, Professor für Politikwissenschaften an der Leuphana Universität Lüneburg, führt etwa aus, dass die politischen Stiftungen für die Parteien manchmal hilfreich seien und manchmal nicht. Ihre politische Wirkung sei eher auf Langfristigkeit angelegt. Der Politikwissenschaftler Ulrich Heisterkamp weist zudem auf ein Dilemma hin: »Die Stiftungen müssen auf der einen Seite parteinah genug sein, müssen aber andererseits weit genug entfernt sein.« Eine Feststellung, die unweigerlich weitere Fragen aufwirft. Wie viele aktive oder ehemalige Parteifunktionär*innen dürfen in den Stiftungsgremien aktiv sein? Ist eine Stiftung tatsächlich parteifern, wenn in ihrer Mitgliederversammlung etwa 50 Prozent ein entsprechendes Parteibuch in der Tasche haben, wie es bei der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung der Fall ist? Wo verläuft die Grenze? Der Zweite Senat ist sichtbar um Klärung bemüht, fragt wiederholt nach, will Details wissen, die Anhörung zieht sich bis in die späten Abendstunden.

All das ist nötig, weil Richterin Doris König, Vorsitzende des Zweiten Senates, schon in ihrer Eingangserklärung darauf verweist, dass das Gericht die Frage in den Mittelpunkt des Verfahrens stellt, »ob die bisherige Handhabung der Förderung parteinaher politischer Stiftungen, die zu einer Ablehnung der Förderung der DES geführt hat, mit dem Grundgesetz vereinbar ist«. Etliche Prozessbeobachter*innen gehen davon aus, Karlsruhe könnte in seinem für nächstes Jahr zu erwartenden Urteil ein Stiftungsgesetz fordern. Manche Ausführungen einzelner Richter*innen deuteten dies in ihrer Tendenz bereits an. Für die AfD-nahe DES bedeutete dies noch längst keine staatlichen Fördermillionen. Bis dahin könnten – wenn es so kommt – noch einige Jahre vergehen.

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