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- Alleensterben in Brandenburg
Eine Straße, viele Bäume
Allee, Allee! Brandenburgs Infrastrukturminister bekennt sich zum Erhalt eines Kulturguts – und stößt auf die Wirklichkeit
Vor wenigen Tagen wurde die länderübergreifende Initiative »Deutsche Alleenstraße« 30 Jahre alt. Ein Anlass für Brandenburgs Infrastrukturminister Guido Beermann (CDU), den Wert und den Stellenwert der Alleen in der Landespolitik herauszustellen: »Brandenburg ist das alleenreichste Bundesland – die Alleen prägen unsere Landschaft. Sie sind ein Markenzeichen für unser Land, das es zu erhalten gilt.« Von hohem Wert sind Alleen wegen ihres schönen Aussehens, weil sie Schatten spenden, ökologisch bedeutsam sind und die Landschaft gliedern. Doch es lohnt sich zu hinterfragen, was sich neben allen Bekenntnissen wirklich getan hat.
Gemeinsam mit dem Regionalleiter West des Landesbetriebes Straßenwesen, Frank Schmidt, nahm der Minister an der Pflanzung von mehr als 300 neuen Alleebäumen zwischen Bad Belzig und Klein Glien an der Bundesstraße B 246 teil. Letztere gehört zur »Deutschen Alleenstraße«, die in Brandenburg von Rheinsberg über Brandenburg an der Havel verläuft und bis an die Landesgrenze zu Sachsen-Anhalt vor Lutherstadt Wittenberg führt. Die Deutsche Alleenstraße knüpft seit drei Jahrzehnten ein grünes Band aus Bäumen entlang der Bundes- und Landesstraßen von Rügen bis nach Konstanz am Bodensee. Insgesamt besteht sie aus rund 3000 Kilometern, unterteilt in zehn Abschnitte, die sich von Norden nach Süden durch Deutschland erstrecken.
Bei der Auswahl der nachgepflanzten Baumarten hat sich der Landesbetrieb Straßenwesen nach den regionalen Gegebenheiten gerichtet. Die Wahl fiel auf Bergahorn, Winterlinden, Wildäpfel, Wildbirnen und Speierlinge. Laut Beermann ist mit dieser Neupflanzung »wieder eine Lücke geschlossen«. Er kündigte die Neuausrichtung des Alleenkonzeptes der Landesregierung an, »um effektive Wege zu finden, den Alleenbestand vollständig zu erhalten«.
Doch muss der Minister einräumen, dass an der Deutschen Alleenstraße der Baumbestand bereits Lücken aufweist. Erst recht gilt das, wenn man die Alleen Brandenburgs insgesamt betrachtet. Da ist ein Rückgang auf ganzer Linie zu beobachten. Derzeit gibt es laut Beermann 1737 Kilometer Alleen an Bundes- und Landesstraßen außerhalb von Ortschaften. Im Jahr 2006 waren es noch 2344 Kilometer. »Damit sind rund 600 Kilometer Alleen verlorengegangen, obwohl von 2008 bis 2019 über 200 Kilometer Alleen neu angelegt wurden.« Mehr als 90 Prozent der Alleebäume mussten aus Gründen der Verkehrssicherheit gefällt werden. Wenn auch durch den Landesbetrieb im vergangenen Jahr rund 4,5 Kilometer Alleen gepflanzt wurden – der Rückgang wird durch solche Maßnahmen allenfalls verlangsamt. Und wie in der Mark, so überall: Deutschlands Alleen verschwinden nach und nach. In 15 Jahren gingen 7500 Kilometer verloren. Nach aktuellen Untersuchungen gibt es rund 20 000 Kilometer Alleen in Deutschland, mit Schwerpunkten in der Nordhälfte und vor allem im Osten.
Über 70 Prozent der Alleebäume sind über 80 Jahre alt und haben damit das Ende ihres Lebenszyklus erreicht. Der Klimawandel führt immer häufiger zu Sturmereignissen sowie Trocken- und Hitzeperioden, was zusätzlichen Stress für die Alleebäume bedeutet. Auf der anderen Seite rückt die klimaschonende und ökologische Bedeutung der Alleebäume in den Fokus. Sie sind ein wirksames Mittel gegen Staubentwicklung, gegen Versteppung und Austrocknung der Landschaft.
Es war das absolutistische Preußen, das Mitte des 18. Jahrhunderts mit der Anlage von Alleen begann, deren Benutzung übrigens kostenpflichtig war. Eine Allee, die über Wittenberg nach Leipzig führte, begann in Potsdam am heute noch so benannten »Leipziger Dreieck«. In einem
ebenfalls noch vorhandenen »Zollhaus« wurde die damalige Maut kassiert. Diese Alleen waren zum Teil schon gepflastert. Etwa einen Meter vom Fahrbahnrand entfernt wurden die begleitenden Baumreihen gepflanzt. Zunächst waren es oft Pappeln, später vor allem Eichen, Linden und Ulmen. »Der Baum war der Leitpfosten, damit man auch im Winter die Straße gut sehen konnte«, sagt Jürgen Peters von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde der »Märkischen Allgemeinen Zeitung«. Die so erzielte Schattenwirkung diente dem Schutz des Straßenbelags, war aber auch den Passanten willkommen.
Heute sind Linde und Ahorn die dominierenden Alleebäume. Angesichts der Gefahr, dass einzelne Schädlinge ganze Bestände bedrohen könnten, rät der Eberswalder Fachmann zur Vielfalt. Die Spanische Eiche oder die Esskastanie wären ob ihrer Widerstandsfähigkeit gegen Trockenheit zum Beispiel geeignet, auf besonders trockenen Standorten auch die Robinie, meint Peters. Auftausalz im Winter, Schädlinge und Krankheiten sowie immer längere regenlose Perioden täten ihr Übriges: »Das erschwert das Gedeihen von Neuanpflanzungen, und selbst alte Baumbestände finden kaum noch Grundwasser.«
Zugleich aber gelten die Bäume am Straßenrand als große Gefahr im Straßenverkehr. »Der Alleebaum verzeiht keinen Fahrfehler«, hatte der einstige Innenminister Brandenburgs Karl-Heinz Schröter (SPD) einmal gesagt. Auch wenn in den vergangenen Jahren ein deutlicher Rückgang dieser Art Unfälle registriert werden konnte, hat der Tod am Straßenrand nichts von seinem Schrecken verloren. Kreuze und Fotos an den »Todesbäumen« halten die Erinnerung wach. Der starke Rückgang von neuen Anpflanzungen und die Zunahme von Fällungen ist auch auf eine Richtlinie des Bundesverkehrsministeriums zurückzuführen, die Vorkehrungen für den passiven Schutz durch Leitplanken fordert.
Beim Straßenausbau wird oft eine Allee-Baumreihe abgeholzt, um mehr Breite zu gewinnen. Bäume mit geringem Abstand zur Fahrbahn könnten zwar versetzt werden, aber aus Sicherheitsgründen machen die wenigsten Länder davon Gebrauch. Baumreihen, die in 30 oder mehr Metern Entfernung voneinander gepflanzt werden, erzeugen nur noch bedingt den »Alleeneindruck« mit dem erhabenen »Kronendach-Effekt«. Vor allem aber: Selten genug steht der dafür benötigte Boden zur Verfügung. Denn entlang der Straße gehört dieser zumeist Bauern, die nicht einer Baumreihe zuliebe ihren Acker verkleinern wollen.
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