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Diplomaten in der Minderheit

Einige deutsche Politiker fordern Gespräche im Ukraine-Krieg. Doch eine einfache Lösung gibt es nicht

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.

In der Ukraine gilt Rolf Mützenich als Mann, der die Propaganda des russischen Präsidenten Wladimir Putin verbreitet. Im Juli wurde der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion vom staatlichen »Zentrum gegen Desinformation« mit mehr als 70 weiteren Personen auf eine entsprechende Liste gesetzt. Das Vergehen des Sozialdemokraten bestand demnach darin, dass er sich für einen Waffenstillstand zwischen Russland und der Ukraine ausgesprochen hatte. Die Liste hatte zu Verstimmungen zwischen den Regierungen in Kiew und Berlin geführt. Inzwischen wurde die ukrainische Seite offenbar vom Netz genommen. Die Bundesregierung hat kürzlich auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion erklärt, dass die deutsche Botschaft in Kiew die ukrainische Regierung wiederholt aufgefordert habe, »die öffentliche Listung von Persönlichkeiten als Gegner der Ukraine zu unterbinden«. Der weitere Inhalt der deutsch-ukrainischen Gespräche zu dem Thema sei aber vertraulich.

Möglicherweise hat die deutsche Seite dabei darauf hingewiesen, was Mützenich und seine Genossen in jüngerer Vergangenheit für die Ukraine getan haben. Sie haben Waffenlieferungen zugestimmt und die Sanktionen gegen Russland unterstützt. Mützenich hat außerdem das Recht der Ukraine auf Selbstverteidigung betont. Trotzdem bleibt er bei seinem Standpunkt, dass auch Verhandlungen notwendig seien, um den Krieg zu beenden. Je länger der Konflikt dauert, die Angst vor einem atomaren Szenario wächst und je stärker die Menschen hierzulande die Inflation zu spüren bekommen, desto größer wird der Druck auf die Bundesregierung, sich darum zu bemühen, dass ernsthafte Gespräche zwischen den Kriegsparteien stattfinden.

Mützenich ist mit seiner Forderung nicht allein. Er verwies am vergangenen Wochenende im ZDF auf Meinungsumfragen, nach denen 60 Prozent der Deutschen mehr diplomatische Initiativen wollten. Fast zeitgleich mit dem SPD-Fraktionschef äußerte sich der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer zu dem Krieg in Osteuropa. »Es braucht jetzt eine gemeinsame diplomatische Anstrengung von der EU, den USA, China, Indien und Japan. Dieser Krieg muss angehalten werden«, so der CDU-Politiker gegenüber der »Bild am Sonntag«. Kretschmer äußerte die Sorge, dass sich Deutschland durch die Sanktionen gegen Moskau wirtschaftlich ins eigene Fleisch schneide. Er forderte, nach dem Krieg wieder Gas aus Russland zu beziehen. Das entspricht auch der Haltung einer Gruppe von Linke-Politikern um die frühere Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht.

Kretschmers Äußerungen sind auch darauf zurückzuführen, dass er bald mit dem Rücken zur Wand steht, wenn alles so weitergeht wie bisher. Besonders in Ostdeutschland wächst eine Protestbewegung gegen die deutsche Russlandpolitik. Davon profitiert vor allem die rechte AfD. Laut einer Umfrage vom April würde sie in Sachsen auf 28 Prozent der Stimmen kommen, die CDU nur noch auf 25 Prozent. 2024 wird in dem Freistaat das nächste Mal gewählt. Auch Politiker der SPD und der Linkspartei registrieren bei Umfragen und Wahlen, dass ihnen die Felle davonschwimmen.

Allerdings sind die Forderungen nach mehr Diplomatie im bundespolitischen Diskurs zurzeit nicht mehrheitsfähig. Das liegt zum einen daran, dass vor allem Grüne und FDP, aber auch viele Sozialdemokraten und Politiker der Union, an dem Glauben festhalten, dass die ukrainischen Truppen ihr gesamtes Staatsgebiet zurückerobern könnten und Russland dann klein beigeben muss. Wie viel Zeit das in Anspruch nehmen würde und mit wie vielen Toten und wie viel Zerstörung dann noch zu rechnen sei, führen diese Politiker nicht weiter aus.

Aber auch die Minderheit, die für Verhandlungen ist, geht unangenehmen Fragen aus dem Weg. Zwar kann ein Ergebnis erst nach dem Abschluss von Gesprächen feststehen, aber es ist klar, dass die Aufnahme ernsthafter Verhandlungen mit Russland bedeuten würde, dass man grundsätzlich die Interessen Moskaus anerkennt. Diese liegen darin, Territorien zu erobern und einen Puffer gegen die Nato-Staaten zu schaffen. Das Völkerrecht wurde dabei von russischer Seite verletzt.

Verhandlungen und ein Vertragsabschluss bedeuten nicht unbedingt, dass dann sofort und für immer Frieden herrscht. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte im Februar angekündigt, die Ukraine »entmilitarisieren« und »entnazifizieren« zu wollen. Sein Maximalziel ist also der Sturz der ukrainischen Regierung. Es weist nichts darauf hin, dass Putin von diesem Ziel abgerückt ist.

Westliche Staaten, darunter auch Deutschland, müssen sich vorwerfen lassen, dem Konflikt im Donbass in den vergangenen Jahren zu wenig Bedeutung zugemessen zu haben. Möglicherweise wäre die Eskalation verhindert worden, wenn Russland, die Separatisten im Donbass und die Regierung in Kiew stärker unter Druck gesetzt worden wären, das Minsker Friedensabkommen von 2015 umzusetzen. Nun ist der Krieg entfesselt und es gibt keine einfachen Lösungen, um ihn zu beenden.

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