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  • Tram-Baustelle und BVG

Justiz-Minenfeld Friedrichstraße

Landeskriminalamt ermittelt gegen BVG-Verantwortliche wegen Tram-Baustelle

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 6 Min.
Nicht alle in der Berliner Verwaltung würden es bedauern, wenn die Tram verschwände.
Nicht alle in der Berliner Verwaltung würden es bedauern, wenn die Tram verschwände.

Beschäftigte der Bauplanungsabteilungen der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) sind aufgewühlt, denn gegen mindestens einen aus ihren Reihen ermittelt die Polizei strafrechtlich im Zusammenhang mit dessen beruflicher Tätigkeit. Was seit Beginn des Krimis um die Straßenbahn-Gleisbaustelle am Nordende der Friedrichstraße als Gerücht durch die BVG waberte, hat nun die Behörde auf Anfrage von »nd« bestätigt.

»Die Polizei Berlin hat im Zusammenhang mit einem Gleisbruch an der Kreuzung Chausseestraße/Torstraße/Hannoversche Straße/Friedrichstraße ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Zerstörung von Bauwerken gemäß Paragraf 305 des Strafgesetzbuches eingeleitet«, teilt die Polizei mit. Geführt würden die Ermittlungen von einem Fachkommissariat beim Landeskriminalamt Berlin. Weitere Auskünfte könnten wegen des laufenden Verfahrens nicht erteilt werden.

Besagter Paragraf 305 besteht aus zwei Sätzen: »Wer rechtswidrig ein Gebäude, ein Schiff, eine Brücke, einen Damm, eine gebaute Straße, eine Eisenbahn oder ein anderes Bauwerk, welche fremdes Eigentum sind, ganz oder teilweise zerstört, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Der Versuch ist strafbar.«

Geduldsspiel bei Genehmigungen

Bei dem fremden Eigentum handelt es sich mutmaßlich um die Friedrichstraße, die infolge eines Gleisbruchs Anfang Oktober im Auftrag der BVG aufgebrochen worden ist. In dem Abschnitt waren wegen dringenden Sanierungsbedarfs bereits seit Monaten Gleisbauarbeiten geplant. Allerdings lag bis zum geplanten Beginn der Arbeiten nicht die nötige verkehrsrechtliche Genehmigung der Senatsmobilitätsverwaltung vor.

Vor knapp zwei Wochen ist die Baugrube wieder zugeschüttet worden – ohne dass Gleise verlegt worden wären. Die Berichterstattung von »nd« schlug hohe Wellen. Eine Anfrage der FDP-Fraktion in der Fragestunde des Abgeordnetenhauses blieb faktisch unbeantwortet, die zuständige Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) erklärte, keine Kenntnis von dem Vorgang zu haben.

Eskalation eines Dauerkonflikts

Seit Jahren schwelt ein Konflikt zwischen Bauverantwortlichen der BVG und der für die entsprechenden Straßensperrungen zuständigen verkehrsrechtlichen Anordnungsbehörde, der einstigen Verkehrslenkung Berlin (VLB), die für eine bessere Steuerung vor einigen Jahren als Abteilung VI in die Senatsmobilitätsverwaltung integriert worden ist. Anordnungen kommen teilweise mit monatelangen Verzögerungen, was der BVG wiederum große Probleme mit beauftragten Bauunternehmen beschert und teilweise hohe Zusatzkosten verursacht. An der Friedrichstraße ist dieser Konflikt nun eskaliert – bis zu strafrechtlichen Ermittlungen. Klar ist, dass durch den Abbruch der Bauarbeiten Mehrkosten angefallen sind, laut BVG könnten diese »aber noch nicht genau beziffert werden«.

Die Genehmigungsprobleme führen immer wieder dazu, dass bei geplanten Maßnahmen bereits ein Ersatzverkehr mit Bussen (SEV) eingerichtet wird, obwohl wegen noch nicht begonnener Bauarbeiten eigentlich die Straßenbahn weiterfahren könnte. »Mit Blick auf den langen Dispositionsvorlauf kann es ganz vereinzelt vorkommen, dass der Beginn des SEV und der Start der Baumaßnahme zeitlich nicht ganz genau harmonieren«, heißt es dazu von der BVG. Dies könne aber verschiedene Gründe haben, zum Beispiel auch Lieferschwierigkeiten bei Baumaterialien oder die fehlende Verfügbarkeit der Bauunternehmen. »Um die Situation für die Fahrgäste nicht unnötig komplizierter zu machen, wird in diesen sehr seltenen Fällen der SEV bereits gefahren, obwohl die Baustelle erst kurze Zeit später eingerichtet werden kann«, so die BVG weiter.

Doch von wem wurde der Vorgang an der Friedrichstraße bei der Polizei angezeigt? Laut BVG-Beschäftigten gehe dies auf den zuständigen Sachbearbeiter der Abteilung VI zurück. Wenn das der Fall gewesen sein sollte, dann offenbar als Privatmann. Jan Thomsen, der Sprecher der Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz, erklärt auf Anfrage von »nd« jedenfalls unzweideutig: »Seitens der SenUMVK ist keine Anzeige erstattet worden.«

Genehmigung liegt weiter nicht vor

Die Beantragung von Sondernutzungsgenehmigungen für die Baustelle durch die Verkehrsbetriebe begann im März, zunächst beim Straßen- und Grünflächenamt Mitte, wie die BVG auf nd-Anfrage mitteilt. »Der erste und einzige Antrag auf verkehrsrechtliche Genehmigung der geplanten Baustelle ging bei uns am 30. Juni 2022 ein – mit dem Plan, die Bauarbeiten am 15. August 2022 zu beginnen«, erklärt Jan Thomsen für die Mobilitätsverwaltung. Dieser Antrag sei »bei der hochkomplexen Straßen- und Umleitungssituation in der kurzen Frist nicht zu genehmigen, die Abstimmungen mit der BVG (und anderen Betroffenen) dauerten zum Zeitpunkt des Gleisbruchs Anfang Oktober noch an«, erläutert er. Inzwischen liege eine verkehrsrechtliche Anordnung für die Sicherung der Havarie vor. »Zur verkehrsrechtlichen Anordnung für die spätere Baustelle laufen noch weitere Abstimmungen«, heißt es weiter.

Eine in die Bauplanungs-Abläufe der BVG involvierte Person führt gegenüber »nd« die Genehmigungsprobleme auch auf die persönliche Haltung einiger Beschäftigter der ehemaligen Verkehrslenkung Berlin zurück, konkret: deren Einstellung »pro Auto«.

Beschäftigte müssen umdenken

»Gerade in Berlin mit einer fortschrittlichen Koalition, die sich dem Grunde nach auch diesem Projekt verschrieben hat, müssen auch die wohlmeinenden Kritiker sich darüber bewusst sein, dass für die praktische Umsetzung auf der Straße grundlegend auch das Umdenken auf der Verwaltungsebene vorausgesetzt werden muss, damit es wirklich gelingt«, sagt Kristian Ronneburg zu »nd«. Er ist verkehrspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. »Allein durch das Mobilitätsgesetz ändern Mitarbeiter*innen, für die der Autoverkehr weiter einfach nur fließen muss, nicht ihre Haltung«, sagt der Linke-Politiker.

»Grundsätzlich müssen wir, um Berlin insgesamt voranzubringen, dafür Sorge tragen, dass die Möglichkeiten des Blockierens und der Obstruktion reduziert werden«, fordert Ronneburg. Es sei bezeichnend, dass trotz vieler Planungsansätze die vom Senat gegründete neue Taskforce für den Radverkehr ewig gebraucht hat, machbare Projekte auf den Weg zu bringen. »Damit wird deutlich, wie tief das Problem liegt«, sagt der Politiker.

Neben einer offenbar in Teilen der Mobilitätsverwaltung immer noch herrschenden Auto-Ideologie stellt gerade bei der Realisierung von Straßenbahn-Neubaustrecken auch mangelnde interne Abstimmung ein großes Hemmnis dar. Die Planungsverantwortlichen der Neubaustrecken kommunizierten »nicht oder wenigstens nur gerade so viel wie nötig« mit der Genehmigungsbehörde, sagt ein Insider. Zum Teil geschehe das sogar bewusst, um nicht den »Eindruck der Befangenheit« zu erwecken. Dazu kämen noch die Probleme mit der Verkehrslenkung. »Und wenn sich alle verständigt haben, kommt die Umweltverwaltung aus demselben Haus um die Ecke und verlangt Entwässerungskonzepte für Straßen, in die lediglich Gleise eingebaut werden, die aber sonst wie vorher liegen bleiben«, berichtet die Person über das Erlebte. Die interne Kommunikation in der Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz müsse »aktiv viel, viel besser werden«, denn: »Von außen kann das niemand steuern.«

Komplexe Planungsverfahren

»Planungsprozesse von Schienenverkehrsstrecken sind hochkomplex und häufig langwierig, insbesondere auch wegen der Berücksichtigung von Interessen etlicher Betroffener, die die Anhörungs- und Genehmigungsbehörden abzuwägen haben«, entgegnet Verwaltungssprecher Jan Thomsen. »Daher halten wir solche einseitigen, noch dazu anonymen Verantwortungszuweisungen für die lange Dauer solcher Prozesse für nicht kommentierbar«, so Thomsen weiter.

Für Jens Wieseke vom Berliner Fahrgastverband IGEB ist jedoch klar, dass etwas passieren muss, um den Ausbau der Tram voranzubringen. Er nennt gegenüber »nd« auch einen konkreten Vorschlag: »Es muss eine Stabsstelle eingerichtet werden, bei der alles, was Neubaustrecken angeht, zusammenläuft. Wir brauchen eine Art Straßenbahnchef ähnlich des Fahrrad-Beauftragten, der Entscheidungen fällen kann.«

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