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Ein Schatten namens Spanien
Zirkus Europa: Jahrelang dominierten spanische Klubs den europäischen Spitzenfußball, doch dieses Jahr überwintert nur Real Madrid in der Königsklasse
Juventus ist raus, Milan könnte es auch erwischen. Ja, es stand schon mal besser um den Calcio, aber das ist keineswegs das beherrschende Thema, wenn der europäische Fußballzirkus am Mittwoch seine letzte Vorstellung im Jahr 2022 gibt. An die italienische Krise hat Europa sich gewöhnt, aber wer hätte schon damit gerechnet, dass es mal eine spanische geben könnte?
Die Primera División hat die Champions League im dritten Jahrtausend mit einer Leichtigkeit beherrscht, wie sie dem Spiel entsprach, das etwa der FC Barcelona in der Ära Messi auf den Rasen zauberte. Elf von bisher 22 Champions der 2000er Jahre kommen aus Spanien, die Madrider Klubs Real und Atlético spielten die Stadtmeisterschaft gleich zweimal im europäischen Finale aus. Tempi passati. Vor dem sechsten Vorrundenspieltag hatten drei von vier spanischen Klubs schon keine Chance mehr auf den Einzug ins Achtelfinale. Der FC Barcelona wurde vom FC Bayern gedemütigt. Atlético Madrid gewann allein sein erstes Vorrundenspiel gegen den FC Porto und schaffte in zwei Spielen gegen das Krisenteam von Bayer Leverkusen keinen Sieg. Und der FC Sevilla musste bis zum fünften Spieltag auf seinen ersten Sieg warten, aber dieses 3:0 gegen den FC Kopenhagen kam ein bisschen zu spät, um für so etwas wie Aufbruchstimmung zu sorgen. Am Mittwoch darf Sevilla zum Abschied noch mal bei Manchester City vorspielen, aber das 0:4 im Hinspiel lässt keine allzu großen Erwartungen zu.
Ein wenig erinnert die Situation an die Weltmeisterschaft 2014. Damals reiste Spaniens Nationalmannschaft mit dem Nimbus der Unschlagbarkeit zur Titelverteidigung nach Brasilien. Nach einem bis heute einmaligen Hattrick bei internationalen Turnieren wurde die von Barças Strategen Xavi Hernández und Andrés Iniesta angeführte Mannschaft an den internationalen Wettbörsen übereinstimmend als Titelkandidat Nummer eins gehandelt. Dann gab es im ersten Vorrundenspiel ein 1:5 gegen die Niederlande, im zweiten ein 0:2 gegen Chile, und die Welt fragte sich: War das wirklich Spanien? Das stolze Spanien, Regent über sechs lange Jahre, beginnend mit dem Europameistertitel 2008 in Wien, im Zenit beim Gewinn der Weltmeisterschaft 2010 in Johannesburg, noch einmal überraschend mit dem erneuten Aufstieg auf Europas Thron 2012 in Kiew? Die Mannschaft, die den Fußball revolutioniert hatte mit dem Tiki-Taka, dem verwirrend schnellen und einfach nicht zu entschlüsselnden Kurzpassspiel?
Was damals in Rio auftrat, war nur ein Schatten namens Spanien. Eine Mannschaft, die nur noch der Überlieferung wegen den Kampfnamen »Furia roja« trug, die rote Furie. Vor acht Jahren in Brasilien verlor Spanien mehr als nur zwei Fußballspiele. Es verlor ein bisschen den Glauben an sich selbst und noch mehr die Illusion, die schöne Vergangenheit möge sich konservieren lassen für einen längeren Zeitraum, sich ja vielleicht zu einer dauerhaften Herrschaft auswachsen.
Parallelen drängen sich auf zum Herbst 2022, zu den trostlosen Auftritten von Barça, Atlético und Sevilla. Und doch sollte sich Europa hüten, den Absturz der drei Granden als Muster für einen kompletten Absturz dieser stolzen Fußballnation zu interpretieren. Denn da ist ja noch jemand. Real Madrid führt wie selbstverständlich in der Vorrundengruppe F und wird im kommenden Frühling als einer der ganz großen Favoriten in die K.o.-Runde starten. Ganz so, wie es dem spanischen Selbstverständnis entspricht.
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