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Rettungsschirm und Hochhäuser
In Berlin stehen Filialen der Kaufhauskette Galeria-Karstadt-Kaufhof vor dem Aus
Nach dem ertragsreichen Weihnachtsgeschäft wird es wahrscheinlich so weit sein: Die Schließung von Filialen der Kaufhauskette Galeria-Karstadt-Kaufhof dürfte dann auch in Berlin anstehen. Wie am Montagabend bekannt wurde, hat der Warenhauskonzern erneut ein Schutzschirmverfahren beantragt. Das letzte liegt erst zwei Jahre zurück. Damals schloss das Land Berlin einen Deal mit dem Mutterkonzern Signa des österreichischen Unternehmers René Benko. Für einen befristeten Zeitraum sicherte Signa zu, Arbeitsplätze zu erhalten. Im Gegenzug gab es vom Land Zusagen für die Bauprojekte des Konzerns in der Hauptstadt.
Deutschlandweit betreibt Galeria-Karstadt-Kaufhof noch 131 Geschäfte, zehn davon in Berlin. Im Interview mit der »FAZ« kündigte der Warenhaus-Chef am Montag an, dass das Filialnetz „um mindestens ein Drittel» reduziert werden müsse. Auch in Berlin sehen Analysten die Zukunft mehrerer Standorte kritisch. Schlechte Aussichten könnten vor allem die Beschäftigten der Filialen haben, für die keine Arbeitsplatzgarantien mit dem 2020 geschlossenen „Letter of Intent» (LOI) gegeben wurden.
Doch auch für die in der Absichtserklärung enthaltenen Standorte ist die Zukunft ungewiss. Denn das Warenhausgeschäft gilt auch ohne die Corona-Lockdowns und unabhängig vom gegenwärtigen Kaufkraftverlust als kaum mehr zukunftsfähig. Die Arbeitsplatzgarantien sind nur befristet. Der Weiterbetrieb des Ring-Centers an der Frankfurter Allee wurde bis 2030 zugesagt, der des Karstadt am Tempelhofer Damm immerhin noch bis 2025. Für die Karstadt-Filialen in Wilmersdorf und im Wedding hingegen gab es lediglich Arbeitsplatzgarantien bis 2023.
„Die Absichtserklärung zu schließen, war richtig, wir sind dabei auch nicht übervorteilt worden. Es war wichtig, die Arbeitsplätze zu sichern», sagt Mathias Schulz zu „nd». „Bei mir im Wedding an der Müllerstraße prägt das Kaufhaus einen ganzen Kiez.» Der stadtentwicklungspolitische Sprecher der SPD-Abgeordnetenhausfraktion ist überzeugt: „Solche Standorte müssen auch in der aktuellen Krise erhalten werden. Die Verantwortung dafür trägt insbesondere der Eigentümer.»
Klar habe das Geschäftsmodell Kaufhaus auch seine Probleme, meint Schulz. Deshalb müsse es bei allen Standorten darum gehen, dass sich die Kaufhäuser dem Kiez öffnen. „Kaufhäuser müssen neu gedacht werden und beispielsweise Platz für soziale Einrichtungen bieten.» Unter anderem für die Filiale am Leopoldplatz war so eine gemischte Nutzung angedacht. Diese sollte in den nächsten Jahren eigentlich umgebaut werden.
Aufgewertet könnte man auch sagen, denn neben dem Einzelhandelsgeschäft sind Immobilien das zweite Betätigungsfeld von Signa. Allen voran sind hier die Hochhausprojekte zu nennen. Im Gegenzug für die befristeten Arbeitsplatzgarantien machte das Land 2020 Zusagen für Signas Vorhaben am Alexanderplatz, Hermannplatz und Kurfürstendamm. Am Alexanderplatz wird bereits ein Teil des Warenhauses abgerissen, um dort ein Hochhaus zu bauen. Das am Hermannplatz soll umgebaut werden. Für das Karstadt-Areal am Kurfürstendamm hat die Senatsbauverwaltung zuletzt eine Vereinbarung mit dem Immobilienkonzern geschlossen. Das Unternehmen würde auch hier gern in die Höhe bauen.
Katalin Gennburg, stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, kritisierte schon 2020, dass sich das Land habe über den Tisch ziehen lassen. „Benko betreibt pure Immobilienverwertung und spekuliert mit den Warenhausgrundstücken, indem er daraus teure Hochhausgrundstücke machen will», sagt sie am Dienstag zu „nd». Signa würde aus einem weit verzweigten intransparenten Unternehmensgeflecht enormes Kapital ziehen, riesige Dividenden ausschütten, aber gleichzeitig immer wieder beim Staat um Finanzhilfen für die Warenhäuser bitten. Zuletzt erhielt der Warenhauskonzern im Januar über 200 Millionen Euro als Staatshilfe in Form einer stillen Einlage aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds der Bundesregierung.
Gennburg ist überzeugt: „Jetzt ist der Zeitpunkt, sich von Signa zu trennen und die Warenhäuser und Arbeitsplätze tatsächlich zu sichern.» Grund sei nicht nur das erneute Schutzschirmverfahren, sondern auch die Ermittlungen gegen Signa-Gründer René Benko in Österreich. Die Wiener Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft hatte kürzlich Büros durchsucht. Der Verdacht: Benko habe einem führenden Beamten im österreichischen Finanzministerium einen Job in Aussicht gestellt, um diesen in einem Steuerungsprüfverfahren für sich zu gewinnen.
Es wäre nicht der erste Korruptionsfall. Letztinstanzlich wurde Benko 2014 verurteilt, weil er dem kroatischen Premierminister Geld angeboten haben soll. Auch im „Ibiza-Video» nennt der damalige FPÖ-Parteivorsitzende Heinz-Christian Strache Benko als einen der Unternehmer, die angeblich getarnt für den Wahlkampf der Rechtsradikalen spenden würden. Mittlerweile prüft auch die deutsche Finanzmarktaufsicht Bafin die Geschäfte von Signa. Aus dem Berliner Signa-Büro hieß es vergangene Woche auf nd-Anfrage, dass die in Österreich „kolportierten Vorwürfe» weder Signa Real Estate noch die Projektentwicklungen in Berlin betreffen würden.
Die neuesten Ermittlungen müssten als „Alarmsignal» verstanden werden, meint hingegen Katalin Gennburg. „Wer es jetzt noch nicht kapiert hat, dass solche kriminellen Typen unser Gemeinwesen zerstören, indem sie unsere Innenstädte und die Berliner Stadtentwicklung als Casinos betrachten, handelt grob fahrlässig», sagt die Linke-Politikerin. „Aus meiner Sicht hat sich die Geschäftsgrundlage für den Deal mit Signa erledigt.»
SPD-Politiker Mathias Schulz sieht das etwas anders: „Ich glaube, darüber, dass man Signa und René Benko kritisch sehen muss, gibt es in Berlin keinen Dissens.» Man müsse das Unternehmen aber rechtlich so wie jeden anderen Eigentümer behandeln, führt er auch mit Blick auf die Bauvorhaben des Unternehmens aus.
„Formal macht es für Genehmigungsverfahren keinen Unterschied, ob ein Korruptionsverdacht gegen Signa und Benko besteht», sagt auch Florian Schmidt (Grüne), Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg. „Allerdings geht es hier um die Frage, ob das Land Berlin grundsätzlich mit einem unter massivem Korruptionsverdacht stehenden Unternehmer beziehungsweise dessen Konzern kooperieren will», so der Grünen-Politiker. Und weiter: „Ich erwarte, dass die Landespolitik den Signa-Deal grundsätzlich überdenkt und zumindest die laufenden Bebauungsplanverfahren aussetzt bis klar ist, ob an den Vorwürfen etwas dran ist.»
Schmidt wehrt sich schon lange gegen Signas Pläne, den Karstadt an der Grenze zwischen Kreuzberg und Neukölln massiv umzubauen. Nach dem Willen des Unternehmens soll die Architektur des Gebäudes der 1920er Jahre inklusive zweier 70 Meter hoher Türme wiederhergestellt werden. Was trotz der Nebelkerzen von „bezahlbarem» Wohnraum und Flächen für das „Gemeinwohl» bei Signas-Rekonstruktionsvorhaben durchscheint, ist das Interesse, hier großzügig Büroflächen entstehen zu lassen.
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat noch unter Senator Sebastian Scheel (Linke) dem Bezirk die Zuständigkeit entzogen; festgesetzt ist der B-Plan aber noch nicht. Während Signa von einem Baustart Ende 2023 ausgeht, will Schmidt die Hoffnung noch nicht aufgeben, dass das Projekt gestoppt werden kann. Auch aus Denkmalschutzgründen sei der Umbau fragwürdig, weil ein Stück Geschichte getilgt werden würde, sagt Schmidt. „Die Debatte ist vergleichbar mit der Stadtschloss-Debatte – nur dass beim Hermannplatz auch ein konkreter Schaden bei der Nachbarschaft und der Ökologie bevorsteht.»
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