Für’n Appel und ’n Cent

Studentische Beschäftigte an Berlins Universitäten kritisieren schlechte Bezahlung

  • Marten Brehmer
  • Lesedauer: 5 Min.

Angesichts der Inflation und steigender Energiepreise dürften sich viele studentische Mitarbeiter der Technischen Universität Berlin gefreut haben, als ihnen die Personalstelle per Mail eine »außertarifliche Zahlung« ankündigte. Doch die Hoffnung auf ein größeres Plus im Geldbeutel wurde enttäuscht: Gerade einmal einen Cent pro Stunde will das Präsidium den knapp 1900 studentischen Beschäftigten an der Universität mehr zahlen – in der Regel also fünf bis zehn Euro im Jahr. Zuerst berichtete der »Tagesspiegel« online. Der Grund für die kuriose Gehaltserhöhung: Da die Minijobgrenze auf 520 Euro erhöht wurde, würden viele studentische Beschäftigte ohne den zusätzlichen Cent in der Tasche aus der Sozialversicherungspflicht fallen. 

Für die studentischen Hilfskräfte ist die Minijobgrenze ein zweischneidiges Schwert. Ohne die Sozialversicherungsbeiträge würden Beschäftigte, die 40 Stunden im Monat arbeiten, knapp 100 Euro mehr Lohn im Monat erhalten. Für die studentischen Beschäftigten ist die Sozialversicherung aber attraktiv, erläutert Paul Bennert, Mitglied im Personalrat der studentischen Beschäftigten an der TU: »Auch mit kleinen Beiträgen sammelt man Beitragsjahre.« Für die häufig erst spät ins Vollzeitberufsleben einsteigenden Studierenden könnte das ein relevanter Faktor bei der Rentenberechnung sein. Bennert, der selbst an einem Lehrstuhl arbeitet, hätte sich aber gewünscht, dass die studentischen Beschäftigten selbst hätten entscheiden können, ob sie unter der Grenze bleiben wollen. »Die Universität hat den Beschäftigten die Entscheidung abgenommen, dabei gibt es für beide Seiten Argumente«, sagt Bennert zu »nd«.

Stefanie Terp, die Sprecherin der TU, teilt auf Anfrage von »nd« mit, dass die überschaubare Gehaltserhöhung der Universität größeren Verwaltungsaufwand erspare, da man die studentischen Beschäftigten nicht als Minijobber anmelden müsse. Alternativ hätte die Arbeitszeit um eine Stunde erhöht werden können. Die Freie Universität ist so vorgegangen. Für die TU hätten sich so allerdings deutlich höhere Mehrkosten ergeben, so Terp. Spielraum für eine Optionsregelung, mit der studentische Beschäftigte selbst entscheiden könnten, ob sie als Minijobber arbeiten wollten oder nicht, sieht Terp nicht.

Die Mini-Lohnerhöhung an der TU wirft ein Schlaglicht auf die Entlohnung der studentischen Beschäftigten, die zunehmend unzeitgemäß erscheint. Der 2018 geschlossene Tarifvertrag für die Hilfskräfte (TV Stud III) wurde inzwischen von der Lohnentwicklung überholt. Nachdem der Landesmindestlohn in Berlin im Sommer auf 13 Euro erhöht worden ist, ist der tariflich vereinbarte Stundenlohn von 12,96 Euro obsolet. Die Steigerung der Lebenshaltungs- und Energiekosten kann aber auch damit nur schwer ausgeglichen werden. »Mit 13 Euro und einem Cent fühlt man sich nicht gerade wertgeschätzt«, sagt Paul Bennert. 

Zumindest die TU bemüht sich nach eigenen Angaben darum, die zusätzlichen Belastungen zu kompensieren. Sie zahlte allen studentischen Beschäftigten im August eine Ausgleichsprämie von 100 Euro »als Zeichen der Wertschätzung und Anerkennung ihrer Leistung in Pandemiezeiten«, wie TU-Sprecherin Terp mitteilt. 

Damit steht die TU in Berlin allerdings allein auf weiter Flur. Keine der anderen Hochschulen habe die studentischen Beschäftigten mit einer Sonderzahlung entlastet, sagt Martina Regulin, die Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), zu »nd«. Auch von der Corona-Beihilfe waren die Hilfskräfte ausgeschlossen, immerhin profitierten sie vom Heizkostenzuschuss, den der Bundestag im Juni beschlossen hatte. Stefanie Terp von der TU kündigt derweil an, dass aktuell weitere Ideen für Entlastungen gesammelt würden.

Auch mit Sonderzahlungen ist das Gehalt der studentischen Beschäftigten nicht eben üppig. »Die im Tarifvertrag ausgemachte Bezahlung entspricht nicht mehr den aktuellen Bedürfnissen der studentischen Beschäftigten«, sagt Regulin. Und: »Die studentischen Mitarbeiter werden von den Universitäten nicht gut bezahlt.« Die Universitäten sähen sie vor allem »als Sparpotenzial«. Vor vier Jahren etwa wurden studentische Hilfskräfte, die in der Universitätsverwaltung beschäftigt sind, nach einem Gerichtsverfahren in den Tarifvertrag der Länder eingruppiert – in Entgeltgruppen mit niedrigeren Stundenlöhnen. Nachdem der Landesmindestlohn angehoben worden ist, ist der Lohnunterschied inzwischen irrelevant. Jedoch profitieren die studentischen Beschäftigten in der Verwaltung nicht von spezifisch auf Studierende gemünzten Regelungen im TV Stud III wie etwa dem Anspruch, für Prüfungen freigestellt zu werden. Dafür sind sie im Gegensatz zu ihren studentischen Kollegen in Forschung und Lehre unbefristet angestellt.

Eine Lohnerhöhung, die über den Cent-Bereich hinausgeht, ist nicht absehbar. Die Friedenspflicht im Tarifvertrag läuft zum Ende des Jahres aus. Bis dahin können die Gewerkschaften keine Streiks durchführen. Wobei studentische Mitarbeiter ohnehin schwer für Streiks zu mobilisieren sind, weil sie häufig in besonderer Weise von ihren Vorgesetzten abhängen – etwa wenn die Chefin gleichzeitig auch die Bachelor-Arbeit des Mitarbeiters prüft. Für Martina Regulin stellen sich die Hochschulen mit der Entlohnung selbst ein Bein, weil sie für den eigenen Nachwuchs unattraktiv werden. »Früher waren die Hilfskraftstellen für Studierende höchstinteressant, weil sie gute Arbeitsbedingungen mit der Möglichkeit verbanden, erste Erfahrungen in Forschung und Lehre zu sammeln«, sagt sie. »Aber wenn die Löhne für studentische Beschäftigte nicht mit der Inflation mithalten, werden sich viele fragen, ob sie sich nicht lieber außerhalb der Uni einen Job suchen.«

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