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Meeresschutz am Verhandlungstisch
Staaten verhandeln über die Zukunft der Gewässer rund um die Antarktis
Kaiserpinguine sind aufgrund der Auswirkungen des Klimawandels mittlerweile vom Aussterben bedroht, der riesige Thwaites-Gletscher könnte kollabieren. Die Nachrichten aus der Antarktis werden immer dramatischer. »Bis 2030 müssten mindestens 30 Prozent der Weltmeere geschützt werden, um die Folgen der Klimakrise noch abzuwenden und die Artenvielfalt zu erhalten«, sagt Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführers der Deutschen Umwelthilfe.
Ein großer Schritt in diese Richtung könnte während der diesjährigen Antarktis-Konferenz in Hobart auf der australischen Insel Tasmanien geleistet werden, die seit vergangener Woche läuft und an diesem Freitag zu Ende geht. Hauptthema ist die Einrichtung von Schutzgebieten in der Ostantarktis, der Antarktischen Halbinsel und dem Weddellmeer, die insgesamt vier Millionen Quadratkilometer und damit ein Prozent der Weltmeere umfassen würden. Die Errichtung dieser drei Meeresschutzgebiete wäre laut Müller-Kraenner genau die Art von Maßnahme, die weltweit nötig wäre.
Doch die derzeitigen geopolitischen Spannungen gefährden Fortschritte. Bei der 41. Verhandlung der Kommission zur Erhaltung der lebenden Ressourcen der Antarktis (CCAMLR) sind insgesamt 26 Staaten sowie die Europäische Union vertreten. Neben Vertretern aus Deutschland, Australien, Großbritannien und den USA sind auch Delegationen aus Russland, der Ukraine und China angereist. Abstimmungen finden unter dem Prinzip der Einstimmigkeit statt.
Bereits in früheren Jahren stellten sich meist Russland und China quer. In diesem Jahr gilt es noch zusätzlich, die Spannungen zwischen Russland und der Ukraine zu überbrücken, die sich seit Ende Februar im Krieg befinden. Erst vor wenigen Wochen schlugen Bomben in das Büro des Nationalen Antarktischen Wissenschaftszentrums der Ukraine in Kiew ein und zerstörten es teilweise.
Obwohl wenig aus den Verhandlungen nach draußen dringt, beeinflusst der Krieg in Europa den Ton. So verließen etliche Vertreter bereits zu Beginn des Treffens den Raum, als ein Mitglied der russischen Delegation sprach, wie die britische Zeitung »The Guardian« berichtete. Ein Vertreter der deutschen Delegation, Bernd Söntgerath vom Landwirtschaftsministerium, bestätigte am Dienstag, dass sich die Verhandlungen »wie befürchtet extrem schwierig« gestalteten. Neben den Anstrengungen auf Ebene der Regierungen sei möglicherweise im kommenden Jahr noch eine CCAMLR-Sondersitzung zur Etablierung von Meeresschutzgebieten im Südpolarmeer notwendig.
Allerdings kam es in der Vergangenheit schon einmal dazu, dass Nationen außenpolitische Differenzen zugunsten des Naturschutzes beiseite schoben. 1959, auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges, gelang es, den Antarktis-Vertrag zu schließen. In diesem wurde festgelegt, dass die unbewohnte Region zwischen 60. und 90. Grad südlicher Breite ausschließlich friedlich genutzt werden darf und der wissenschaftlichen Forschung vorbehalten bleibt. Es war die erste internationale Übereinkunft nach Ende des Zweiten Weltkriegs, die die friedliche Koexistenz zwischen Staaten mit unterschiedlichen Gesellschaftsordnungen festlegte.
Der Vertrag schützt allerdings nicht das Meer um die Antarktis. Doch auch hier konnte 2016 ein wichtiger Durchbruch errungen werden, als sich die Kommission darauf einigte, rund 1,55 Millionen Quadratkilometer im Rossmeer vor der südlichen Küste des Kontinents – eine Fläche etwa viermal so groß wie Deutschland – zur Schutzzone zu erklären. Von der historischen Vereinbarung, die im Dezember 2017 in Kraft trat, profitierten mehr als 10 000 Tierarten, darunter Pinguine, Wale, Seevögel, Tintenfische, Knochenfische, Robben und antarktischer Krill.
Inzwischen erhöht der Klimawandel die Dringlichkeit, noch mehr Gewässer der Antarktis zu schützen. Denn die steigenden Temperaturen führen schon heute zum rapiden Abschmelzen der Schelfeisflächen. Besonders gefährdet ist der Thwaites-Gletscher, dessen Kollaps die Erde, so wie wir sie kennen, massiv verändern würde. Der Verlust der Eismasse im westantarktischen Marie-Byrd-Land, die mit 192 000 Quadratkilometern fast so groß wie Großbritannien ist, würde den Meeresspiegel global um etwa 65 Zentimeter ansteigen lassen.
Zudem gefährdet die internationale Fischerei den Fortbestand des wichtigen antarktischen Ökosystems, wie es vonseiten der Deutschen Umwelthilfe heißt. Oftmals werde die Rolle des Südpolarmeeres für die Erde unterschätzt, meint Bundesgeschäftsführer Müller-Kraenner. »Aber das Südpolarmeer ist essentiell für die Regulierung des Klimas, die Nährstoffversorgung der Meere und als Lebensraum einer beeindruckenden Artenvielfalt.«
Von deutscher Seite werden alle drei Schutzgebiete unterstützt. Der Vorschlag zum Schutz des Weddellmeeres, den Deutschland maßgeblich miterarbeitet hat, wird jedoch besonders hervorgehoben. Mit rund 2,2 Millionen Quadratkilometern wäre diese Region das größte Meeresschutzgebiet der Welt und würde einen Beitrag zur Erreichung des Ziels leisten, 30 Prozent des Ozeans bis 2030 zu schützen. Zudem ist das Weddellmeer ein einzigartiges Ökosystem und die Heimat von etwa 14 000 verschiedenen Tierarten, von denen viele nur dort existieren.
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