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Keine Experimente
»Doggerel« ist eine solide Pixies Platte geworden. Nicht mehr und nicht weniger. Aber das muss bei den Indie-Oldies nichts Schlechtes sein.
Mein Vater hat jeden Abend zwei Flaschen Bier getrunken. Immer das billigste, das es im Supermarkt gab. Erst Gögginger, dann Oetinger. Und immer, wenn ich vorgeschlagen habe, er könnte doch auch mal Beck’s oder Altmünster trinken, dann hat er in seiner ruhigen Art gesagt: »Das kannst du ja machen, ich fange jetzt nichts Neues mehr an.« Damals fand ich das blöd. Aber jetzt verstehe ich ihn.
Wenn ein neues Album von den Pixies rauskommt, dann höre ich das an. Das mache ich seit 1990, warum soll ich da jetzt was Neues anfangen? Damals, in den 90ern, da waren die Pixies jung und wild, und ich wäre es gern gewesen. Darum waren die Pixies genau das Richtige. Harte Musik ohne den Prollfaktor wie all die auf ACDC basierenden Haarspray-Bands. Und die Pixies hatten die coole Kim Deal, von der ich annahm, dass sie die ideale Freundin für mich wäre. Anti-Bassspielerin und Holzfällerhemd.
Anfang der 90er gab es in der Gitarrenmusik eigentlich nichts (auch nicht Nirvana), das besser war als die Pixies. Die Alben »Surfer Rosa«, »Doolittle« und »Bossanova« sind unschlagbar. Mit »Trompe le Monde« deutete sich schon an, dass dieser Standard nicht haltbar war. Und dann lösten sich die Pixies 1993 einfach auf. Frank Black und Kim Deal machten irgendwie weiter, aber eigentlich wollte man die Pixies. Ich konnte gar nicht verstehen, warum die jetzt was Neues anfingen. War dann auch nicht so toll.
Mit »Fight Club« wurde das bis dahin weitgehend unbekannte »Where is my mind?« plötzlich zum Hit und alle fragten sich: Wo sind die Pixies? Zuerst wehrten sie sich gegen eine Reunion. Man war ja Indierocker und nicht die Pleitestars der 60er, die sich um des Geldes Willen noch mal für die Oldies but Goldies Show zusammenrauften. Dann rauften sie sich doch zusammen und machten zunächst mit Kim Deal ein ziemlich krudes Comeback-Album namens »Indie Cindy«.
Danach ohne Kim Deal ein ziemlich seltsames Album namens »Head Carrier«. Bloß nicht so klingen wie früher, bloß nicht Nostalgie oder Retro! Und dann kam vor zwei Jahren »Beneath the Eyrie«, jetzt mit der Bassfrau Paz Lenchantin. Die ist zwar nicht so cool wie Kim, kann dafür aber Bass spielen und arrangieren. Dieses Album ist ein angemessenes Werk für Endfünfziger-Indierocker. Intelligente Texte und komplexe Gitarrenmusik.
Und das setzten die vier jetzt mit ihrem schönen Album »Doggerel« fort. Gleiches Studio, gleicher Produzent wie beim Vorgänger. Und sie stehen noch mal ordentlich auf der Bremse. Herausgekommen ist ein schönes und entspanntes Gitarrenalbum.
Okay, das Stück »Haunted House« ist ein bisschen albern. Aber Songs wie »No Matter Day« bieten alles, was man von den Pixies erwarten kann. Merkwürdige Akkordprogession à la Charles Thompson, atonale Gitarrenfiguren von Joey Santiago, ein knüppelnder Bass von Paz Lenchantin und das zuverlässige, aber keineswegs langweilige Schlagzeug von Bandzauberer David Lovering. Und auch der Westernsong »Vault of Heaven« ist wunderschön.
Reizend auch »Dregs of the Wine«, ein gesungener Streit, ob die Originalversion von »You really got me« von den Kinks oder das Cover von Van Halen besser ist. Man hört in dem Song beide Versionen heraus, aber auch die typischen, jetzt von Paz Lenchantin gesungenen »Ahhhh«-Chöre. »Get simulated« hört sich an, als hätten die Pixies einen Song von 1988 ausgegraben und aufgemöbelt. Auch schön.
Die Single »Moon on« liegt irgendwo zwischen den Pixies zu »Bossanova« und »Trompe le Monde«. Alles nichts Neues. Aber wer will denn heutzutage schon was Neues anfangen? Ich nicht. Ich höre die neue Pixies-Platte so, wie mein Vater sein Bier trank.
Pixies: »Doggerel« (Infectious)
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