- Kultur
- Kristof Schreuf
Alarm und Emphase
Der Popmusiker und Autor Kristof Schreuf ist tot
Am vergangenen Mittwoch starb der Popmusiker und Autor Kristof Schreuf im Alter von 59 Jahren in Berlin. Geboren in Frankfurt am Main, aufgewachsen in der holsteinischen Provinz, wurde der große Beatles- und AC/DC-Fan Sänger der Band Kolossale Jugend, die mit ihrer neuartigen Alarm-Musik Ende der 80er Jahre das vorwegnahmen, was man dann in den 90er Jahren »Hamburger Schule«, beziehungsweise »Diskursrock« nannte: schneller Indie-Gitarrenrock mit politischen und expressionistischen Texten gegen das Bestehende. Mit Cpt. Kirk &. und Blumfeld waren Kolossale Jugend die einflussreichste Band in dieser Szene, auch wenn sie nur zwei Alben einspielten. Ihr erstes Album »Heile heile boches« erschien im Herbst 1989 und wirkte wie ein radikaler Kommentar zur neuen nationalen Besoffenheit nach dem Mauerfall, war aber schon im Frühjahr des Jahres aufgenommen worden. Später sang Schreuf in den Bands Brüllen, Licht und Rock und veröffentlichte 2010 im Alter von 47 Jahren sein einziges Soloalbum »Bourgeois with Guitar«, auf dem er Klassiker der Popgeschichte völlig neu zusammensetzte und interpretierte – ein Meisterwerk. »Ganz intim und leise klingt das, fast spirituell. Hier tanzen Theorie und Praxis eng ineinander verschlungen – die großartige Rückkehr eines fast vergessenen Helden«, schrieb damals der »Rolling Stone«. Als Musiker arbeitete Schreuf auch mit dem altlinken Analytiker und Performer Thomas Ebermann zusammen, unter anderem beim theatralen Projekt »Firmenhymnenhandel«, das die bizarren Lieder deutscher Konzerne untersuchte. Als Journalist veröffentlichte Schreuf, der mit der bekannten Übersetzerin Conny Lösch verheiratet war, sehr interessante Texte, hauptsächlich für »Taz«, »Junge Welt« und »FAZ« und in den letzten Jahren auch für »nd«. In der eingestellten, legendären Musikzeitschrift »Spex« stand er jahrelang als Autor im Impressum. Sein Stil war geprägt von einem emphatischen Erzählen, so wie er auch im persönlichen Umgang hochinteressiert und herzlich auf die Menschen zugehen konnte, um etwas Neues über sie, sich und die Gesellschaft zu erfahren. Ein Nachruf folgt. nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.