Paradies Deutschland

Geldwäsche gehört zur globalisierten Weltwirtschaft dazu

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

»Drogenhandel und der Schmuggel von Rauschgift sind wesentliche Einnahmequellen der Organisierten Kriminalität«, sagt Martina Link, Vize-Präsidentin des Bundeskriminalamts: »Es ist ein Geschäft, mit dem Millionen verdient werden.« Dabei spielten das Darknet – der versteckte Teil des Internets – und Familien-Clans eine Rolle. Clans, Darknet und Rauschgift – das sind auch die Themen, die die mediale Berichterstattung über Geldwäsche in Deutschland bestimmen.

Diese eingeengte Sichtweise halten Strafrechtsexperten für einen Irrglauben. Sogar international angeprangerte Offshore-Zentren wie Cayman Islands oder Panama wären nur Teil des Problems, meinen sie. Der größte Geldwäscher seien dagegen die Vereinigten Staaten, referierte Kilian Wegner, Professor an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) während eines Fachgesprächs der Linksfraktion im Bundestag letzte Woche. Und auch Länder in der Europäischen Union praktizierten Geldwäsche als ihr »Geschäftsmodell«.

Geldwäsche beschreibt ein Vorgehen, das darauf abzielt, die illegale Herkunft von Vermögenswerten zu verschleiern, um diese als scheinbar legale Vermögenswerte in den regulären Wirtschafts- und Finanzkreislauf einzuführen. Das reicht dann von der kreativen Steuergestaltung in multinationalen Konzernen über Schwarzgeld, welches in die Bauwirtschaft fließt, bis zu sanktionierten »Oligarchen«, Korruption und gewöhnlichen kriminellen Tätigkeiten wie dem Rauschgifthandel. Und es geht nicht um Millionen, sondern um Abermilliarden. Geldwäsche sei »ein integrierter Teil der globalisierten Wirtschaft«, ist Wegner überzeugt.

Frühere Schätzungen des Internationalen Währungsfonds gehen von einem Anteil der Geldwäsche am jährlichen Bruttoinlandsprodukt der Welt zwischen zwei und fünf Prozent aus – das wären bis zu fünf Billionen Euro. Da diese gewaltige Summe zu einem erheblichen Teil investiert wird, akkumuliert sich die Geldwäsche immer weiter in Form von Kapital, das in Banken und Versicherungen, in Beteiligungen an Unternehmen oder in Aktien fließt.

Eine Folge ist ausufernde Korruption. Geldwäsche-Experte Wegner wies die linken Abgeordneten darauf hin, dass es auch im Bundestag, in den Landtagen und im Europäischen Parlament sehr wahrscheinlich zu Bestechungen kommt. Nicht immer dürften die Täter dabei so ungeschickt vorgehen wie in der Aserbaidschan-Affäre, als Reisen an Politiker verschenkt wurden, Uhren und Geld in Briefumschlägen den Besitzer wechselten.

Für Ermittlungsbehörden ist es oft unmöglich, Vermögen klar einer Person zuzuordnen. Und selbst wenn es gelingt, greifen die Sanktionen der EU nicht automatisch. Wenn etwa ein Oligarch eine Villa nicht im eigenen Namen besitzt, sondern eine Immobilien-Holding GmbH dazwischen schaltet, deren alleiniger Gesellschafter er ist, so darf das Gebäude nach der Rechtsauffassung der Bundesbank im Grundsatz trotzdem weiter bewirtschaftet werden. Die Sanktionslisten erfassen nur die dort namentlich genannten, nicht aber die von ihnen gegründeten Unternehmen. Ohnehin bleibt trotz Sanktionen die private Nutzung von sanktionierten Immobilien oder Yachten erlaubt, durch den Sanktionierten selbst oder durch Freunde und Familie.

Neben rechtlichen Schwachstellen hakt es in der Praxis. So erklärte Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit, warum das erst 2021 novellierte Transparenzregister »keine Transparenz« ergibt: Aufgrund von unvollständigen Einträgen, des mangelhaften Abgleichs mit den Grundbüchern und der Vergabe durch das Bundesfinanzministerium der registerführenden Stelle an den Bundesanzeiger-Verlag. Dieser habe zwar viele Beschäftigte dafür eingestellt, die würden aber die Akten per Hand bearbeiten.

Personell dünn besetzt ist auch die beim Zoll angesiedelte Anti-Geldwäsche-Einheit Financial Intelligence Unit. Sie schafft es nicht, die vielen Meldungen zeitnah abzuarbeiten. In einem Brief an den Bundestag berichtet die Parlamentarische Staatssekretärin Katja Hessel (FDP) von rund 101 000 Verdachtsfällen, die zum Stichtag Ende September nicht abschließend geprüft worden seien.

Deutschland gilt der Linkspartei als »das Geldwäscheparadies Europas«. Der Staat ist bei der Eindämmung der Geldwäsche überfordert. Daran haben auch die neugeschaffenen Ermittlungsbefugnisse und Strukturen im Rahmen des Sanktionsdurchsetzungsgesetzes nichts Grundsätzliches geändert. Mit einem weiteren Gesetzespaket will die Bundesregierung jetzt die bisher bestehenden rechtlichen Lücken schließen, Datenabgleiche effektiver ausgestalten, Kompetenzen bündeln und neue Behördenstrukturen schaffen. Wirken können solche Reformen erst nach Jahren, schon aufgrund des akuten Fachkräftemangels.

Wegner wünscht sich vor diesem Hintergrund auch einen »mentalen Wandel«. Gerade in einem Land wie der Bundesrepublik, dessen Wirtschaftsmodell auf Außenhandel beruht, müsse Geldwäsche ins Zentrum der politischen Diskussion gerückt werden. Dabei gelte es, einen pragmatischen Kompromiss zwischen wirtschaftlichen Interessen und den bisher stark vernachlässigten Sicherheitsinteressen zu finden. Würde beispielsweise mit dem Lieferkettengesetz wirklich ernst gemacht, werde es schwer, die für die Energiewende erforderlichen Rohstoffe wie Seltene Erden einzukaufen.

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