Mit Finanzmagie zum Kohleausstieg

Indonesiens Stromsektor soll mit G20-Unterstützung bis 2050 klimaneutral werden

  • Christian Mihatsch, Scharm El-Scheikh
  • Lesedauer: 4 Min.

Am Rande des G20-Gipfels in Nusa Dua auf der indonesischen Insel Bali wurde am Dienstag ein Programm angekündigt, um den Kohleausstieg im Gastgeberland zu beschleunigen. Die USA und Japan haben dazu mit Indonesien eine Partnerschaft ausgehandelt, für die einige Industriestaaten, darunter auch Deutschland, insgesamt 20 Milliarden Dollar aufbringen. Dies sei »wahrscheinlich die größte Transaktion im Bereich der Klimafinanzierung, die es je gegeben hat«, sagte ein Sprecher des US-Finanzministeriums.

Das Geld wird je zur Hälfte von Staaten sowie der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) einerseits und privaten Investoren, meist Banken, andererseits zur Verfügung gestellt. Dank diesem Instrument sollen Emissionen im Umfang von insgesamt zwei Milliarden Tonnen CO2 verhindert werden. Der Treibhausgasausstoß des indonesischen Stromsektors soll bereits im Jahr 2030 – statt wie bisher geplant im Jahr 2037 – seinen Höhepunkt erreichen und bis zum Jahr 2050 statt 2060 auf Null fallen. Bei der UN-Klimakonferenz COP 27 im ägyptischen Scharm El-Scheikh sagte der US-Sondergesandte John Kerry zu der neuen Partnerschaft: Diese könne »Indonesiens Energiesektor wirklich von Kohle auf erneuerbare Energien umstellen und das Wirtschaftswachstum fördern«.

Die besondere Herausforderung für Indonesien ist, dass die Kohlekraftwerke des Landes oft noch relativ neu sind und die Betreiber noch nicht genug Zeit hatten, um ihre Investitionen zu amortisieren. Um die Kraftwerke dennoch abschalten zu können, ist daher ein wenig Finanzmagie erforderlich – mit Hilfe eines Instruments namens »Energiewendemechanismus« (ETM). Dafür wird öffentliches und privates Kapital gebündelt. Der ETM kauft dann die Kohlekraftwerke ihren jetzigen Besitzern ab und legt sie nach einer bestimmten Anzahl von Jahren still. Gleichzeitig baut der ursprüngliche Betreiber mit den Einnahmen aus dem Verkauf des Kohlemeilers die erneuerbaren Energien aus. Damit der ETM trotz der vorzeitigen Stilllegung noch eine Rendite erzielt, muss in der verbleibenden Betriebszeit die Marge zwischen Kosten und den Einnahmen aus dem Stromverkauf höher sein als zuvor. Das kann erreicht werden, indem der ETM deutlich geringere Finanzierungskosten hat als der ursprüngliche Betreiber. Damit die Teilhaber diese geringere Rendite akzeptieren, muss allerdings auch das Risiko entsprechend niedriger sein. Und hier kommen die öffentlichen Geldgeber ins Spiel: Sie akzeptieren, dass sie im Fall eines Verlusts als erste ihr Geld verlieren würden.

Die Partner Indonesiens wollen nicht sagen, wie viel Geld die verschiedenen Länder beisteuern. Aufgrund einer ähnlichen Partnerschaft mit Südafrika lässt sich aber relativ genau sagen, wie die Finanzierung aussieht. Dort besteht der größte Teil des 8,5-Milliarden-Dollar-Programms aus Darlehen. Nur 2,7 Prozent der Gesamtsumme müssen nicht zurückgezahlt werden. Deutschland beteiligt sich an Südafrikas Programm mit einer Milliarde Dollar oder knapp zwölf Prozent. Beim Programm Indonesiens käme man beim gleichen Anteil auf rund 1,2 Milliarden Dollar. Der größte Teil fließt in Form von Krediten. Wenn alles gut geht, bekommt Deutschland in einigen Jahren also sein Geld zurück und hat in der Zwischenzeit den Kohleausstieg Indonesiens beschleunigt. Jennifer Morgan, Staatssekretärin im Außenministerium und Beauftragte der Bundesregierung für internationale Klimapolitik, sagt daher: »Wir unterstützen Indonesien dabei, das Energiesystem zu transformieren, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu beschleunigen und einen Weg in eine grünere und nachhaltigere Zukunft einzuschlagen.«

Trotz des Deals wird sich Indonesien aber nicht über Nacht in ein grünes Musterland verwandeln. Die Hälfte aller Emissionen des Landes stammt aus der Rodung von Wäldern und der Trockenlegung von Feuchtgebieten. Dies bleibt durch das Programm unangetastet. Indonesien ist zudem der mengenmäßig größte Exporteur von Steinkohle weltweit. Letztes Jahr exportierte das Land 434 Millionen Tonnen des Klimakillers, mehr als doppelt so viel wie die derzeitige Nummer zwei, Australien. Auch diese Exporte bleiben durch das neue Programm unangetastet.

Dennoch gelten Partnerschaften wie mit Indonesien oder Südafrika als vielversprechend. Derzeit handeln verschiedene Industriestaaten mit Indien, Vietnam und Senegal ähnliche Programme aus. Das mit Vietnam steht offensichtlich kurz vor dem Abschluss. Wie aus der deutschen Delegation in Scharm El-Scheikh verlautete, dürften die Verhandlungen noch dieses Jahr abgeschlossen werden.

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