Abgeordnete fahren Auto

Landtag debattiert die Zukunft von Fahrrad, Bus und Bahn

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Bahnsteig in Eisenhüttenstadt ist frisch modernisiert, aber nach Frankfurt (Oder) besteht Schienenersatzverkehr. Am Regionalexpress von Berlin nach Frankfurt (Oder) fehlt am Dienstagnachmittag ein Wagen. Der Zug ist so voll, dass die Fahrgäste auf den Treppen sitzen und in den Gängen stehen müssen. Am Abend geht dann wegen eines aus den Schienen gesprungenen Baufahrzeugs gar nichts mehr. Die Strecke ist stundenlang gesperrt. Nur der zeitraubende Umweg über Eberswalde bietet noch einen Ausweg. Von den ständigen Verspätungen gar nicht zu reden. Das ist Alltag im Brandenburger Bahnverkehr. Doch die Politiker merken davon persönlich wenig, denn sie fahren ja Auto, wie sich bei der Landtagssitzung am Donnerstag wieder einmal zeigte.

In eine friedliche Stimmung fiel die Parlamentssitzung immer mal wieder zurück, weil viele Abgeordnete ihre Rede mit einem Glückwunsch zum Geburtstag von Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke (SPD) begannen. Die von den Grünen beantragte Aktuelle Stunde zum Thema »Alle Zeichen stehen auf Verkehrswende« wurde dennoch mit wachsender Erbitterung geführt. Die Debatte begann gleichsam bei der Ferkeltaxe und endete bei der Rettung der Welt.

Eine Führungsrolle Deutschlands beim Klimaschutz reklamierte Umweltminister Axel Vogel (Grüne) ganz unumwunden: »Wir sind diejenigen, die Zeichen setzen.« Deutschland werde Vorbild für all jene sein, die da »jetzt noch hinterherhinken.« An Deutschland müssten sich Staaten wie Indien und China orientieren. Damit reagierte Vogel auf Äußerungen des Abgeordneten Lars Günther (AfD), dem zufolge sich die größten Verursacher des Treibhauseffekts nicht darum kümmern werden, ihren CO2-Ausstoß zu reduzieren, und dass sie mit günstigen Konditionen deutsche Unternehmen zur Verlagerung der Produktion veranlassen. »Brandenburg wird Gewinnerregion sein«, setzte Minister Vogel unerschütterlich dagegen.

Eröffnet wurde die Debatte von Grünen-Fraktionschef Benjamin Raschke, der sich freute, dass die EU für ihr Gebiet das Verbot der Neuzulassung von Autos mit Verbrennungsmotoren ab 2035 beschlossen habe. Die Koalition in Brandenburg steigere die Leistungen für den Busverkehr und kümmere sich um ein besseres, dichteres Radwegenetz. Raschke begrüßte das geplante 49-Euro-Ticket für den gesamten Regionalverkehr als guten Nachfolger des sommerlichen 9-Euro-Tickets. Auf Nachfrage räumte er indessen ein, dass in Brandenburg »zu oft Bahn und Bus nicht die bessere Alternative« zum Auto sind. Er weiß, dass viele Abgeordnete gern mit der Bahn zur Landtagssitzung nach Potsdam anreisen würden, aber dennoch mit dem Auto kommen.

Der Abgeordnete Daniel Münschke (AfD) erinnerte, dass Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) vor einiger Zeit sein ihm dienstlich zustehendes Bahnticket offiziell zurückgegeben habe. »Das ist ein klares Statement für das Auto.«

Selbst wenn mehr Busse oder Bahnen fahren würden, so benötigten diese auch mehr Diesel oder Strom, sagte der Abgeordnete Philip Zeschmann (Freie Wähler). Jahrelang habe die Landesregierung ihre Zuschüsse nicht erhöht und aktuell nur um 1,5 Prozent, bemängelte er. »Das reicht nicht, um das gegenwärtige Angebot zu halten. Eine zeitgemäße Verkehrspolitik brauchte «mehr Geld, mehr Einsatz, mehr Kompetenz».

Für den Abgeordneten Andreas Büttner (Linke) klemmt die Säge ebenfalls bei der Finanzierung. Nur 500 000 Euro wolle die Regierung in Radschnellwege investieren. «Schaffen Sie damit fünf Meter oder zehn Meter Radschnellweg? Das ist ja nun wirklich albern.» Während das Land Berlin die Einführung eines 9-Euro-Sozialtickets diskutiere, «treten Sie auf die Bremse», bedauerte Büttner. Seine Schlussfolgerung: «Mit Ihnen in der Regierung wird die Verkehrswende nicht umgesetzt.»

Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz ist der Meinung, dass die Koalition aus SPD, CDU und Grünen trotz einiger Nachbesserungen am Doppelhaushalt 2023/2024 zu wenig in Radwege, Busse und Bahnen investiert. So werde Brandenburg seine Klimaziele verfehlen. «Eine Verkehrswende sieht anders aus», sagte kürzlich die Landesvorsitzende Franziska Sperfeld.

CDU-Fraktionschef Jan Redmann pries die vielen bevorstehenden «Taktverdichtungen» auf den Regionalstrecken, die Verkehrsminister Guido Beermann (CDU) veranlasst habe. Beermann selbst stellte sich vor als der erste Verkehrsminister Brandenburgs, der stillgelegte Bahnstrecken wieder in Betrieb nehme und der für mehr Haltestellen sorge. Beim Ausbau des Regionalbahnverkehrs nehme Brandenburg im Bundesvergleich eine Spitzenposition ein, zum nächsten Fahrplanwechsel werde das Angebot um 30 Prozent wachsen. Das sei «die größte Fahrplanausweitung in der Geschichte unseres Bundeslandes». 28 Millionen Zugkilometer seien bestellt, so viel wie nie zuvor. Beermann bekräftigte das Ziel, die Lokomotiven in einigen Jahren vollständig auf klimaneutrale Antriebe umgestellt zu haben. Was den Radwegebau und den Nahverkehr betreffe, «sind wir als Flächenland Vorreiter».

Die Verkehrsbetriebe werden durch die Einführung eines 49-Euro-Tickets Einnahmen verlieren. Diese Verluste dürfen nach Überzeugung von Beermann nicht den Ländern oder den Kommunen aufgehalst werden. Denn wenn aus Kostengründen Bus- oder Bahnverbindungen abbestellt werden müssten, «dann hilft das beste 49-Euro-Ticket nichts».

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